Biographie

Trakl, Georg

Herkunft: Zentralpolen (Weichsel-Warthe)
Beruf: Schriftsteller
* 3. Februar 1887 in Salzburg
† 3. November 1914 in Krakau

Georg Trakl ist einer der meistgelesenen und am häufigsten übersetzten deutschsprachigen Dichter der Moderne. Man stellt fest, „daß kaum einer in Österreich je schönere Verse schrieb als Georg Trakl“ (J. Leitgeb), man spricht von einer „Trakl-Welt“ (Karl Kraus), man betont die Klarheit der Vieldeutigkeit bei Trakl (Martin Heidegger), oder man schreibt wie Else Lasker-Schüler: „Des Dichters Herz, eine feste Burg/ Seine Gedichte: singende Thesen“ und widmet das Gedicht Georg Trakl. Und dieser große Lyriker lebte nur knapp 27 Jahre lang!

Durch seinen Vater ist Trakl mit den Donauschwaben verbunden. Tobias Trakl stammt aus einer donauschwäbischen Familie, die in Ödenburg/Ungarn ansässig war (oft Schreibung: Trackel). Die Mutter, Maria Halik, deren Familie aus Böhmen stammt, ist in Wiener Neustadt zur Welt gekommen.

Zwischen dem Mirabell in Salzburg, den Gondeln Venedigs, den Berliner Literatenkreisen, zwischen Karl Kraus und Ludwig von Ficker, Wien und Innsbruck, zwischen dem galizischen Grodek und Rimbauds Visionen lebt die Dichtung von Georg Trakl. Die Monotonie eines Alltags bereitete ihre Schwermut über sein Erleben, bis dann – in geraffter Dramatik – plötzlich Lebensdichte und Aussagespannung gestaut wurden.

An dem sichtbaren Gang seiner Tage ist seine Dichtung kaum zu ermessen. Der Sohn eines Eisenhändlers in Salzburg besuchte die Übungsschule der katholischen Lehrerbildungsanstalt in seiner Heimatstadt. Trakl wird zweimal nicht versetzt und verläßt 1905 das Gymnasium. Literarische Auftritte beginnen 1906. Sein „Dramatisches Stimmungsbild“ „Totentag“ wird im Stadttheater in Salzburg aufgeführt, ein Prosaversuch („Traumland“) gilt als literarisches Debüt. Trakl bereitet sich auf eine Apothekerlaufbahn vor. 1909 legt er mit mäßigem Erfolg seine Fachprüfungen ab. 1911 ist die Apotheke „Zum weißen Engel“ in Salzburg Trakls Tätigkeitsgebiet, 1912 tritt er in Innsbruck seinen Dienst als Militärmedikamentenbeamter an. Seine Mitarbeit an der Zeitschrift „Der Brenner“ setzt neue Akzente für den Dichter und für die Zeitschrift. Versuche, nach Wien auszureißen, sind erfolglos, bis sich am Jahresende (1912) eine „Rechtspraktikantenstelle“ anbietet. Der Verlag Albert Langen lehnt eine Herausgabe von Trakls Gedichten ab, Kurt Wolff bietet eine Zusammenarbeit an. 1913 besucht Trakl zusammen mit Karl Kraus, Peter Altenberg, Adolf Loos Venedig, 1914 besucht er die Schwester Margarethe in Berlin. Im August kommt Trakl an die Ostfront. Nach der Schlacht von Grodek/Rawa-Ruska erleidet der Dichter einen seelischen und physischen Zusammenbruch, von dem er sich nicht mehr erholt. Ob er am 3. November freiwillig oder an einer Überdosis von Kokain gestorben ist, bleibt ein Rätsel für Biographen und Freunde von Sensationellem.

Dieses brave Dasein, aufgereiht in einer Abfolge von genau bestimmbaren Einzeldaten, aufgelockert durch Freundschaften und Künstler-Gemeinschaften, ist keine Handhabe für die Dichtung Trakls, die nur mengenmäßig leicht überschaubar bleibt. Seine dramatischen Versuche („Totentag“, 1906, „Fata Morgana“, 1906, „Blaubart“, „Don Juans Tod“) sind Stückwerk; der Verlust der Manuskripte schmerzt nicht merklich. Die drei Rezensionen, die Trakl publizierte, seine Prosaversuche lassen ebensowenig wie die wenigen Aphorismen den echten Dichter erkennen. Und so bleiben der dichterische Nachlaß und die früher veröffentlichten Gedichtbücher: „Gedichte“ (1913), „Sebastian im Traum“ (1914) und „Aus goldenem Kelch. Die Jugenddichtungen“ (1939) die einzige Handhabe, um dem „Unsäglichen“ näherzukommen. Trakl ist einer der Früh-Verstorbenen. Die eigentliche Schaffensintensität kam dabei spät und war von kurzer Dauer. Ob eine solche Dichte über lange Wegstrecken ertragbar gewesen wäre, darf wohl gefragt werden. Auch so ist es immer wieder erstaunlich, wie Trakl die Fülle an Gegensätzlichem doch noch zusammenzuhalten vermag. Das Zerbrechen der Welt und an der Welt wird oft thematisiert. Ein Untergang, der in Schwebe verhält, eine Auflösung, die keine Lösung bedeutet: Das hat Trakl belastet. Den Druck des Erkennen-Müssens durch Sprache, die Verpflichtung, eine eigene Form zu finden und zu meistern, hat er immer auf sich genommen. Wahrhaftigkeit ist für ihn ein zweischneidiges Schwert: Sie zerstört und erhält. Und so kommt es zu Bild- und Wortfügungen, die sibyllinisch und doch erdennah, die als Sphärenmusik aufrauschen und doch Rausch und Genuß zulassen.

Trakls Dichtung dreht sich um Sinnliches und Übersinnliches. Der Mittelpunkt ist und bleibt der „bleiche Mensch“. Die Motive und Farbgebungen werden obsessiv wiederholt. Eine Abstrahierung ist möglich, aber auch ein Eindringen in neue Labyrinthe, in „kältere“ Tiefen. Auch die „ungeborenen Enkel“ werden miterlebt und miterlitten. Chiffren entstehen, weil die Sprache immer mehr andeutet und auf Hintergründiges verweist: Das Geheimnis des Menschen und der Schöpfung kann nur jenseits von Begriffen und Begrifflichem liegen. Das ist die schwer ertragbare, die oft kaum noch verständliche Welt des Dichters Trakl. Und daß er ein echter Dichter war, hat er gewußt, durchfühlt, durchlitten. Seine menschliche Größe kann nur vermutet, seine Botschaft in einer einmaligen, ganz persönlichen Bilder-Sprache hingenommen werden.

Werke: Georg Trakl: Gedichte, 1913; Sebastian im Traum, 1914; Die Dichtungen. Erste Gesamtausgabe, 1917; Aus goldenem Kelch, 1939; Dichtungen und Briefe. Hist.-kritische Gesamtausgabe, 1969; Der Wahrheit nachsinnen – viel Schmerz. Gedichte, Dramenfragmente, Briefe, 1981.

Lit.: E. Buschbeck, 1917; E. Vietta, 1947; E. Lachmann, Kreuz u. Abend, 1954; T. Spoerri, 1954; A. Focke, 1955; K. Simon, Traum und Orpheus, 1957; H. Goldmann, Katabasis, 1957; Erinnerungen an G. T., hg. L. v. Ficker,21959; L. Dietz, D. lyr. Form G. T.s, 1959; H. Szklenar, 1960; G. T. in Zeugnissen d. Freunde, hg. W. Schneditz,21960; W. Falk, Leid u. Verwandlung, 1961; E. G. Bleisch, 1964; G. T. (Text u. Kritik, Sonderheft), 1964; T. J. Casey, Manshape that shone, Oxf. 1964; O. Basil, 1965; W. Killy, 1967; R. Blaß, 1968; H.-G. Kemper, G. T.s Entwürfe, 1969; Johann Adam Stupp: Georg Trakl. Der Dichter und seine südostdeutsche Abkunft, Stuttgart, 1969; Johann Adam Stupp: Der Vater des Dichters Georg Trakl, in: Semesterblätter, 1967, H. 17-18, S. 31/41; R. D. Schier, D. Spr. G. T.s, 1970; A. Helemich, Klang u. Erlösg., 1971; R. Rovini, La fonction poétique de l’image dans l’oeuvre de G. T., Nizza 1971; E. Philipp, 1971; H. Lindenberger, N. Y. 1972; H. Wetzel, Klang u. Bild,21972; J.-M. Palmier, Situation de G. T., Paris 1971; Ch. Saas, 1973; Bibl.: W. Ritzer, 1956. Bibl. vor allem neuerer Sekundärlit. v. H.-G. Kemper in: Text + Kritik, 4/4a, 1969, revid. Neuausg. geplant f. 1982; ders.: „Trakl-Forschung der sechziger Jahre“ in DVjS. 1971; Index zu G. T., bearb. v. W. Klein u. H. Zimmermann, 1971, Christa Saas: G. T., 1974; Salzburger Trakt-Symposion, hg. v. W. Weiss u. H. Weichselbaum, 1978. Londoner T.-Symposion, Hg. v. W. Methlagl u. W. E. Yuill, Salzburg 1981.