Biographie

Tresckow, Henning von

Herkunft: Pommern
Beruf: Berufsoffizier, Widerstandskämpfer
* 10. Januar 1901 in Magdeburg
† 21. Juli 1944 in Ostfront in Polen, Bez. Bialystok

Henning von Tresckow, geboren am 10. Januar 1901 in Magdeburg/ Altmark, stammte aus einer alten, streng protestantisch geprägten preußisch-märkischen Adelsfamilie und war von hohem Pflichtbewusstsein erfüllt. Viele seiner Vorfahren waren Offiziere in Preußen gewesen. Sein Vater Hermann von Tresckow (1849-1933), zuletzt General der Kavallerie in der kaiserlichen Armee, hatte als junger Leutnant am 18. Januar 1871 an der Kaiserkrönung in Versailles teilgenommen und verwaltete nach seiner Verabschiedung aus dem Heer das 1883 erworbene Familiengut in Wartenberg/Neumark.

Henning von Tresckow, der es in der „Wehrmacht“ bis zum Generalmajor brachte, wuchs mit zwei Schwestern und zwei Brüdern auf. Zunächst besuchte er die Elementarschule in Stettin und wurde danach mit seinem Bruder Gerd auf Gut Wartenberg von einem Privatlehrer unterrichtet. Von 1913 an war er Schüler des Realgymnasiums des Evangelischen Klosters Loccum, das von 1890 bis 1923 in Goslar/ Harz untergebracht war. Nach einem Notabitur trat er 1917 ins Deutsche Heer ein und meldete sich als Freiwilliger beim traditionsreichen Potsdamer 1. Garderegiment zu Fuß. Nach der Ausbildung zum Fahnenjunker wurde er 1918 an der Westfront eingesetzt als Zugführer einer Maschinengewehr-Kompanie. Als einer der jüngsten Leutnante wurde er im Juli 1918 mit dem Eisernen Kreuz zweiter Klasse ausgezeichnet. Nach Kriegsende kehrte er mit seinem Regiment, das am 11. November 1918 aufgelöst wurde, in die Potsdamer Garnison zurück.

Nach der Niederlage blieb Henning von Tresckow zunächst Offizier und wurde 1919 in die „Reichswehr“ übernommen, aber schon 1920 verabschiedete er sich vom Militär und nahm im Wintersemester 1920/21 an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin ein Jura-Studium auf, das er ein Jahr später in Kiel fortsetzte. Im Januar 1923 trat er, ohne sein Studium abgeschlossen zu haben, in das Potsdamer Bankhaus Wilhelm Kann ein und wurde Bankkaufmann. Im zweiten Halbjahr 1924 unternahm er mit einem Offiziersfreund eine Weltreise, die ihn bis nach Chile führte. Am 1. Februar 1926 trat er, mit Unterstützung des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847-1934) wieder in die „Reichswehr“ ein, am 1. Februar 1928 wurde er zum Oberleutnant befördert.

Wie viele andere Widerstandskämpfer und Verschwörer gegen Adolf Hitler (1889-1945), zum Beispiel Claus Graf Schenk von Stauffenberg (1907-1944), stand er dem Nationalsozialismus zunächst aufgeschlossen gegenüber und begrüßte die „Machtergreifung“ am 30. Januar 1933. Am 1. Mai 1934 wurde er zum Hauptmann in der „Reichswehr“ befördert. Wenige Wochen später, beim „Röhm-Putsch“ am 30. Juni 1934, mögen ihm erste Zweifel an der NS-Politik gekommen sein. Zusammen mit SA-Führer Ernst Röhm (1887-1934) wurden weitere Mitglieder der SA-Führung umgebracht sowie sonstige Oppositionelle, die der NS-Führung im Wege standen wie die Generäle Kurt von Schleicher (1882-1934) und Ferdinand von Bredow (1884-1934).

In den Jahren 1934/36 besuchte Henning von Tresckow die Kriegsakademie in Berlin-Moabit, wo er als der mit Abstand beste Absolvent seines Jahrgangs galt. Trotz seiner Bedenken wegen der NS-Kirchenpolitik wurde er 1934 auf den „Führer“ vereidigt. Am 28. September 1936 trat er dem Generalstab im Reichskriegsministerium bei, wo er die Angriffspläne gegen die Tschechoslowakei 1938 ausarbeitete. Dabei bekam er einen ernüchternden Einblick in Adolf Hitlers außenpolitische Ziele, die er als äußerst gefährlich erachtete. In Distanz zum NS-Regime geriet er 1938 auch durch die Affäre um den Reichskriegsminister Werner von Blomberg (1878-1946), der am 27. Januar 1938 aus dem Amt gedrängt wurde.

In der Folge hatte Henning von Tresckow erstmals Kontakte zu oppositionellen Kreisen in der „Wehrmacht“ im Umfeld des späteren Generalfeldmarschalls Erwin von Witzleben (1881-1944). Nach dem Progrom vom 9./10. November 1938 („Reichskristallnacht“) wurde er zum „entschlossenen Regimegegner“ (Peter Steinbach). Im Januar 1939 wurde er nach Elbing in Westpreußen versetzt, am 1. März wurde er zum Major befördert und nahm am 1. September am Überfall auf Polen teil. Dafür erhielt er die Spange zum Eisernen Kreuz II. Klasse und im Oktober das Eiserne Kreuz I. Klasse. Am 23. Oktober kam er an der Westfront zum Einsatz und wurde Oberstleutnant. Hier erhielt er unmittelbaren Einblick in die Auseinandersetzungen der Heeresleitung mit Adolf Hitler, der den Frankreichfeldzug noch im Winter 1939/40 beginnen und siegreich beenden wollte. Mit Henning von Tresckows erneuter Versetzung an die Ostfront, veränderten sich seine Einsichten, was die Kriegführung betraf, grundlegend und damit auch seine Stimmung. Er sprach Adolf Hitler jede Befähigung zum Feldherrn im Zweiten Weltkrieg ab und redete hinter vorgehaltener Hand von „militärischem Wahnsinn“ und „Amateurstrategie“.

Seit Herbst 1941 wurde er, unter dem Eindruck des Russlandfeldzugs, zur treibenden Kraft des militärischen Widerstands. Im September schickte Oberleutnant Fabian von Schlabrendorf (1907-1980), seinen Vetter, der später das Buch Offiziere gegen Hitler (1946) schreiben sollte, nach Berlin, um Kontakte zu zivilen Widerstandskreisen zu knüpfen, beispielsweise zu dem aus Schneidemühl/ Provinz Posen stammenden Carl Friedrich Goerdeler (1884-1945), dem früheren Oberbürgermeister von Leipzig. Anfang 1942 befasste er sich, unter dem Eindruck der verlorenen Schlacht vor Moskau, ernsthaft mit der Attentatsoption.

Als Erster Generalstabsoffizier der Heeresgruppe Mitte entwickelte er mehrere Attentatspläne gegen Adolf Hitler, die jedoch scheiterten oder aber nicht ausgeführt wurden. So gelang es zwar, im März 1943 eine Zeitbombe im Flugzeug des „Führers“, das ihn nach Ostpreußen bringen sollte, zu deponieren, die aber wegen der großen Kälte nicht explodierte. Am 25. Januar 1943 traf Henning von Tresckow, der drei Wochen zuvor mit dem Deutschen Kreuz in Gold ausgezeichnet worden war, in Berlin Carl Friedrich von Goerdeler und General Friedrich Olbricht (1888-1944) um die Umsturzpläne des militärischen und des zivilen Widerstands zu koordinieren. Gemeinsam mit Claus Schenk von Stauffenberg arbeitete er jetzt auch die Umsturzpläne für den 20. Juli 1944 aus. Am 1. Juni 1944 wurde er zum Generalmajor ernannt. Am Nachmittag des 20. Juli 1944 erfuhr er vom Scheitern des Attentats im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ in Rastenburg/ Ostpreußen. Am Morgen des 21. Juli erschoss er sich an der Ostfront.

Henning von Tresckow war neben Claus Schenk von Stauffenberg der fähigste Kopf des militärischen Widerstands 1943/44.

Lit.: Bodo Scheurig, Henning von Tresckow. Ein Preuße gegen Hitler. Biographie, Oldenburg 1973, Neuausgabe Berlin 2004

Bild: Das Gewissen steht auf. Lebensbilder aus dem deutschen Widerstand 1933-1945, gesammelt und hrsg. von Annedore Leber in Zusammenarbeit mit Willy Brandt und Karl Dietrich Bracher, Mainz 1984, S. 135.

Jörg Bernhard Bilke