Biographie

Trischler, Josef

Herkunft: Donaugebiet
Beruf: Politiker
* 20. März 1903 in Obrowatz/Batschka
† 18. Oktober 1975 in München

Josef Trischler (Dr. u. Dipl.-Ing. der Chemie, Dipl.-Ing. der Landwirtschaft) war als Erzieher, Genossenschaftler und Politiker eine der markantesten Persönlichkeiten des Deutschtums in Jugoslawien, von 1941 bis 1945 in Ungarn. Seine Eltern hatten einen landwirtschaftlichen Zwergbesitz. Er besuchte sechs Jahre lang das Jesuitengymnasium in Kalocsa (im heutigen Ungarn), zwei weitere Jahre das Private Deutsche Gymnasium zu Hatzfeld im Banat (damals Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen), heute Rumänien. Während seiner Studienzeit in München war er zeitweise Vorsitzender der „Landsmannschaft Südostschwäbischer Hochschüler“ sowie des Bundes „Südostschwäbischer Hochschüler“, der seine Tätigkeit in Deutschland, Deutsch-Österreich, Jugoslawien, Ungarn und Rumänien entfaltete. In den Jahren 1930/1931 leistete er seinen Militärdienst beim südslawischen Heer ab und wurde, weil er die kyrillische Schrift nicht lesen konnte, als „Analphabet“ geführt.

Besondere Verdienste erwarb sich Trischler auf dem Gebiet des Genossenschaftswesens der deutschen Minderheit (später: Volksgruppe) in Jugoslawien. Die Liquidität der Landwirtschaftlichen Zentral-Darlehenskasse war unzureichend, die meisten Aktivposten bestanden aus nur langsam realisierbaren Darlehen und Anlagen. Die ausländischen Kreditgeber drohten mit Aufkündigung ihres in den Genossenschaftszentralen investierten Kapitals. Die erste Aufgabe Trischlers bestand in der Reorganisierung des deutschen Genossenschaftswesens in Jugoslawien. Die Genossenschaftsform war gewählt worden, um polizeiliche Einmischung des südslawischen Staates in die Wirtschaftsführung abzuwehren. Sie hatte sich als solche gut bewährt, der Verkehr mit Nur-Mitgliedern erwies sich aber für eine dynamische Wirtschaftsentwicklung als zu eng. Um die schwierige Frage der Kreditierung zu lösen, erhielten auf Trischlers Initiative die Genossenschaften „Jugo-Agrar“, die „Avis“ und der „Selektor“ neue Rechtsformen. Der Grundgedanke Trischlers war: Verknüpfung des genossenschaftlichen Systems mit privater Initiative und privatem Kapital. Trischlers Konzeption ging über den engen ökonomischen Rahmen hinaus. Sie bedeutete die Sprengung des bisher bäuerlichen Rahmens der wirtschaftlichen Gemeinschaftsarbeit. Den bisherigen soziologischen Schichten, den Bauern, Kaufleuten, Handwerkern und Industriellen, standen die deutschen Arbeiter gegenüber, die vierzig von Hundert der deutschen Bevölkerung ausmachten. Sie standen bisher außerhalb der deutschen Wirtschaftsorganisation, obwohl sie mit ihren Spareinlagen zur Liquiderhaltung wesentlich beitrugen. Trischler ging es um die Integration der Landarbeiter-Kredit- und der Wohlfahrtsgenossenschaften.

Sein größtes Verdienst erwarb sich Trischler mit der Errichtung der Privaten Deutschen Landwirtschaftlichen Schule im Schloß Chottek zu Futok in der Batschka. Daraus machte er ein großes Schulungszentrum, dem er auch als Direktor vorstand (vorher unterrichtete er an der Privaten Deutschen Lehrerbildungsanstalt zu Neu-Werbaß, Batschka). Die Entwicklung auf dem Genossenschaftswesen war überschattet vom „innervölkischen“ Kampf zwischen den „alten Demokraten“ unter dem Abgeordneten Dr. Stephan Kraft und der nationalsozialistisch orientierten „Erneuerungsbewegung“ unter Dr. Jakob Awender.

Sein Abgeordnetenmandat in Belgrad verdankte Trischler indirekt einer Intervention des deutschen Gesandten Viktor von Heeren. 1938 kandidierten auf der Regierungsliste an erster Stelle nur zwei Deutsche: der Journalist Franz Hamm und der Rechtsanwalt Ludwig Keks. Hamm wurde gewählt (mit den Stimmen der Deutschen und der Ruthenen (Ukrainer). Keks fiel gegen den Belgrader Bankier Gavrilović, der früher Fischer geheißen und sich serbisch-orthodox hatte taufen lassen, glatt durch. Von Heeren warf dem jugoslawischen Ministerpräsidenten Stojadinović Wahlschwindel vor und verlangte eine Wiederholung der Wahl. Der Serbe lehnte ab, vor allem wegen einer zu erwartenden Kettenwirkung bei den Kroaten, veranlaßte aber den Unterrichtsminister Dr. Magarašević, auf sein Mandat als Abgeordneter zu verzichten. So kam sein Stellvertreter Dr. Trischler zum Zug. Nun waren alle zufrieden: Das Deutsche Reich, weil der Protest letzten Endes doch Erfolg gehabt hatte, die Jugoslawien-Deutschen, weil sie einen zweiten Abgeordneten bekamen, und der Ministerpräsident, weil er den Protest des mächtigen Deutschen Reiches zurückgewiesen hatte.

Von 1941 bis 1945 gehörte die Batschka zu Ungarn. Reichsverweser Nikolaus von Horthy ernannte unter anderen Trischler und Hamm zu Abgeordneten im Ungarischen Reichstag. 1943 wurde ein Handgranatenattentat auf die Abgeordneten Hamm, Trischler und Spreitzer im letzten Moment verhindert. Der Täter, ein sich betrogen fühlender SS-Mann auf Heimaturlaub machte die Abgeordneten für die Einberufung der Volksdeutschen zur Waffen-SS verantwortlich.

Der politische Hintergrund: Generalfeldmarschall Keitel, der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht , hatte am 20. Januar 1942 in Budapest von der ungarischen Regierung einen größeren militärischen Beitrag an der Ostfront gefordert. Ungarn wollte aber nach Möglichkeit „madjarisches Blut“ schonen und gestattete eine großangelegte Werbung unter den Ungarndeutschen für die Waffen-SS. (Die deutschen Siedlungsgebiete Batschka und Nord-Siebenbürgen gehörten damals zu Ungarn.) Die Außenminister von Ribbentrop und Bárdossy vereinbarten, daß Ungarndeutsche statt bei der ungarischen Wehrmacht („Honvéd“) bei der Waffen-SS dienen konnten. Die Werbung mußte aber von den Amtswaltern der deutschen Volksgruppe in Ungarn durchgeführt werden. Trotz beachtlichen Propagandaaufwands meldeten sich aber nur 9.322 Mann. Ihnen wurde verschwiegen, daß sie durch den Eintritt in die SS die ungarische Staatsangehörigkeit verlieren würden. Nach einer zweiten Werbeaktion wurde schließlich am 16. April 1944 ein Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und Ungarn geschlossen, wonach für alle Volksdeutschen der Jahrgänge 1882 bis 1927 (vom 17. bis zum 62. Lebensjahr) eine Einberufungspflicht zur Waffen-SS bestand. Von „Freiwilligkeit“ war nicht einmal mehr formal die Rede.

Trischler stand also zwischen zwei Fronten: dem Deutschen Reich und seinen Landsleuten bei der Waffen-SS, die ihre Staatsbürgerschaft verloren hatten. Da die Batschka 1945 von Ungarn an die Föderative Sozialistische Volksrepublik Jugoslawien abgetreten werden mußte, wurde die gesamte deutsche Volksgruppe vom Tito- Regime wegen Landesverrates enteignet und interniert. Vom Kleinkind bis zu den Greisen, unterschiedslos, ob sie nun für oder gegen Hitler gewesen waren.

Die Kandidatur Dr. Trischlers zum ersten Deutschen Bundestag war durch Art. 116 des Grundgesetzes möglich geworden, der allen Deutschen, die auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland ansässig waren, also auch den Volksdeutschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft (das Staatsbürgerschaftsbereinigungsgesetz kam erst später) die Gleichberechtigung mit den Einheimischen und Eingebürgerten sicherte. Alle südostdeutschen Gruppen – landsmannschaftliche Zusammenschlüsse waren noch durch die Gesetze der Besatzungsmächte verboten – waren sich darin einig, daß es bei dieser Wahl galt, Wahldisziplin zu demonstrieren und damit ihr zahlenmäßig geringes Gewicht wettzumachen. Trischler kandidierte auf der Liste der einzigen Partei, die bereit war, einem Südostdeutschen einen aussichtsreichen Platz einzuräumen, der FDP, der er damals noch nicht als Mitglied angehörte. In seinen Wahlreden paßte er sich der Situation und der Stimmung an, ohne seinen Standpunkt zu verleugnen. Hier sprach er seine Landsleute in Mundart an, dort hielt er Reden auf hohem sozialpolitischen Niveau, die den Vergleich mit den Ausführungen von Thomas Dehler und Theodor Heuss nicht zu scheuen brauchten. (Heuss hatte sich übrigens in jüngeren Jahren mit der donauschwäbischen Literatur publizistisch beschäftigt.)

Die Wahl am 14. August 1949 erbrachte ihm als einzigem Südostdeutschen ein Bundestagsmandat. Er wurde Repräsentant jener, die zu keiner Zeit Bürger des Reiches gewesen waren. Als man bei der Beratung der Flüchtlings- und Vertriebenengesetze erwog, nur deutsche Bürger und ehemalige Bürger Österreichs in deren Genuß kommen zu lassen, war es Trischlers Einsatz zu verdanken, daß auch die Deutschen aus Südosteuropa in alle einschlägigen Gesetze mit einbezogen wurden. (Man sprach im Bundestag salopp von „Trischler-Leuten“ und meinte die Südostdeutschen.)

Trischlers Anliegen war die Seßhaftmachung der Südostdeutschen. Da vorauszusehen war, daß sich die Abwicklung des indiesem 1. Deutschen Bundestag beschlossenen Lastenausgleichsgesetzesüber Jahre hinziehen werde, trat er für die Gewährung billiger Kredite ein und für die Anerkennung der in Nachbarschaftshilfe geleisteten Arbeit an Eigenheimen als Ersatz für finanzielle Eigenleistung. Nach 1953 wählten alle südostdeutschen Landsmannschaften Trischler zum Vorsitzenden des „Südostdeutschen Rates“, eines Amtes, das er jahrelang innehatte. Er dürfte der einzige Abgeordnete gewesen sein, der dem Parlament dreier Staaten (Jugoslawiens, Ungarns und der Bundesrepublik Deutschland) angehört hatte.

Lit.: Brücker, Wilhelm: Dr. Josef Trischler 70 Jahre alt. In: Banater Post. München.Jg. 28 (1973) Nr.4, S. 4 f. – Schumacher, Ludwig: Dr. J. Trischler zum 65. Geburtstag. In: Jb. der Donauschwaben aus Jugoslawien. Sindelfingen 1969. S. 72- 74. – Der Donauschwabe. Aalen. Jg.18 (1968) Nr. 12. S. 1. – Der Ungarndeutsche. München. Jg. 12 (1968) Nr. 7. S. 6. – Neuland. Salzburg. Jg. 21 (1968) F.12. S. 3.

 Anton Scherer