Biographie

Ullmann, Hermann

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Volkstumspolitiker , Publizist
* 12. September 1884 in Teplitz-Schönau/Böhmen
† 23. Februar 1958 in Stockholm

Nahe der geographischen, geistigen und seelischen Mitte Europas geboren und aufgewachsen zu sein, dort, wo sich norddeutsche, süddeutsche, ost- und westeuropäische Einflüsse kreuzten, bezeichnete Hermann Ullmann als die wichtigste Prägung seines Lebens. So wurde er zu dem, als der ihn Ernst Lehmann in einem Nachruf bezeichnen sollte: ein geistiger Anwalt des deutschen Volkes. Als solcher widmete er sich als Journalist zeitlebens volksdeutschen Themen. Vor und während des Ersten Weltkriegs warb er für ein deutschgeführtes Mitteleuropa. In der Zwischenkriegszeit propagierte er den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. In seinen historischen Werken vertrat er konservative Standpunkte. Daneben gab er Reiseliteratur heraus. Nach 1945 beteiligte er sich an der protestantischen Bewältigungsliteratur.

 

Der Sohn eines Kaufmanns besuchte 1890-1902 die Evangelische Volksschule und das Gymnasium in Teplitz-Schönau. Ab dem WS 1902/03 studierte er in Prag Germanistik. Zum SS 1903 wechselte er nach Heidelberg. Dort trat er im selben Semester dem Verein Deutscher Studenten (VDSt) bei. Später studierte er in Wien und Berlin. Während seines Studiums stieß er auch zum Dürerbund und zur Freideutschen Bewegung. 1906 promovierte er in Wien. Anschließend arbeitete er als Gymnasiallehrer in Salzburg, Linz und Mährisch-Trübau. Ab 1909 folgte er dem Ruf Ferdinand Avenarius’ und wurde zunächst Mitarbeiter und ab 1910 Redakteur der Zeitschrift „Kunstwart“ in Dresden. Die Zeit bis zum Ende des Ersten Weltkriegs bezeichnete er für sich selbst als „die Hohe Schule für die Kenntnisse der mitteleuropäischen politischen Probleme“. 1910 wurde er Mitglied des Landesverbandes Sachsen des Vereins für das Deutschtum im Ausland (VDA). Ab 1912 war er Redakteur der Zeitschrift Deutsche Arbeit. Für diese kam es zu mehreren Ortswechseln zwischen Dresden und Prag. Die Zeitschrift war das führende Organ für die reichsdeutsche Zusammenarbeit mit den „Volksdeutschen“. 1912 wurde er Mitglied im Deutschen Volksrat in Böhmen. Nach Kriegsausbruch 1914 wurde er Freiwilliger beim Österreichischen Roten Kreuz. Eingesetzt wurde er an der Ost- und an der Westfront. Nach seiner Einbürgerung in Deutschland diente er als Kriegsfreiwilliger in einem sächsischen Artillerie-Regiment. 1917 wurde er zum Kriegspresseamt nach Berlin kommandiert. 1918 wurde er Abteilungsleiter des VDA. 1918-1937 war er Herausgeber der Deutschen Arbeit in Berlin. Deren Chefredakteur war er 1920-1923. 1919 gehörte er zu den Mitgründern des Deut­schen Schutzbundes, in dessen Vorstand er gewählt wurde. Im gleichen Jahr wurde er stimmberechtigtes Mitglied im Juni­klub. 1920 nahm er an der konstituierenden Versammlung des Österreichisch-Deutschen Volksbundes teil. Außerdem arbei­tete er in der 1925 gegründeten Deutsch-Österrei­chi­schen Arbeitsgemeinschaft mit. 1921-1924 war er Chefredakteur der christlichen Gewerkschafts-Tageszeitung Der Deut­sche in Berlin. Im Politischen Kolleg in Berlin war er in der Arbeitsstelle für Nationalitäten- und Stammesprobleme tätig. 1924 wurde er als Mitglied des VDA-Hauptvorstandes Leiter der deutschösterreichischen und sudetendeutschen Mittelstelle, die den Anschluss an das Deutsche Reich propagierte. Im gleichen Jahr gehörte er zu den Gründern der Politischen Wochenschrift, die unter seiner Herausgeberschaft 1925-1931 erschien. Dort führte er seine „echten deutschen konservativen“ politischen Leitgedanken weiter, die er inDer Deutsche nicht mehr vertreten hatte können. 1926 trat er in die Verlagsleitung des Scherl-Verlages in Berlin ein. Aus diesem trat er 1929 wegen seiner Ablehnung der Politik Hugenbergs aus. 1930 gehörte er zu den Gründern der Volkskonservativen Vereinigung. 1931 wurde er Mitglied im Kleinen Volksdeutschen Arbeitskreis des Deutschen Schutzbundes. 1933 wurde er als Hauptreferent für den Südosten und Mitglied im „Führerrat“ wieder Mitarbeiter des inzwischen in Volksbund für das Deutschtum im Ausland umbenannten VDA. Ullmanns Volkstheorie gehörte zum ideologischen Überbau für die VDA-Arbeit und anderer Auslandsorganisationen. 1937 schied er nach der VDA-Gleichschaltung aus der Bundesleitung aus. Ab Frühjahr 1937 war er auswärtiger Lektor des Verlags Eugen Diederichs in Wien. Dort sollte er Kontakte zu lokalen Autoren knüpfen und Vorschläge zum Ausbau des Verlagsgeschäfts erarbeiten. Daneben gab er Schriftenreihen heraus. 1940 ging er als Berichterstatter für die Berliner Börsenzeitung nach Sofia und Belgrad, 1941 nach Agram, 1942 nach Bern und 1943 nach Genf. 1947 wurde er dort Mitarbeiter beim Exekutivsekretär des Lutherischen Weltbundes, Dr. Sylvester Clarence Michelfelder, und 1951 Mitbegründer sowie erster Schriftleiter der Lutherischen Rundschau. 1953 musste er wegen seiner Erblindung aus dem Dienst ausscheiden und in den Ruhestand treten. 1958 starb er während einer Vortragsreise in Stockholm an den Folgen eines Herzschlags.

Werke: Krieg und Kolonisation. Ideale der deutschen Jugend, München 1915. – Die Bestimmung der Deutschen in Mitteleuropa. Zu den Grundlagen des deutsch-österreichischen Bündnisses, Jena 1915. – Welche Früchte soll uns der Krieg bringen? Mehr Menschen oder mehr Güter. Von den Kolonisationsaufgaben des Deutschtums, Prag 1915. – (Hrsg.): Was jeder Deutsche über Deutschböhmen wissen muß!, Teplitz-Schönau 1918. – Werdendes Großdeutschland. Beitrag zur Frage des Zusammenschlusses Deutschösterreichs mit dem Reich, Marburg 1926. – Das werdende Volk. Gegen Liberalismus und Reaktion, Hamburg u. a. 1929. – Die Rechte stirbt – Es lebe die Rechte!, Berlin 1929. – Brasilianischer Sommer, München 1930. – Kolonisation oder Zerstörung? Tagebuch einer russischen Reise, München 1932. – Flucht aus Berlin?, Jena 1932. – In der großen Kurve. Führer und Geführte, Berlin 1933. – Durchbruch zur Nation. Geschichte des deutschen Volkes 1919-1933, Jena 1933. – Der Reichsfreiherr vom Stein, Lübeck 1934. – Die Volksgruppen und das deutsche Geschichtsbewusstsein, Berlin 1935. – Das Südostdeutschtum, Berlin u. a. 1935. – Deutschland 1890-1918, Leipzig u. a. 1936. – Das neunzehnte Jahrhundert. Volk gegen Masse im Kampf um die Gestalt Europas, Jena 1936. – Land der Zukunft. Reise in Brasilien, Jena 1937. – Die Völker im Südosten, Jena 1938. – Gericht über Napoleon. Schicksalsstunden um Stein, Napoleon, Metternich, Jena 1938. – Die Sünde wider Europa, Kassel u. a. 1948. – De profundis. Briefe eines Gefangenen an einem Gefangenen, 2. Aufl. München 1949. – Der Weg des neunzehnten Jahrhunderts. Am Abgrund der Ersatzreligionen, München 1949. – Dr. Hermann Ullmann, in: Akademische Blätter (Ak. Bl.), 55. Jg. 1953, S. 225-226. – Pioniere Europas. Die volksdeutsche Bewegung und ihre Lehren, München 1956. – Pioniere Europas. Sünde wider Europa, o. O. 1964.

Lit.: Karl Maßmann, Hermann Ullmann zum Gedächtnis, in: Ak. Bl., 60. Jg. 1958, S. 45-47. – Abschied von Hermann Ullmann, in: ebenda, S. 47-48. – Zum Tode von Hermann Ullmann, in: ebd., 60. Jg. 1958, S. 48. – Ernst Lehmann, Dr. Hermann Ullmann – der geistige Anwalt des Volkes, in: Studeten­deut­scher Kulturalmanach, 3. Jg. 1959, S. 22-26. – Dr. Hermann Ullmann, in: Europa Ethnica, 18. Jg. 1961, S. 78-79. – Hans Schmid-Egger (Hrsg.) unter Mitwirkung von Frau Renate Ullmann, Hermann Ullmann. Publizist in der Zeitenwende, München 1965. – Fritsch, Reinhard: „Hermann Ullmann, Publizist in der Zeitenwende“. Was ist „konservativ“ wirklich?, in: Ak. Bl., 68. Jg. 1966, S. 102-103. – Ger­hard Weidenfeller, VDA Verein für das Deutschtum im Ausland. Allgemeiner Deutscher Schulverein (1881-1918). Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Nationalismus und Imperialismus im Kaiserreich, Frankfurt a. M. 1976. – Joachim Petzold, Wegbereiter des deutschen Faschismus. Die Jungkonservativen in der Weimarer Republik, Köln 1983. – Karl Jordan, Zum 100. Geburtstag von Hermann Ullmann, in: Ak. Bl., 86. Jg. 1984, S. 135-136. – Berthold Petzinna, Erziehung zum deutschen Lebensstil. Ursprung und Entwicklung des jungkonservativen „Ring“-Kreises 1918-1933, Berlin 2000. – Tammo Luther, Volkstumspolitik des Deutschen Reiches 1933-1938. Die Auslanddeutschen im Spannungsfeld zwischen Traditionalisten und Nationalsozialisten, Stuttgart 2004. –Armin Mohler und Karlheinz Weißmann, Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932. Ein Handbuch, 6. Aufl., Graz 2005, S. 471-471.

Bild: Hans Schmid-Egger (Hrsg.) unter Mitwirkung von Frau Renate Ullmann, Hermann Ullmann. Publizist in der Zeitenwende, München 1965.