Biographie

Unger, Johann Carl

Herkunft: Ungarn
Beruf: Schriftsteller und Jurist
* 13. April 1771 in Rißorf/ Oberungarn

Die Wiege von Johann Carl Unger stand im oberungarischen Rißdorf (auch Riesdorf, ungarisch Ruszkin) in der Zips. Der nicht mehr existierende Ort Ruskinovce in der heutigen Slowakei musste in den 1950er Jahren dem Truppenübungsplatz Javorina weichen. Ungers Altvordere waren zwar Protestanten gewesen, sein Vater Michael jedoch und seine Mutter Marie Chruschowsky hingen der katholischen Lehre an, und so wurde Unger auf die Namen Johann Nepomuk getauft. Warum er spätestens 1799 seinen zweiten Namen selbst in Carl änderte, ist unklar – ob ihm Nepomuk einfach nicht gefiel, wie vermutet wird, mag dahingestellt bleiben.

Da sein Vater von Beruf Lehrer war, kam er neben der Volksschule in den Genuss des Elementarunterrichts in seinem Elternhaus, bevor er in Kesmark in das Gymnasium der Pauliner eintrat. Von dort wechselte Unger nach Pudlein, um im Piaristen­kollegium seine Studien fortzusetzen. Sein Bildungsweg war offenbar vorgegeben, denn er wurde zur weiteren Ausbildung nach Kaschau geschickt, wo er die philosophischen Jahrgänge absolvieren sollte. Als jedoch sein Vater gänzlich verarmte und sein Elternhaus zudem von einer schweren Krankheit heimgesucht wurde, war Unger – gerade einmal siebzehn Jahre alt – ge­zwungen, auf eigenen Füßen stehen. Die Piaristen nahmen ihn 1788 in ihren Orden der frommen Schulen auf, und da sein pädagogisches Geschick bereits in diesen jungen Jahren erkennbar war, wurde ihm auch gleich ein Lehrauftrag im Fach Grammatik am Gymnasium in Pudlein übertragen. Die nächste Station seines dreijährigen Klosterlebens war die Vorbereitungsschule in Neu­tra, wo sich Unger besonders den lateinischen Klassikern zuwandte. Sein Entschluss, Theologie zu studieren, brachte ihm zunächst das besondere Wohlwollen und die Unterstützung des Bischof von Neutra und nachmaligen Erzbischofs von Erlau, Franz von Fuchs, ein. Schließlich soll sich auch Kardinal Christoph Anton von Migazzi, Erzbischof der römisch-katholischen Erzdiözese Wien, seiner angenommen haben.

In Wien sollte sich Unger von seinem bisherigen Wunsch nach einem Leben im Dienste der katholischen Kirche verabschieden. Er trat schließlich aus dem Seminar aus und begann ein – nicht belegtes – Studium der Jurisprudenz, von dem aus er 1796 nach drei Jahren an das Theresianum berufen wurde. An dieser Ausbildungsstätte des adligen Nachwuchses blieb er weitere drei Jahre als Präfekt und Lehrer der Rechts- oder Reichsgeschichte, bis ihn sein Freund Ignaz von Forgács für die Erziehung seines Sohnes gewinnen konnte. Unger verbrachte die nächsten Jahre winters in Wien und sommers auf dem mährischen Gut Tulleschitz des Freiherrn.

In der Zwischenzeit hatte Unger mit Anna Karwinsky v. Karwin, die vermutlich polnischer Herkunft und mit den Forgács wohl verwandt war, um 1800 den Bund der Ehe geschlossen. Die Reisen mit seinem Freund und Dienstherrn flossen u.a. in seine 1803 bei Anton Pichler erschienene Reise durch österreichische und steierische Gebirgsgegenden. Im selben Jahr reiste Unger im Frühjahr und Sommer in seine heimatliche Zips und besuchte seinen Heimatort, ferner die Liptau und das Waagtal, während seine schwangere Frau in Wien zurückgeblieben war. Diese wohnte auf dem Alsergrund im damaligen Gemeindehaus, Herrengasse Nr. 36 (heute Laudongasse 5). Hier kam am 28. Oktober 1803 ihre einzige Tochter Carolina Maria zur Welt, benannt nach ihrer ebenfalls auf dem Alsergrund wohnenden Taufpatin, der Schriftstellerin Caroline Pichler, einer Schwägerin von Ungers Verleger Anton Pichler, in deren Erinnerung Unger ein zierlicher, gebildeter Dichter war.

Tatsächlich war bereits 1797 ein mehr als hundertseitiges Bändchen mit Gedichten Ungers erschienen, einige wenige davon sollten später von Franz Schubert vertont werden – das bekannteste ist vermutlich Die Nachtigall. Weitere Werke Ungers veröffentlichte das Österreichische Taschenbuch in mehreren Jahrgängen nach der Jahrhundertwende. Seine Reisebeschreibungen würdigte der Historiker Johan Christian von Engel in der „Zeitschrift von und für Ungern“.

Neben seinen eigenen Publikationen fungierte Unger zusammen mit Jakob Glatz, Samuel Bredecky und dem Forstmeister Guilleaumer als Herausgeber des „Wiener Jugendfreund“ und den 1804 erschienen „Monathlichen Unterhaltungen für die Jugend“. Zudem verfasste er diverse Beiträge für Bredetzkys „Beiträge zur Topographie Ungarns“. Als Wiener Korrespondent für die seit 1807 bei Cotta in Stuttgart erscheinende Kulturzeitung „Morgenblatt für gebildete Stände“ berichtete er u.a. von der Aufführung von Beethovens 5. und 6. Sinfonie am 22. Dezember 1808 im Theater an der Wien.

Neben dem lyrischen Werk verfasste Unger im Laufe der Jahre mehrere Geschichtsbücher zur Antike, darunter eine zweibändige Abhandlung über die Sitten und Gebräuche der Römer. Durch die Geschichte und in Kupfern dargestellt, die 1805/07 erschien. Seit seiner Zeit als Erzieher des jungen Forgács, die 1810 abgeschlossen sein sollte, verfasste er auch Schul- bzw. Jugendschriften, teilweise illustriert wie das Elementarbilderbuch für die Jugend zum Unterricht und zum Vergnügen, das 1811 mit 80 Illustrationen in Prag erscheinen sollte.

Unger trat nun seinen letzten Posten als Wirtschaftsrat des Reichsfreiherrn Hackelberg-Landau an. Auch unter diesem Dienstherrn blieb ihm genügend Zeit, sich publizistisch zu betätigen. Von seinen vielseitigen Interessen zeugen seine Abhandlungen im landwirtschaftlichen Bereich und historische Studien zu den Zipser Deutschen, nicht zu vergessen die 1823 bei Beck erschienene Biographie der Sopranistin Joséphine Mainville Fodor (auch in französischer Sprache).

Musik hatte im Hause Unger ebenfalls einen hohen Stellenwert. Johann Carl sang selbst gerne und verfolgte die Musikszene. Seinem persönlichen Kontakt zu dem nur wenige Jahre jüngeren Grafen János Károly Esterházy de Galántha (1775-1834) verdankt Franz Schubert wohl seinen Posten als Musiklehrer der Esterházy-Töchter Marie-Therese und Caroline.

Durch Ungers Verbindung zu vielen kulturellen und musikalischen Größen Wiens konnte die Tochter Caroline, zunächst im k. k. Mädchenpensionat erzogen, in Wien bei Joseph Mozatti Gesang studieren. Als sie im Februar 1821 im Kärntnertor-Theater als Dorabella in Mozarts Cosí fan tutte debütierte, studierte Franz Schubert diese Rolle mit ihr ein, und bei der Uraufführung von Beethovens 9. Sinfonie am 7. Mai 1824 in ebendiesem Theater erlangte sie als Altsolistin musikgeschichtliche Bedeutung. Ihr Vater nahm noch an ihrer großen Karriere als Sopranistin und Mezzosopranistin in Italien Anteil. Nach ihrer Affäre mit Alexandre Dumas d.Ä. ließ sie sich 1837 endgültig in Florenz nieder, wo vielleicht auch Johann Carl seine letzten Tage verlebte. 1836 soll er noch im Dienst des Freiherrn Hackelberg-Landau gestanden haben, kurz darauf ist er wohl verstorben.

Lit.: Johann Jakob Heinrich Czikann, Die lebenden Schriftsteller Mährens. Ein literarischer Versuch, Brünn 1812, S. 183-187. – Constantin von Wurzbach, Art. Unger, Johann Carl, in: Biographisches Lexikon des Kaisertums Österreich – Neunundvierzigster Theil, Wien 1884, S. 61-63. – Art. Wanderungen durch ungarische Gegenden, von J. Karl Unger. Mit einer biographischen Einleitung versehen von Rudolf Weber, in: Zipser Bote vom 26.5.1900, 38. Jg. Nr. 21, S. 2f. – Samuel Weber, Art. „Johan Karl Unger. 1771-1836“, in: Ehrenhalle verdienstvoller Zipser des XIX. Jahrhunderts. 1800-1900, Igló 1901, S. 194-197. – Rainer Rudolf/ Eduard Ulreich/ Fritz Zimmermann, Zipser Land und Leute. Deutsche Siedlungsgeschichte unter der hohen Tatra, Wien 1982, S. 197. – Rainer Rudolf/ Eduard Ulreich, Art. „Unger, Joh. Carl“, in: Karpatendeutsches Biographisches Lexikon, Stuttgart 1988, S. 338. – Art. „Unger, Ján Karol“, in: Slovenský Biografický Slovník [Slowakisches Biografisches Wörterbuch], Bd. 6, Martin 1994, S. 176. – I. Nawrocka, Art. „Unger, Johann Karl“, in: Österreichisches Biogra­phisches Lexikon (ÖBL). 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 102f. (mit weiterführender, meist älterer Literatur). – Heinz Schleusener, Berühmte Zipser – Lehrer und Schriftsteller – Johann Unger (1771-1836). in: Karpatenblatt. Magazin der Deutschen in der Slowakei, Heft 4/2017, S. 11. – Klaus Martin Kopitz, Art. „Caroline Unger“, in: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hrsg. von Beatrix Borchard und Nina Noeske, Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003ff., Stand vom 25. April 2018 (MUGI – Musik und Gender im Internet (hfmt-hamburg.de). – Franz Schubert/ Johann Karl Unger, Die Nachtigall. D 724 op. 11,2, in: Neue Ausgabe sämtlicher Werke, Serie 3 Bd. 3, Teil a. Mehrstimmige Gesänge für gleiche Stimmen mit Begleitung, vorgelegt von Christine Martin und Walther Dürr (†), Kassel 2019, S. 175-187.

Bild: Karpatenblatt.

Heike Drechsler-Meel