Der Jubilar, emeritierter Ordinarius für Öffentliches Recht, Rechtsgeschichte und Kirchenrecht an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, entstammt einer Familie, die seit dem 13. Jahrhundert in Schlesien ansässig war, dann im 16. Jahrhundert dem dort herrschenden Druck der Gegenreformation wich und sich in der toleranteren „gekrönten Republik“ Polen in der Herrschaft Birnbaum/Miedzychod an der Warthe niederließ, die erworben wurde. Erst im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts konvertierte ein Vetter des Urgroßvaters des Gelehrten und begründete den polnischen Zweig der Familie, deren Verbände Georg-Christoph v. Unruh vorsitzt. Es ist nicht zuletzt die eigene Familiengeschichte, die es dem Jubilar zu einem besonderen Anliegen werden ließ, bei den Deutschen Verständnis für Polen, seine Menschen und seine Kultur zu wecken und Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen. Geboren wurde Georg-Christoph v. Unruh in Posen. Er wuchs auf dem Familienbesitz Klein-Münche im Kreis Birnbaum auf – der Vater war Offizier und wurde in der Schlacht bei Tannenberg sehr schwer verwundet – und besuchte dann später die Gymnasien in Oldenburg und Goslar, wo der Vater nach seiner Pensionierung wohnte. Dort bestand er 1933 das Abitur und nahm dann das Studium der Rechtswissenschaft und der Geschichte in Bonn auf. Er wurde im Corps Palatia aktiv, dessen Erster Chargierter er im Wintersemester 1935/36 werden sollte. Im Oktober 1935 lehnte seine Korporation mutig und mannhaft auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung die Einführung des sogenannten Arierparagraphen ab – das Corps wurde aufgelöst. Sein damaliger tapferer Erstchargierter aber ist bis heute Corpsstudent geblieben, der als akademischer Lehrer auch in den wildesten Jahren nach 1968 sich zu den Korporationen bekannte und als Dank dafür das Band des Kieler Corps Saxonia erhielt. Das Studium fand mit dem Staatsexamen in der ostpreußischen Haupt- und Universitätsstadt Königsberg sein Ende. Dann wurde v. Unruh wissenschaftliche Hilfskraft und schließlich von dem bedeutenden Rechtsgelehrten Ernst Forsthoff promoviert, dem er zeitlebens dankbar verbunden blieb. Forsthoff empfahl seinen Schüler an Kollegen in Posen, der dort, bei allen „Nachfragen“, Verfolgungen und Unannehmlichkeiten die schlimme Zeit des rechten Totalitarismus überleben konnte. Seine Posener Lehrer, Beschützer und Kollegen konnten ihm auch später zur Seite stehen. Erich Becker und Hans-Ulrich Scupin sorgten – Scupin von Münster aus – dafür, daß der Hochbegabte habilitiert werden konnte. Es waren Hans-Julius Wolff und Harry Westermann, die den Externen auf dem schwierigen Weg geleiteten, der 1964 mit der Habilitation beschlossen wurde. Habilitationsschrift ist v. Unruhs Buch über die Geschichte und die Bedeutung des Kreises, das sinnvoll an seine Darstellung über das Dorf anschloß, die in demselben Jahr eine 2. Auflage erhielt. Der Gelehrte wurde dann 1967 Ordinarius in Kiel; beruflich war er vorher in der Kommunalverwaltung tätig gewesen. Als solcher hatte er sofort nach seiner Entlassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft in Thüringen in Leer in Ostfriesland 1945 eine Anstellung gefunden. – Auch als Hochschullehrer, der sich bei seinen Hörern und Schülern einer außerordentlichen Beliebtheit erfreute, blieb v. Unruh der Praxis treu und wirkte von 1968 bis 1978 als Richter am Oberverwaltungsgericht Lüneburg. Von 1975 bis 1981 war der Verwaltungsfachmann Geschäftsführender Direktor des Juristischen Seminars seiner Universität, und im Jahr seiner Emeritierung (1981) wurde er erstes Korrespondierendes Mitglied des von ihm maßgeblich beeinflußten Lorenz-von-Stein-Instituts für Verwaltungswissenschaften an der Kieler Universität. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift „Die Verwaltung“ und der sechsbändigen vorzüglichen „Deutschen Verwaltungsgeschichte“. Zum Universitätsjubiläum der Karl-Franzens-Universität zu Graz, die 1985 400 Jahre alt wurde, verfaßte er in deren Auftrag zusammen mit Viktor Steininger die große Monographie „Der Staat“, seine vielleicht bedeutendste Schrift, v. Unruh ist Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens des österreichischen Bundeslandes Steiermark und Inhaber der Silbernen Pro-Meritis-Medaille der Grazer Universität sowie des Bundesverdienstkreuzes. – Die Ostfriesische Landschaftsversammlung, Nachfolgerin der Landstände des früheren Fürstentums Ostfriesland, verlieh ihm schon 1956 das Indigenat, weil er sich in seiner Zeit in Leer intensiv um die Heimatpflege und die Heimatgeschichte kümmerte. Georg-Christoph von Unruh ist ein Herr im wahren Sinne des Wortes, ein weltgewandter und hochgebildeter Edelmann, der tief in der Geschichte seines Volkes und seines Kulturkreises wurzelt und stets weiß, daß er in Verantwortung vor Gott steht. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß er Mitglied des (evangelischen) Johanniter-Ordens ist, Ehrenritter in der Schleswig-Holsteinischen Provinzialgenossenschaft seit 1957, Rechtsritter seit 1984. – Der Gelehrte zeichnet sich durch stets gleichbleibende Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit aus, die bar jeder Überheblichkeit ist. Jüngeren Kollegen ist er vorbildlicher Ratgeber und Anreger, auch mit kritischen Worten, die bei ihm freilich nie verletzend wirken. – Bei Juristen und Historikern genießt er gleichermaßen hohes Ansehen, er ist Mitglied der Historisch-Landeskundlichen Kommission für Posen und das Deutschtum in Polen. VerwaltungsWissenschaft und Verwaltungs- wie Verfassungsgeschichte haben in ihm einen ihrer großen Vertreter in unserer Zeit.
Werke (in Auswahl): Das Dorf einst und jetzt, 2. Aufl. 1964. Der Kreis, 1964. Der Landrat, 1966. Die Beziehung zwischen Raumforschung und Kommunal Wissenschaft, 1969. Schleswig-Holstein, 1971. Richteramt und politisches Mandat, 1971. Grundkurs öffentliches Recht, 2. Aufl. 1977. Eidsvoll – Die konstitutionelle Bedeutung der Norwegischen Verfassung, 1977. Mit V. Steininger: Der Staat. Betrachtungen über Grundlagen und Grenzen der hoheitlichen Gewalt, 1985. Mitherausgeber: Deutsche Verwaltungsgeschichte, 6 Bde. 1981-1987 mit zahlr. grundlegenden eigenen Beiträgen. – Über 60 Aufsätze in juristischen Zeitschriften.
Lit.: E. Schmidt-Jortzig in: Der Landkreis 73 (1983). Kürschner. Eigene Angaben.