Biographie

Utech, Joachim

Herkunft: Pommern
Beruf: Bildhauer
* 15. Mai 1889 in Belgard/Pommern
† 30. März 1960 in Marburg/Lahn

Joachim Utech hat nach dem Besuch des Gymnasiums in seiner Heimatstadt bei Bildhauer Bräger in Kolberg volontiert, im Winter von 1907 auf 1908 die Kunstschule des Westens in Berlin-Charlottenburg, danach, unterbrochen durch das Einjahrig-Freiwilligen-Jahr beim Pommerschen Artillerie-Regiment, die Hochschule der bildenden Künste in Berlin-Charlottenburg (Professoren Koch und Friedrich) besucht und nach dem Studium an der Staatlichen Kunstschule im Zeichenlehrer-Seminar (Professoren Hauschild und Frank) 1912 die Staatsprüfung als Kunsterzieher und Werklehrer abgelegt. Es folgten noch Studien in Leipzig (Akademie für Buchgewerbe und Graphik, Universität, Pädagogische Handelshochschule). Nach Kriegsdienst und schwerer Verwundung war er 1919 bis 1945 Kunsterzieher an höheren Schulen in Leipzig, Insterburg und Beigard, das er Anfang März auf der Flucht vor den sowjetischen Truppen verließ. Die Nachkriegsstationen waren Eyendorf in der Lüneburger Heide, Lüneburg (neue Berufstätigkeit als Studienrat im Johanneum und an der Wilhelm-Raabe-Schule), nach frühzeitigem Ruhestand (Herzleiden als Folge der Strapazen der Flucht) die Atelierzeit von 1952 bis 1955 in Daxweiler im Hunsrück, die Übersiedlung in die neugeschaffene Siedlung des Heimstättenwerkes für Wissenschaftler und Künstler in Marburg/Lahn, in deren Nähe er auch bestattet ist.

Erste künstlerische Erfolge und Ausstellungen in Deutschland gipfelten in der Beteiligung an der Biennale di Venezia 1936. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg fand Utech Beachtung in Ausstellungen, die bisher in der letzten kurz vor seinem Tode, gestaltet von der Künstlergilde, im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg (Jahrestagung des Ostdeutschen Kulturrats) und der Gedächtnisausstellung 1971 in der Ostdeutschen Galerie Regensburg gipfelten, in der neben den Sammlungen der Stiftung Pommern in Kiel wesentliche Teile des Nachlasses gesammelt und ausgestellt sind. Öffentliche Aufträge wurden dem Künstler nach dem Krieg vor allem in Marburg zuteil.

Einige Publikationen unterrichten über Utech. Die Familie und Schülerinnen und Schüler pflegen pietätvoll sein Werk. Ausstellungen im Gedenkjahr sind vorbereitet, doch steht Joachim Utech noch viel zu wenig im Bewußtsein der Öffentlichkeit, auch der Kunstfachwelt.

Zu bemerken wäre noch, daß die sowjetische Besatzung 1945 die Hand über Utechs zurückgelassene Werke hielt – als Dank nicht zuletzt für seine Maxim-Gorki-Büste, sogar die Eröffnung eines Utech-Museums in seinem Belgarder Haus veranlaßte, das von den Polen aufgelöst wurde. Das polnische Kultusministerium hat aber – fast ein einzigartiger Vorgang – 1957 75 Arbeiten Utechs der Familie (nach Marburg) zurückgegeben. Joachim Utech sprach einmal von einem Findling, dem er als Kind vergeblich versucht hatte, seinen „plastischen Willen aufzuzwingen“, als von seinem „gewaltigen Gegner“. Und später heißt es dann: „Mein Schaffen in Granit wurde mein größtes Glück.“ Das harte Urgestein vor allem war sein Werkstoff. „Denn alle diese kleinen, unscheinbaren Pflastersteine, die da im Straßenstaub niemand beachtet, sind meine besten Freunde. Hier bin ich in meinem Reich, denn ich kenne sie edle: Die Granite und Gneise in ihrer glitzernden Farbenpracht, die Diorite und Basalte in ihrer unerhörten Härte, die feurigen Porphyre und die widerspenstigen Syenite, die dunklen  Gabbros  und  die grobkristallischen  Pegmatite und schließlich die stolzen finnischen Rapakiwi …“ Utech war ein Bildhauer im wahrsten und eigentlichen Sinne des Wortes, wie man ihn in unserer Zeit kaum mehr antrifft. Unmittelbar aus dem Material geholt, erwuchsen seine Köpfe, figuralen Kompositionen, seine Tier- und Phantasiegestalten, seine zeichenhaften Formungen. Neben mannigfachen Steinen sind die schmiegsameren, ganz andere Ausdrucksmöglichkeiten erschließenden Hölzer seine Werkstoffe gewesen.

Modelle spielten für diesen Bildhauer kaum eine Rolle, seien es auch nur Vorarbeiten. Skizzen sind von ihm unbekannt. Bei allen Anklängen an griechische Plastik, Archaisches, ägyptische Kunst, Früh- und Hochmittelalter hat sich Utech eine eigene zeitlose Handschrift erarbeitet. Seine Skulpturen sind aus einem jahrelangen Leben und Kampf mit dem Stein und dem Holz erwachsen. Zwischen Utechs nur scheinbar naturalistischen und seinen absoluten Formen sind nur Übergänge, nicht Gegensätze in der Aussage zu verzeichnen. Mit der Sicherheit des in seiner Herkunft Wurzelnden hat er sich mit den Anregungen verschiedener Zeitalter auseinandergesetzt und eine Sprache gefunden, die ihn in diesem Jahrhundert als Solitär ausweist.

Zu Hunderten standen die Stein- und Holzskulpturen von Joachim Utech im Keller seiner Atelierwohnung in der Siedlung für Künstler und Wissenschaftler in Marburg/Lahn sowie in einem Raum des Schlosses hoch über der Stadt. Durch die Vermittung des um Pommern hochverdienten Architekten und Schriftstellers Hans Bernhard Reichow sind die meisten Werke aus dem Nachlaß zwischen der Stiftung Pommern Kiel und der Ostdeutschen Galerie Regensburg aufgeteilt worden.

Wenige Monate vor seinem Tode konnte Utech noch die Freude haben, daß ihm eine würdige und eindrucksvolle Sonderausstellung im Kreuzgang des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg ausgerichtet wurde. Wie er in einem Dankesbrief schrieb, ahnte er, daß dies die letzte zu seinen Lebzeiten sein würde.

Lit.: Straße („Gespräch mit Granit“), 20.2.1949. Der Holz- und Steinbildhauer, 1949, H. 2. – Die Kunst, München, Nov. 1950 und Mai 1959. – Das Kunstwerk, Baden-Baden, 1951, H. 2. – Der Naturstein, 1951, H. 7 und 1959, H. 5 und 6. – Steimetz und Steinbildhauer, München, Febr. 1952, Juli 1953 und Mai 1959. – The Studio, London, Mai 1957. – La Revue Moderne, Paris, Sept. 1956. – Baltische Studien, 4. Band, Okt. 1957. – Franz Roh, Geschichte der deutschen Kunst von 1950 bis zur Gegenwart, München 1958, S. 352 f. – Katalog der Ausstellung: Steinbildwerke und Fotographien von Plastiken; Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Nov. 1959. – Joachim Utech, Skulpturen in Stein und Holz; Ostdeutsche Galerie Regensburg, März-Mai 1971 (reichbebilderter Katalog). – Joachim Utech – Skulpturen in Stein und Holz. Aus Anlaß des 25. Todestages des Künstlers 1985 zusammengestellt von Ilse Hohrank-Detmold (15 Abb.). Zu beiden Katalogen Texte von Ernst Schremmer.