Biographie

Vegesack, Siegfried von

Herkunft: Baltikum (Estland, Lettland, Litauen)
Beruf: Schriftsteller
* 20. März 1888 in Blumbergshof/Livland
† 26. Januar 1974 in Burg Weissenstein/Bayrischer Wald

Auf dem Gut Blumbergshof in Livland, dem er als Schriftsteller ein schönes Denkmal gesetzt hat, wurde Siegfried von Vegesack am 20. März 1888, Sohn des Ordnungsrichters und Kreisdeputierten Gotthard von Vegesack und seiner Ehefrau Janet (Jenny) geb. Freiin von Campenhausen, als neuntes Kind und jüngster von sechs Brüdern geboren. Er ist in Blumbergshof aufgewachsen, wo er häuslichen Unterricht erhielt. Als er 13 Jahre alt war, starb sein Vater, und die Mutter zog mit ihren kleinsten Kindern nach Riga, wo Siegfried das dortige Stadtgymnasium besuchte, das er im Herbst 1907 mit dem Abitur absolvierte. Er verließ Riga im Winter des gleichen Jahres und ließ sich auf der Landesuniversität in Dorpat als Student der Geschichte immatrikulieren. Er trat in die studentische Korporation „Livonia“ ein, verlor bei einer Mensur ein Auge und trug seitdem ein Leben lang ein Monokel. Er studierte bis zum Jahre 1912 in Dorpat, dann ging er nach Berlin, wo er sein Geschichtsstudium fortsetzte. In Heidelberg und München studierte er auch Kunstgeschichte und schloß sein Studium mit Beginn des Ersten Weltkrieges ab.

In München begegnete er der Schwedin Nordström (Schriftstellerin, geb. am 18.1.1886 in Karlskrona, gest. am 7.2. 1962 in Mindelheim, Schwaben). Mit ihr verlobte er sich, und sie folgte ihm in die baltische Heimat Vegesacks, der in Riga Zeitungsredakteur werden wollte. Der Erste Weltkrieg vereitelte diesen Plan, und Vegesack ging nach Stockholm, wo er 16. Februar 1915 in der Deutschen Kirche Clara Nordström heiratete. Ein Jahr später zog das Ehepaar nach Berlin, wo Vegesack Sekretär des Verbandes für deutsche Ostpolitik und bei Paul Rohrbach Lektor in der Zentralstelle für Auslandsdienst im Auswärtigen Amt wurde. Er verließ Berlin jedoch bereits im Herbst 1915, gelangte in den Bayrischen Wald, pachtete für kurze Zeit einen Bauernhof in Niederbayern und erwarb (1918) den verfallenen ehemaligen  „Getreidekasten“,  einen mächtigen viergeschossigen Turm der Burgruine Weissenstein. Der „Turm“ wurde ihm, seiner und zwei Kindern, lsabel und Gotthard, zu lebenslanger Wohn- und Wirkungsstätte, aus dem eine Fülle literarischer Werke in die Welt hinausgegangen ist.

Im Jahre 1925 erschien als erstes „Die kleine Welt vom Turm gesehen“; es folgte die Komödie „Der Mensch im Käfig“ und der Roman „Das fressende Haus“ (1932), in dem die aufreibende Arbeit zur Instandsetzung des „Turms“ erzählt wird. In den Jahren 1933 bis 1935 erschienen nacheinander „Blumbergshof“, die Geschichte einer Kindheit, und die Romane „Herren ohne Heer“ und „Totentanz in Livland“, die, als Trilogie zusammengefasst, im Jahre 1936 unter dem Titel „Die Baltische Tragödie“ zum bekanntesten Werk Vegesacks wurden. (Alfred Kubin, der große Zeichner, hatte Vegesack den Rat gegeben, Erinnerungen an die Heimat niederzuschreiben, und den Mut, die Arbeit an der „Baltischen Tragödie“ zu vollenden.)

Nachdem Vegesack 1935 die Heimat besucht, eine Vortragsreise ihn durch Ostpreußen geführt und seine Ehe mit Clara Nordström geschieden worden war, weilte er von 1936 bis 1938 in Südamerika. Die Frucht jener Jahre waren die Bücher „Unter fremden Sternen“, „Aufruhr in der Quebrada“, „Eine dunkle Geschichte“, „Die gestohlene Seele“ , „Der Pfarrer im Urwald“ , „Zwischen Staub und Sternen“, „Südamerikanisches Mosaik“. Im April 1 940 heiratete er Gabriele Ebermayer, eine Süddeutsche; aus dieser Ehe stammt sein zweiter Sohn, Christoph Michael.

Beim Ausbruch des Krieges gegen die Sowjetunion (1941) meldete Vegesack sich freiwillig und wurde als Dolmetscher/Sonderführer im Wirtschaftsstab Ost eingesetzt. Seine Erlebnisse und Erfahrungen schilderte er im Buch „Soldaten hinterm Pflug“ (1944) und in einer umfangreichen Denkschrift. Nach seiner Entlassung aus der Wehrmacht im Herbst 1944 kehrte er auf seinen „Turm“ zurück. Es erschienen aus seiner Feder u.a. „Das ewige Gericht“, „Das Weltgericht von Pisa“, das Vegesack als sein bestes und reifstes Buch bezeichnet hat, der Gedichtband „Das Unverlierbare“ (1947), „Mein Junge“ als Nachruf auf seinen am 30. März 1944 in Ananjew/ Ukraine gefallenen Sohn. Es folgten (1953) die Gedichtbände „In dem Lande der Pygmäen“ und „Schnüllermann sieht das Leben heiter an“, „Kleines Handgepäck“ und, als Schlußband der Baltischen Tragödie, „Der letzte Akt“ (1957). Zahlreiche Übersetzungen aus dem Russischen runden sein Werk ab.

Vegesack wurde 1956 Ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, 1963 erhielt er den Ostdeutschen Literaturpreis der Künstlergilde. Zu seinen umfangreichsten Werken gehören die unter dem Titel „Vorfahren und Nachkommen“ erschienenen Aufzeichnungen aus einer altlivländischen Brieflade 1669 bis 1887. Seine Werkbibliographie umfasst 48 selbständige Veröffentlichungen.

Nachdem seine Ehefrau Gabriele im Mai 1972 gestorben war – ein Schlag, von dem er sich nicht wieder erholte –, ließ sein Lebenswille nach, er zog sich mehr und mehr in die Stille zurück, nur von seiner Nichte Adda aufopfernd gepflegt. Seine letzte Ruhestätte fand der Dichter auf einem Quarzgang, der in der Nähe seiner Burg den Bayrischen Wald durchzieht. Ein Totenbrett an einem Kiefernstamm bezeichnet die Stelle. Dort ist zu lesen: Siegfried von Vegesack, geb. 20.3.1888 in Blumbergshof in Livland, gest. 26.1.1974.

Hier wo ich einst gehütet meine Ziegen,
Will ich vereint mit meinen Hunden liegen.
Hier auf dem Pfahle saß ich oft und gern,
O Wandrer schau dich um und lobe Gott den Herrn.

Lit.: Franz Baumer: Siegfried von Vegesack. Eine Lebensbeschreibung (Heilbronn MM); Siegfried von Vegesack (In: Baltisches Erbe, Bd. I, hrsg. v. Erik Thomson, Frankfurt/Main 1964); Herbert Petersen: Ein Dichter schrieb die Grabschrift (In: Jahrbuch des baltischen Deutschtums, Bd. XXII/1975, Lüneburg 1974); Claus von Aderkas: Grabrede am 30. Januar 1974 in Weissenstein (in: Ostkirchliche Information, Hannover 1974/111).