Biographie

Wachler, Paul

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
* 14. Februar 1834 in Malapane
† 13. Mai 1912 in Eisleben

Paul Wachler wurde geboren als Sohn des Hüttenmanns Ludwig Wachler, Leiter des Königlichen Eisenhüttenwerks zu Mala­pane, und dessen Ehe­frau Auguste, geb. Paul. Paul Wachlers Vater, Sohn eines Theologen, Historikers und Literaturhistorikers, galt als „eine nach allen Rich­tungen hin ausgezeichnete Kraft“. Seit 1829 als Hütteninspektor auf der Mala­paner Hütte tätig, die er von 1840 an bis zu seinem Tod 1865 leitete, hatte er die Anlage zu einem Unternehmen nach dem neuesten Stand der Technik entwickelt. Paul Wachler bezog nach dem Besuch des Gymnasiums zu Oppeln die Universität Breslau, wo er sich dem Studium der Rechtswissenschaften und der Nationalökonomie widmete. 1855 bestand er das juristische Examen. Anschließend absolvierte er die Refe­ren­dar­ausbildung „in allen Zweigen der Rechtspflege“, ehe er 1860 Gerichtsassessor wurde.

Seine berufliche Tätigkeit begann Paul Wachler in einer Breslauer Rechtsanwaltspraxis. Sein Engagement und seine Ak­tivitäten dokumentieren sich in seiner juristischen Mitgliedschaft am Oberbergamt in Breslau und bei der Staatsanwaltschaft am dortigen Stadtgericht. 1865 wirkte er als Staats­anwalt­schaftsgehilfe bei der Staatsanwaltschaft in Oppeln. Am 1. Dezember 1865 erfolgte seine Ernennung zum Staatsanwalt in Öls. Seit 1862 war Paul Wachler mit Clara Boehm verheiratet. Die als glücklich bezeichnete Ehe sollte kinderlos bleiben.

In den deutsch-österreichischen Krieg von 1866 war er „als Regi­ments­adjutant des Niederschlesischen Landwehrregiments Nr. 11 in Neisse“ involviert, in den deutsch-französischen Krieg von 1870/71 „als Adju­tant der 21. Infanterie-Brigade“. Seine seinerzeitigen Aktivitäten do­kumentieren sich u. a. darin, dass er vom Jahre 1870 an den Arbeitsan­fall des Syndikus der Fürstentums-Landschaft Öls-Militschau erledig­te. Schon vom Jahre 1864 an hatte er als Justitiar der Oberschlesischen Stein­kohlen-Bergbau-Hilfskasse gewirkt.

Paul Wachlers politi­sches Engagement kommt in seinem Mandat als freikonservativer Abge­ordneter des preußischen Landtags für den Wahlkreis Öls-Namslau-Warten­berg zwischen 1866 und 1874 zum Ausdruck. Dem Programm der Freikonservativen entsprechend, vertrat er deren großindustrielle Interessen. Nachdem er 1874 zum Oberbergrat in Halle ernannt worden war und 1875 den akademischen Grad eines Dr. jur. erworben hatte, quittierte er den Staatsdienst, um als Generaldirektor für Graf Guido Henckel von Donnersmarck tätig zu werden. Als solcher war er verantwortlich für des­sen ausgedehnten Grundbesitz sowie das über Jahrzehnte hinweg aufgebaute und weit über das oberschlesische „Kernrevier“ hinaus reichende v. Donnersmarcksche Industrie-Imperium. Wenngleich er 1883 aus den Diensten Henckel v. Donnersmarcks ausschied, so blieb er dem bedeutendsten oberschlesischen Indus­trie-Magnaten doch weiterhin freundschaftlich ver­bun­den.

Die vielfältigen Aufgaben Paul Wachlers, die zumal mit seinem Wirken als Generaldirektor verbunden waren, galten als Ausweis für seine Be­stellung zum Leiter des Schlesischen Bankvereins mit Sitz in Breslau im Jahre 1883. Das Geldinstitut war 1856 als Kommanditgesellschaft auf Aktien gegründet worden. Seine Hauptaufgabe sollte die Industriefinan­zierung sein. Paul Wachler hat dem Ansinnen, für die „Beschaffung und Verwaltung“ der für die schlesische Montanindustrie sowie für die übri­gen Industriezweige Schlesiens nachgefragten Geldmittel Sorge zu tra­gen, zu entsprechen vermocht. Dass er dazu imstande war, hatte auch da­mit zu tun, dass der Schlesische Bankverein Beziehungen zu der 1870 gegründeten Deutschen Bank unterhielt, zu deren Erstzeichnern das Breslauer Institut gehörte. Entstanden war der Bankverein durch das Zusam­mengehen von Geld- und Hochadel. So gehörten zu seinen Geschäftsinha­bern Graf Adrian Joseph Hoverden, der Bankier Conrad Fromberg und der Commerzienrat Wilhelm Lehfeld.

Offenbar fühlte sich Paul Wachler mit seinem Wirken für den Schlesischen Bankverein nur unzureichend ausgelastet. Ansonsten hätte es ihn wohl kaum 1891 nach Berlin gezogen, dem zentralen Banken- und Börsen­platz Deutschlands. Zumal seit Berlin 1871 zur Hauptstadt des Deutschen Reichs geworden war, hatten sich hier bedeutende Bankiers und einflussreiche Unternehmer, darunter nicht zuletzt oberschlesische Magnaten, niedergelassen. Hier konnte Wachler seine vielseitigen Kenntnisse und seinen Schaffensdrang zur vollen Entfaltung bringen. Seine Aktivitäten erstreckten sich auf die unterschiedlichsten Felder. Er war Mitglied des Aufsichtsrats des Schlesischen Bank­vereins, der Dresdener Bank, des Schaaffhausenschen Bank­vereins sowie der Zulassungsstelle für die Ber­liner Börse, Zudem fungierte er als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Deutschen Grund-Credit-Bank in Gotha, der Kaliwerke Salz­detfurth und der Lignose-Schießwollfabrik Kruppamühle. Stell­vertretender Vorsitzen­der war er des Aufsichtsrats der Ver­­einigten Königs- und Laurahütte für Bergbau- und Eisenhüttenbetrieb (Oberschlesien), der Aktiengesellschaft Kraft zu Kratzwieck bei Stettin, der Kattowitzer Aktiengesellschaft für Bergbau und Eisenhüttenbetrieb, schließlich der Schlesischen Aktienge­sellschaft für Bergbau und Zinkhüttenbetrieb Lipine (Kr. Beuthen/OS).

Als Mitglied gehörte Paul Wachler dem Aufsichtsrat der Aktiengesell­schaft Lauchhammer, der Berliner Speditions- und La­gerhaus-Gesell­schaft AG, der Schantung-Bergbau­gesell­schaft, der Friedrich Wilhelm-Lebensversicherungs­gesellschaft, der Schantung Eisenbahngesellschaft und der Superphos­phat-Fabrik Mannheim an. Im Jahre 1902 wurde er durch Wilhelm II. zum Mitglied des Herrenhauses berufen. Zu sehen ist die Berufung im Zusammenhang mit seinem Engagement für die Interessen der Industrie. Ihnen verdankte er auch seine Mitgliedschaft im Zollbeirat seit 1892 und im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Reiches zur Vorbereitung handelspolitischer Maßnahmen seit 1898. Geschätzt war er als Experte sowohl auf dem Gebiet der Montanindustrie als auch auf dem des Bergrechts sowie des Aktien-, Bank- und Handelswe­sens. Unter Beweis gestellt hatte er seine Kompetenz gelegentlich der Verhandlungen über die Handelsverträge in den 1890er Jahren sowie im Rahmen der Enqueten über Zolltarife, Handels-, Börsen- und Bankange­legenheiten, die zu den Obliegenheiten der Oppelner Handeslkammer gehörten, die von ihm im Jahre 1882 mit begründet worden war. Dass Paul Wachler für sein vielfältiges Wirken mit Auszeichnungen bedacht wurde, versteht sich von selbst. So wurden ihm verliehen die Kriegs­gedenkmünzen 1866 und 1870/71, der Rote Adler Orden IV. Klasse, der Kronenorden II. Klasse, das Verdienstkreuz und das Sächsische Komturkreuz II. Klasse mit Stern.

Sieht man von Paul Wachlers intellektuellen Fähigkeiten und seiner Schaffenskraft einmal ab, dann beeindruckt die Vielseitigkeit seiner Aktivitäten. All das speiste sich aus dem in der Lehre der reformier­ten Kirche angelegten Arbeitsethos, das sich in rastloser Berufsarbeit sowie den daraus resultierenden Erfolgen wesent­lich dokumentiert. Dass er sich auch wissenschaftlich betätigte, er­gänzt das beeindruckende Bild von ihm und rundet es gewissermaßen ab. Es verwundert daher nicht, dass er noch im hohen Alter rastlos tätig, während eines Gesprächs mit Gewerken „der Mansfeld­schen Kupferschiefer bauenden Gewerkschaft“ in Eisleben plötzlich verstarb.

Werke: Das Allgemeine Berggesetz für den preußischen Staat (1865). – Über die Rechtsgiltigkeit der Felderreservation für den fiskalischen Bergbau insbesondere in Oberschlesien (1865) ). – Ferner äußerte sich Wachler, zumal im Rahmen seiner parlamentarischen Funktionen, zu Problemen des Strafrechts, des Bergrechts, des Erbrechts, des Personenstands- und Eherechts, zu Handels- und Verkehrsfragen, zum Börsen-und Bankwesen, zu Staatsanleihen oder zum Scheckverkehr.

Lit.: Oberbergrat a.D. Wachler (†), in: Rundschau 8 (1911/12), S. 182. – Oberbergrat Dr. Wachler (†), in: Kohle und Erz 9 (1912), S. 146/47. – Oberbergrat Dr. Wachler (†), in: Oberschlesien 11 (1912/13), S. 166/67. – Oberbergrat Dr. Wachler (†), in: Zeitschr. d. Oberschlesischen Berg- und Hüttenmänni­schen Vereins 51 (1912), S. 245/47. – Ernst und Max Wachler (Hrsg.), Chronik der Familie Wachler vom Ende des 16. Jahrhunderts bis zur Gegenwart (1910), S. 206/07. – Alfons Perlick, Oberschlesische Berg- und Hüttenleute (1953), S. 169/170 und S. 274. – Wachler, Paul, in: Deutsche Biographi­sche Enzyklopädie, Bd. 10 (200l), S. 266.

Bild: Zs. d. oberschl. Berg- und Hüttenmännischen Vereins 51 (1912).

Konrad Fuchs