Biographie

Weiss, Eugen Karl

Herkunft: Siebenbürgen
Beruf: Schulmann, Naturforscher, Musiker
* 2. November 1884 in Kronstadt
† 2. Februar 1953 in Kronstadt

Eugen Weiß war Gymnasiallehrer für Naturwissenschaften an der Honterusschule und an andern Schulen in Kronstadt. Große Verdienste hat er sich durch seine langjährigen meteorologischen, botanischen und astronomischen Forschungen erworben. Im Frühjahr 1952 begann Weiß seine 40jährigen Wetterbeobachtungen in Kronstadt auszuwerten, um diese im Zusammenhang mit den Klimaveränderungen in Siebenbürgen und in Europa zu analysieren. Durch seine Verhaftung im Mai 1952 wurde er gezwungen, sein Zuhause mit einer Häftlingszelle der Staatssicherheit zu vertauschen. Nachdem er sich keiner Schuld bewusst war, hoffte er bald wieder zu seiner begonnen Arbeit in sein Arbeitszimmer zurückkehren zu können. Doch diesen Wunsch hat ihm die Vorsehung leider nicht erfüllt.

Eugen Weiß wurde am 2. November 1884 in Kronstadt geboren als Sohn des Klempnermeisters Eduard Johann Weiß (1854-1921) und seiner Gattin Luise Karoline, geb. Trepches (1858-1917). Nach der Reifeprüfung an der Honterusschule in Kronstadt, studierte er von 1902-1906 Theologie und Philosophie (Lehrfächer: Mathematik, Physik und Chemie), an den Universitäten Breslau, Klausenburg, Berlin, Halle/Saale und wieder Breslau. Nach Kronstadt zurückgekehrt diente er 1906-1907 als Supplent sein Probejahr an der Realschule der Honterusschule und wirkte danach von 1908-1910 in stellvertretender Verwendung an der Ev. Mädchenbürgerschule und an der Honterusschule in Kronstadt. Ab 1910 war er Professor an der Honterusschule. Nebenamtlich war er von 1910-1916 auch Professor an der Adele-Zay-Schule (KBA) und ab 1914 an der Gremialhandelsschule in Kronstadt. Seine Lehrfächer waren Mathematik, Physik, Chemie, Astronomie, Biologie und Warenkunde. Am 27. März 1912 heiratete Weiß Margarethe Karoline Fromm (1888-1965).

Eugen Weiß war eine bedeutende und verdienstvolle Kronstädter Persönlichkeit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als begnadeter Lehrer, der über ein ungewöhnlich großes Wissen verfügte, ist er seinen Verpflichtungen als Lehrer und Erzieher in einem hohen Maße gerecht geworden. Seine Hilfsbereitschaft und sein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn machten ihn zu einem geachteten und beliebten Lehrer und Kollegen. Er war sehr mitteilsam und immer bereit seinen Schülern auch außerhalb des Unterrichts botanische und astronomische Kenntnisse zu vermitteln. Sein umfassendes Wissen hat er auch in zahlreichen öffentlichen Vorträgen über naturwissenschaftliche Themen seinen Mitmenschen mitgeteilt. Zu diesen gehören auch seine Vorträge über „Einsteins spezielle und allgemeine Relativitätstheorie“, die er im Herbst 1921 gehalten hat. Seine Weltanschauung fußte auf den Erkenntnissen von Charles Darwin und Ernst Haeckel.

1912 erfolgte von Weiß die Einrichtung einer meteorologischen Station in seinem Garten und Haus in der Kathari­nengasse 32 in Kronstadt. Die Anregung dafür erhielt er von seinem Kollegen an der Honterusschule Dr. Oswald Thomas, der später als Leiter der Urania-Sternwarte und Universitätsprofessor für Astronomie in Wien internationale Bedeutung erlangte. Die Gründung dieser Wetterstation ist, neben seiner bespielhaften Lehrtätigkeit in- und außerhalb der Schule, seine bedeutendste Leistung. Hier wurden unter seiner Leitung alle Wetterbeobachtungen dreimal täglich (8, 14 und 20 h) durchgeführt. Zu den 8 gemessenen und notierten meteorologischen Elementen gehörten: Luftdruck, Temperatur, Strahlung, Luftfeuchtigkeit, Bewölkung, Niederschläge, Niederschlagsformen, und Wind. Am Anfang eines jeden Jahres veröffentlichte Weiß einen zusammenfassenden Bericht über Das Wetter in Kronstadt des vergangenen Jahres. Diese Berichte sind von 1913-1923 zunächst in der Kronstädter Zeitung, dann 1924 und 1925 in Der Wanderer in Kronstadt, von 1926-1935 wieder in der Kronstädter Zeitung und schließlich ab 1936-1943 im Jahrbuch des Siebenbenbürgischen Karpatenvereins erschienen. Ab 1922 unterteilte Weiß seinem Jahresbericht in: A) Der Wetterverlauf und B) Die Witterungselemente. Im Teil A) fügte er immer auch seine phänologischen Beobachtungen aus der Pflanzen- und Tierwelt bei Kronstadt hinzu. Sonderdrucke seiner Wetterberichte verschickte er an andere Wetterstationen oder an diesbezügliche Institute, zu denen auch das Meteorologische Zentralinstitut in Bukarest gehörte. Von 1922-1944 leitete Weiß zusätzlich auch eine Schüler-Wetterstation an der Honterusschule. Unter seiner Aufsicht wurden hier die Wetterbeobachtungen von Schülern durchgeführt. Für seine astronomischen Beobachtungen hatte er bereits 1920 auf dem Dach der Honterusschule auch eine Sternwarte eingerichtet. Für die Verbreitung von astronomischen Kenntnissen veröffentlichte er in der Kronstädter Zeitung monatlich auch eine Sternkarte. Aufgrund seiner 22jährigen Wetterbeobachtungen verfasste Weiß 1934 eine erste zusammenfassende Arbeit über „Das Klima in Kronstadt“ (Manuskript). In dieser stellte er interessante Besonderheiten und Abweichungen vom normalen Witterungsverlauf in Kronstadt fest. Die von Weiß hier ermittelten Forschungsergebnisse hat Professor Heinrich Wachner bereits im Kapitel „Klima“ seines 1934 erschienenen „Kronstädter Heimat- und Wanderbuch“ übernommen. Auch danach setzte Weiß seine meteorologischen Beobachtungen konsequent fort.

Als leidenschaftlicher Wanderer, Botaniker und Naturforscher hat Weiß von 1899-1951 mit Familienangehörigen, Freunden und Kollegen über 1.000 Exkursionen durchgeführt. Die meisten von diesen waren Tagesausflüge in die Umgebung von Kronstadt und in die Burzenländer Gebirge. In seinem Heft „Ausflüge“ hat er auf 84 Seiten alle seine Exkursionen mit dem Datum, dem Exkursionsverlauf und seine Begleiter angeführt (Manuskript). Ab 1907 begann er die in seinem Wandergebiet angetroffenen Pflanzenarten mit Datum und Fundort zu notieren und in sein „Pflanzenfundbuch“ einzutragen. Die besonderen Pflanzenarten der Flora des Burzenlandes sammelte und präparierte er für sein Herbarium. Als sehr guter Zeichner hat er etwa 250 von diesen mit Bleistift und Farbstiften naturgetreu gezeichnet und sich mit diesen auch ein sogenanntes Herbarium pictum angelegt. Zu seinem wertvollen botanischen Nachlass gehört auch ein Blumenkalender (1930) mit 503 Pflanzenarten aus der Umgebung von Kronstadt, in dem diese nach den Monaten ihrer Blütezeit angeordnet sind. Sein wichtigster botanischer Beitrag ist jedoch seine Flora der Umgebung Kronstadts, in die er von 1907-1951 insgesamt 716 Höhere Pflanzenarten und 18 Hutpilzarten eingetragen hat. (Handschrift). Sein Herbarium umfasste etwa 350 Pflanzenbelege. Auf den Herbariums-Etiketten hat er stets das Sammeldatum, den Fundort und den Namen des Sammlers notiert. Sein Herbarium befindet sich seit dem Mai 1986 im Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim/Neckar. Durch seinen unerwarteten und zu frühen Tod blieben seine botanischen Forschungsergebnisse leider unveröffentlicht.

Als streng wissenschaftlicher Denker war Weiß auch musisch sehr begabt. Schon seit 1896 war er als Bratschist Mitglied der Philharmonischen Gesellschaft in Kronstadt. Außer Bratsche spielte er auch Violine, Flöte, Klavier und Harmonium.

Eugen Weiß war bis 1948 Professor an der Honterusschule in Kronstadt. Von 1944-1947 war er gleichzeitig auch stellvertretender Direktor dieser Anstalt. Nebenberuflich war er bis 1945 auch Prof. an der Gremialhandelsschule und bis 1948 an der Adele-Zay-Schule (KBA) in Kronstadt. Am 1. September 1948 trat er in den Ruhestand. Seither unterrichtete er als Supplent am staatlichen Deutschen Gemischten Lyzeum in Kronstadt. Seit 1948 war er angestelltes Mitglied des Philharmonischen Orchesters „Gheorghe Dima“ in Kronstadt. Nebenamtlich war er damals auch Leiter der Wetterstation in Kronstadt. Die beiden Söhne Gerald Ortwin Eugen (* 15. Sept. 1922 – † 19. April 1945) und Günter Harald (* 30. April 1926 – † 14. Sept. 1944) sind beide am Ende des Zweiten Weltkrieges an der Front gefallen.

Im Frühjahr 1952 begann Weiß seine 40jährigen Wetterbeobachtungen auszuwerten. Nun wollte er aufgrund von seinen langjährigen Forschungen die Ursachen für den veränderten Witterungsverlauf in Kronstadt im Zusammenhang mit den Klimaveränderungen in Siebenbürgen und in Europa klären. Jedoch schon Anfang Mai 1952 wurde er nach einer unerwarteten Hausdurchsuchung vom Sicherheitsdienst (Securitate) verhaftet, in Untersuchungshaft mitgenommen und in eine überfüllte Häftlingszelle gebracht. Ohne Verteidigungsmöglichkeit wiederholt verhört und misshandelt, wurde er aufgrund einer verleumderischen Zeugenaussage als Spion angeklagt und in eine kleine Häftlingszelle zu zwei andern politischen Häftlingen im Keller der Burg auf dem Schlossberg in Kronstadt gebracht. Eine letzte Nachricht von ihm erhielt seine Frau im Dezember 1952. Von unmenschlichen Haftbedingungen, wiederholten argen Misshandlungen und durch Unterernährung geschwächt, erkrankte er schwer. Nachdem ihm ärztliche Hilfe versagt wurde, starb Prof. Weiß als unschuldig verurteilter Häftling an einer Lungenentzündung am 2. Februar 1953 im Alter von 69 Jahren. Wie andere hier verstorbene politische Häftlinge wurde auch Weiß, ohne Verständigung seiner Frau, am Gesprengberg bei Bartholomä in Kronstadt begraben. Erst im April 1953 erfuhr seine Frau, durch die Rückgabe der ihm abgenommenen Utensilien (Uhr, Brille), seinen Todestag. Nur durch ihre jahrelangen Bemühungen und die notwendigen Beziehungen zu einflussreichen Persönlichkeiten in Kronstadt, erhielt Frau Weiß endlich die Bewilligung für die Exhumierung der sterblichen Überreste ihres Mannes, deren Beisetzung am 14. April 1956 am Innerstädtischen Friedhof in Kronstadt stattfand.

Nach seiner Verhaftung im Mai 1952 wurden die Wetterbeobachtungen ohne Unterbrechung von seiner Frau Grete Weiß bis zu ihrer Erkrankung im April 1965 fortgesetzt. Anschließend hat ihre Großnichte Brunhilde Werner, geb. Hoffmann, die Wetterbeobachtungen hier im Auftrag von der Forstwissen-schaftlichen Fakultät in Kronstadt bis Ende Juni 1984 durchgeführt. Schließlich wurden die Wetterbeobachtungen von ihrem Bruder Volkmar Hoffmann noch bis Ende Dezember 1984 gemacht. Somit wurden die Wetterbeobachtungen in dieser Wetterstation von Familie Weiß und ihren Anverwandten ohne Unterbrechung in insgesamt 72 Jahren durchgeführt. Dieses ist eine außergewöhnliche und höchst verdienstvolle Leistung vor allem von Prof. Eugen Weiß, für die Berechnung und Beurteilung der Witterungsverhältnisse in Kronstadt im 20. Jahrhundert. Seine Wetterstation wurde auch anschließend für die Wetterbeobachtungen in Kronstadt ab Januar 1985 weiter verwendet.

Lit.: Rudolf David, 50 Jahre klimatologische Station – Kronstadt (1912-1962), Typoskript 1962. – Hans Gustav Mühlsteffen, Die letzten Tage von Eugen Weiß, Professor der Honterusschule in Kronstadt, in: Südostdtsch. Vjbll. 27, Nr. 2, 1978, S. 145-150. – Heinz Heltmann, Eugen Weiss (1884-1953) zum Gedächtnis, in: Siebenbürgisch-sächsischer Hauskalender 24, 1979, S. 76-80. Mit 1. Abb. – Marian Marcu, Wetterforschung über 75 Jahre. Kronstädter Meteorologen seit siebeneinhalb Jahrzehnten auf Draht, in: Karpaten-Rundschau 20 (31), Nr. 6, (6. Febr.), 1987, S. 8. Mit 1 Abb. – Heinz Heltmann, Weiß, Eugen Karl, Schulmann, Meteorologe, Botaniker, in: Lexikon Siebenbürger Sachsen, Thaur/Innsbruck 1993, S. 569. Mit 1 Abb. – Heinz Heltmann, Zum 50. Todestag von Eugen Weiß (1884-1953), in: Neue Kronstädter Zeitung 19, Folge 1 (20. März), 2003, S. 5 und 11. Mit 2 Abb. – Walter Johannes Schlandt, Tragisches Ende eines verdienten Pädagogen. Zum Gedenken an den vor 60 Jahren verstorbenen Konstädter Gymnasiallehrer Eugen Weiß, in: Siebenbürgische Zeitung 63, Folge 3 (23. Febr.), 2013, S. 8, Mit 1 Abb.

Bild: Kulturstiftung.

 Heinz Heltmann