Biographie

Werner, Anton von

Herkunft: Ostbrandenburg
Beruf: Maler
* 9. Mai 1843 in Frankfurt/Oder
† 4. Januar 1915 in Berlin

Der durch seine Darstellung der Kaiserproklamation zu Versailles in jedem Schulbuch zu findende Maler Anton von Werner entstammte einer verarmten märkischen Offiziersfamilie. Sein Vater hatte, durchaus mit wirtschaftlichem Erfolg, in Frankfurt an der Oder das Tischlerhandwerk ergriffen, auch der Sohn sollte ein Handwerk erlernen. Dessen künstlerische Veranlagung zeigte sich indes sehr früh, ohne jedoch in der Provinzstadt die notwendige Förderung zu erfahren. Immerhin gab der Vater ihn 1857 zu einem Stubenmaler in die Lehre, die er zwei Jahre darauf mit dem Gesellenbrief abschloß. Durch umfangreiche Dekorationsarbeiten in Kirchen, Landgütern und Stadthäusern erwarb der Knabe die nötigen Grundkenntnisse, im Eigenstudium bereitete er sich auf den Besuch der Berliner Akademie vor, in die er 1859 eintrat. Finanziell schlecht gestellt, erhielt er auch hier die ersehnte tiefergehende Weiterbildung nicht. Erst als sich der Karlsruher Maler Adolph Schroedter, dessen Schwiegersohn Werner später wurde, des jungen Kollegen annahm, ihn in sein Haus in die süddeutsche Residenzstadt einlud, dieser Schroedter bei dessen Arbeiten assistierte und Bekanntschaft mit weiteren Künstlern wie dem Historien- und Landschaftsmaler Karl Friedrich Lessing und der Düsseldorfer Schule machte, empfing er die für seinen eigenen Malstil prägenden Eindrücke.

In Karlsruhe machte Anton von Werner auch die Bekanntschaft des Dichters Viktor von Scheffel, dessen Werke er 1864 mit großem Erfolg zu illustrieren begann. Die Illustrationen einiger Klassikerwerke vermochten das Publikum nicht in gleicher Weise zu überzeugen. Bildungsreisen nach Paris und ein zweijähriger Italienaufenthalt, dessen künstlerisches Ergebnis mager blieb, schlossen sich an. Am meisten nahm Werner noch Eindrücke der französischen Historienmalerei auf. Bis zum Jahre 1870 widmete er sich in seinen Kompositionen vorzugsweise diesem Genre; danach nahmen ihn die zeitgenössischen Ereignisse derart in Anspruch, daß er nur noch gelegentlich darauf zurückgriff. Konradin von Hohenstaufen und Friedrich von Baden, das Todesurteil hörend, Heinrich IV. durch Anno von Köln geraubt, Luther vor dem Reichstag in Worms, Die nationale Erhebung von 1813 – bereits die Werktitel machen klar, daß von Werners Sympathien dem mittelalterlichen Kaisertum, Preußen und dem Protestantismus zuneigten. Im Deutschland der Reichsgründung und des heraufziehenden Kulturkampfs konnten ihn diese Gemälde nur als politisch zuverlässig empfehlen.

In Kiel, wo von Werner die Aula des Gymnasiums mit Wandgemälden ausschmückte, erhielt er 1870 den Auftrag des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins zu einem Gemälde mit der Darstellung Moltkes vor Paris. So gelangte Werner im Oktober desselben Jahres ins Hauptquartier der deutschen Armee in Versailles und nahm im Januar 1871, schon wieder nach Karlsruhe heimgekehrt und erst durch ein Telegramm des preußischen Hofmarschalls zurückgerufen, an der Kaiserproklamation teil. Bald schon genoß er die Gunst der kaiserlichen Familie, insbesondere des Kronprinzenpaars, und machte die Bekanntschaft der führenden Militärs. Die von nun an entstehenden Werke stellte Werner in den Dienst des neuen Staates. Seinen in äußerst naturalistischer und konsequent perfektionierter Malweise geschaffenen Bildern ist, trotz seiner Absicht, ein historisches Dokument zu erstellen, stets eine propagandistische Intention für das Deutsche Kaiserreich anzumerken. Überdeutlich wird dies an den Schlachtenbildern, Panoramabildern und Bildprogrammen aus dem Deutsch-Französischen Krieg. Als Beispiele seien nur die Saarbrücker Rathausbilder, die Arbeiten für den Fries der Siegessäule in Berlin und die verschiedenen Versionen der berühmten Kaiserproklamation genannt. Die „Schloßfassung" wurde Wilhelm I. zum 80. Geburtstag als Geschenk der deutschen Fürsten und freien Städte übergeben. Anton von Werner wurde zum beliebten Maler von Staatsporträts und offiziellen Bildnissen, der sich der Wertschätzung der drei Hohenzollern-Kaiser, die alle von ihm porträtiert wurden, erfreuen durfte, wobei Friedrich III. auch in künstlerischer Hinsicht die „Lieblingsfigur" des Malers war. Zahlreiche Gemälde der Mitglieder des Hofes und höfischer Feiern und Bälle entstanden neben den Darstellungen von Haupt- und Staatsaktionen. Kaiser Wilhelm I. auf dem Sterbebett, Die Eröffnung des Reichstags am 25. Juni 1888 und Der Kongreß zu Berlin sollen hier, da sie zu den bedeutenderen zählen, noch Erwähnung finden.

Schon im Frühjahr 1871 war Werner in die neue Reichshauptstadt übergesiedelt. Seine gesellschaftliche Stellung, die nicht nur durch die ihm übertragenen künstlerischen Arbeiten, sondern auch durch seine zahllosen Funktionen, unter anderem als Akademiedirektor, Vorsitzender des Vereins Berliner Künstler, Hauptvorsitzender der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft, Mitglied in unzähligen Komitees und Gremien, geprägt war, repräsentierte er in seiner Villa in der Potsdamer Straße, wo er gelegentlich sogar kaiserliche Gäste begrüßen durfte. Unumstritten als Kunstpolitiker war Werner jedoch nicht. Insbesondere seine Abwehr gegenüber der Moderne, der er vorwarf, „für die Macht und Herrlichkeit des Deutschen Reiches" nichts übrig zu haben, stand im Kreuzfeuer der Kritik. Bei der Munch-Affäre von 1892 etwa führte Werner innerhalb des Berliner Künstlervereins die Mehrheit für die Schließung einer Ausstellung des norwegischen Künstlers an, bei der Weltausstellung 1904 wurden die Sezessionisten – wie man meint, auf Werners Betreiben beim Kaiser – benachteiligt; den Parteigänger der Impressionisten, den Direktor der Nationalgalerie von Tschudi, machte er sich ebenso zum Feind wie Wilhelm von Bode, den Generaldirektor der königlichen Museen. Letzteres war zwar eher eine persönliche Angelegenheit, doch wurde sie von Werner immerhin unter dem Motto „Kunstgelehrte contra Künstler" geführt.

Die publizistische Auseinandersetzung darüber, wer zur Kunstbeurteilung berufener sei, zog sich hin und fand nur einen äußerlichen Abschluß, als von Bode wie von Werner 1910 am selben Tag zum Wirklichen Geheimen Rat – mit dem Titel „Exzellenz" – ernannt wurden.

Dieser äußerliche Glanzpunkt seiner Karriere traf jedoch mit einer Machteinbuße zusammen, da Werner, obwohl kommissarischer Leiter der Berliner Nationalgalerie, vom Kaiser nicht zu deren Direktor ernannt wurde. 1913 traf schließlich das sogenannte Ausstellungsverbot neben dem Kunstpolitiker auch den Maler, den man mit einer Retrospektive seiner Bilder ehren wollte, dessen kämpferische, agitatorische Gemälde aber nicht in die Zeit zu passen schienen. Aus politischen Bedenken, um Frankreich zu schonen, nahm man von der Ausstellung Abstand. Werner wurde gleichwohl auch danach weithin geschätzt. Nach seinem Tode brachte Wilhelm II. zum Ausdruck, was viele dachten, als er vom „gottbegnadeten Meister der Kunst" sprach, dessen Name „in den Ehrentafeln der deutschen Kunst stets mit goldenen Lettern" geführt werde. Schon ein zeitgenössischer Nekrolog führte aber aus: „Der mit jungen Jahren schon zu Ansehen und Ehren Gelangte ist in späteren Jahren viel geschmäht worden, woran freilich nicht wenig seine unversöhnliche heftige Gegnerschaft gegen die neu aufstrebende Künstlergeneration Schuld trug."

Lit.: Dominik Bartmann: Anton von Werner. Zur Kunst und Kunstpolitik im deutschen Kaiserreich, 1985. – Thomas W. Gaethgens: Anton von Werner: die Proklamierung des Deutschen Kaiserreiches. Ein Historienbild im Wandel preußischer Politik, 1990. – Anton von Werner, Erlebnisse und Eindrücke 1870-1890, 1913.

Bild: Nach einer Zeichnung von Allers aus dem Jahre 1887, Bildarchiv Stiftung Mitteldeutscher Kulturrat.

Rainer Täubrich