Biographie

Wessely, Herbert

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Schriftsteller
* 13. August 1908 in Znaim/Mähren
† 12. März 1998 in Karlsruhe

Der Name HerbertWessely galt über Jahrzehnte hinweg im Bereich der ostdeutschen Vertriebenen, vor allem im Bereich der Sudetendeutschen, gleichsam als Synonym für südmährische Kulturleistungen in der Vertreibung. Seine Schöpfungen als Dichter standen dabei im Vordergrund, doch er war ein vielseitig begnadeter Künstler, der Dichtung, der Malerei, der Musik und dem Modellieren zugetan.

Das Südmährische Jahrbuch, erstmals für das Jahr 1952 erschienen, wurde von Anfang an von ihm entscheidend mitgeprägt. Ganz augenfällig die Einbandgestaltung, die von 1952 bis 1985 sein Grafikertalent unter Beweis stellte. Den Inhalt hat er ebenfalls von Anfang an mit Gedichten, Erzählungen und zeichnerischen Darstellungen bereichert. In den Jahren 1965 bis 1973 trug er als Hauptschriftleiter die Last der Gesamtgestaltung. „Kalendermacher“ nannte er sich und unterstrich damit den Charakter des Jahrbuches als Jahresbegleiter für die heimatvertriebenen Südmährer in der Tradition der in der Heimat verbreitet genützten Hauskalender in Buchform mit belehrendem und erbaulichem Lesestoff. So wurde das Jahrbuch zu einer Lesebuch-Reihe mit einer Themenvielfalt aus der breiten Palette heimat- und volkskundlicher Stoffgebiete. Zum anderen wurde das Jahrbuch auch zu einer Basis für junge Lyrik- und Erzählertalente, die sich so – von HerbertWessely ermuntert und gefördert – ihren Landsleuten vorstellen konnten. Die Geleitworte des „Kalendermachers“ von 1965 bis 1973 sind in ihrer Gedankenvielfalt, Sprachform und Aussagekraft zeitenüberdauernd vorbildlich.

In diesen Jahren war Herbert Wessely auch Kulturbeauftragter des Südmährischen Landschaftsrates und so mit Aufgaben betraut, die ihm neben seiner beruflichen Tätigkeit erhebliche Lasten aufbürdeten und die Verwirklichung seiner eigenen schöpferischen Arbeitspläne erheblich beeinträchtigten.Die Ehrenmitgliedschaft im Südmährischen Kulturausschuss (1983) und die Ernennung zum Ehrenkulturbeauftragten (1988) waren Ausdruck des Dankes und der hohen Wertschätzung. Sein Rat und seine Mitarbeit wurden immer noch gerne und dankbar angenommen.

HerbertWessely blieb zeitlebens Südmährer, obgleich er von 1929 bis 1948 familien- und berufsbedingt – er arbeitete als Mustermacher und Medailleur – im nordböhmischen Isergebirge lebte. Als Spezialist wurde er mit seiner Frau und zwei Kindern von den Tschechen bis 1948 in der Unfreiheit festgehalten. Der berufliche Neubeginn in Karlsruhe und das Wieder-Sesshaftwerden ließen die Verbindung zu vertriebenen Südmährern und damit zu den Wurzeln wieder aufblühen, ohne dabei den Isergebirgs-Lebensabschnitt zu verdrängen.

Seine Kindheits- und Jugenderinnerungen waren lebendig geblieben: Die Kriegsjahre 1914/18, die Besetzung Znaims durch die Tschechen, die Verdrängung der Deutschen aus Ämtern und vielen Berufen, wobei der Vater seine Stellung verlor, mit der Konsequenz, dass die Kinder nicht mehr die ihrer Begabung und Intelligenz adäquate Schulbildung erfahren konnten; herausragend auch das Gemeinschaftserlebnis bei den „Wandervögeln“, das die häusliche Not mildern half.

Was er vor 1948 an Gedichten, Erzählungen, Zeichnungen, Bildern und Kompositionen geschaffen hatte, war fast restlos verloren gegangen. Ungebrochen waren die schöpferischen Gaben geblieben, mit denen er beim Eintritt ins Leben beschenkt worden war, die Liebe zu den Künsten, der Fleiß und der innere Drang, sich zu vervollkommnen. Schon als 15-Jähriger hatte er Laienspiele in der Art des Nürnberger Meistersingers HansSachs geschrieben, aber auch ernste, der bedrückenden Zeit gemäße Volksspiele mit romantischen Idealfiguren. Mit seinen Zeichnungen eiferte er seinem Vorbild AlbrechtDürer nach und begann auch zu malen. Seine musikalische Begabung brachte Lieder mit eigenen Texten und Weisen hervor. Zum 70.Geburtstag sollte WidmarHader ein Liedheft mit elf seiner Frühwerke herausgeben. Nun, nach 1948, konnte sich die aufgestaute dichterische und künstlerische Schaffenskraft entfalten: Die Liste der Veröffentlichungen, der Dichtungen, der Rundfunk-Hörbilder, der Anthologie-Beiträge wuchs beständig. Exemplarisch herausgehoben seien hier nur die KantatentexteDer Wassermann von der Thaya und Der Znaimer Keltertanz, die er für die Südmährische Sing- und Spielschar und für die südmährische Heimat schrieb.

Viele kulturtragende Vereinigungen verdanken HerbertWessely ihr Entstehen und sein aktives Mitwirken. Er war Mitbegründer der Südmährischen Sing- und Spielschar (1952), der Charles-Sealsfield-Gesellschaft (1964), deren Vorsitzender er 1985 bis 1994 war, der Vereinigungostdeutscher Dichter, Marburger Kreis (1956), der Ferdinand-Staeger-Gesellschaft, der Walther-Hensel-Gesellschaft; auch der Gustav-Leutelt-Gesellschaft war er lange aktiv zugetan.

Nach kurzer schwerer Krankheit starb HerbertWessely am 12. März 1998, fünf Monate vor Vollendung des 90. Lebensjahres.

Werke:Suchen und Bekennen. Gedichte, München 1955. – Der Sensenschmied. Ein Mahnspiel, München 1956. – Mährische Ballade. Erzählungen und Gedichte, München 1957. – Schmaler Pfad. Gedichte und kleine Prosa, München 1958. – Im Schilf des Maises. Gedichte, Marburger Bogendrucke 1966. – Kindheit an der Thaya. Heitere Erzählungen, München 1966. – Gläserne Erinnerung. Erzählungen und Gedichte aus dem Isergebirge, 1968. – Wanderung. Gedichte und Prosa, 1968. – Weihnachtlicher Baum. Erzählungen und Gedichte. DJO-Weihnachtsbrief, 1973. – Mystischer Realismus. Ferdinand-Staeger-Monographie, 1975. – Passion und Weihnacht. Erzählungen. Weihnachtsbrief der DJO 1976. – Eisvogel und Sperling. Gedichte, 1977. – Das Radfahren. Erzählungen, Marburger Bogendrucke 1980. – Südmährische Reise. Erinnerungen zu Bildern von Thomas Zach, 1979. – Der Turmsegler. Erzählung, Marburger Bogendrucke 1980. – HubertRösler – Leben und Werk, 1984. – FerdinandStaeger – Gedenkschrift, 1987. – Der Greif. Erzählungen, Marburger Bogendrucke 1987. – 40 Jahre Sudetendeutsche Landsmannschaft Karlsruhe, 1990. – Nur Masken. Erzählungen, Marburger Bogendrucke 1992. – Das Znaimer Gesicht. Erzählung, 1994. – Die Knaben und Gott. Erzählungen, 1994. – Weihnachtlicher Baum. Jahresgabe der Walther-Hensel-Gesellschaft 1994.

Dramatische Dichtungen: Im Malter der Not. Sudetendeutsches Trauerspiel, Manuskript 1936. – Ramphold Gorenz, der Held von Brüx, Manuskript 1952. – Weihnachtsspiel, Manuskript 1958. – Die Termiten. Zeitgemäßes Mahnspiel, Manuskript 1965. – Eulenspiegel in Hall. Kindersingspiel, Musik von HelmutMaschke, 1983. – Diogenes sucht Menschen und Götter. Tragikomödie, Manuskript 1983/85.

Kantatentexte: Baut neu den Dom. Kantate Komponist: HerbertSchröter, 1958. –Unser Weg. Komponist: Widmar Hader. Aus Anlaß des 10jährigen Gründungsjubiläums der Südmährischen Sing- und Spielschar. 1962. – Lebenskreis-Kantate. Komponist: Fritz Jeßler. 1970. – Der Wassermann von der Thaya. Komponist: Widmar Hader. 1972. – Der Znaimer Keltertanz. Komponist: Widmar Hader. 1972.

Hörbilder für den Rundfunk: Südmähren. Bild einer Landschaft. Süddeutscher Rundfunk [SDR] 1959. – Der Böhmerwald. Landschaftsbild. SDR 1960. – Das Egerland. Bild einer Landschaft. SDR 1961. – Das Saazer Land – Gestern und heute. SDR 1961. – Ostböhmen. Ein Landschaftsbild. SDR 1961. – Ein südmährischer Tag. SDR 1961 (Wiederholungen im WDR, HR, Saarl. Rdf.) . – Der Schönhengstgau. Bild einer Landschaft. SDR 1961. – Die Bischofsstadt Olmütz – Im Wandel der Zeiten. SDR 1962. – Die Zips. Bild einer Sprachinsel. SDR 1962. – Die Brünner Sprachinsel – Im Wandel der Zeiten. SDR 1962. – Frühling im Elbtal. Bild einer Landschaft. SDR 1962. – Die böhmische Landschaft in den Werken von Caspar David Friedrich. SDR 1963. – Vom Altvater zur Lissa Hora. Zwischen Gesenke und Beskiden. SDR 1964. – Karl Bacher – Ein Mundartdichter. Mit Chören der Südmährischen Sing- und Spielschar. SDR 1964. – Böhmisches Glas. Von alten Glashütten und Glasbläsern. SDR 1964. – Peter Parler, Baumeister Karls IV. SDR 1965. – Die Wischauer Sprachinsel. Gesicht und Geschick einer Sprachinsel. SDR 1965. – Pressburg. Geschichte und Gegenwart der Donaustadt. SDR 1965. – Wieder einmal ausgeflogen. Spielscharen der DJO im Ausland. SDR 1968. – Heimat Südmähren – Sitte und Brauch. Zwiegespräch. SDR 1986

Herausgeberschaft: Wege der Liebe. Erzählungen und Gedichte aus dem Nachlaß von Ilse Ringler-Kellner. München 1963. – Brücken und Zeichen. Lyrik-Anthologie des Marburger Kreises. Augsburg 1963. – Südmährisches Jahrbuch, Jahrg. 14 (1965) – 22 (1973), . – Südmähren – Antlitz einer deutschen Landschaft. Bildband. 1. Aufl. 1967, 2. Aufl. 1986, 3. Aufl. 1990. – Rolf-Nitsch-Gedenkbuch, 1988. – Walther-Sturm-Gedenkbuch, 1992

Beiträge in Anthologien u.a.: Sudetendeutsches Lyrikbuch. Herausgegeben von A.Schmidt, 1939. – Grosse Sudetendeutsche. Herausgegeben von Josef Schneider, 1962/1970. – Leuchtender Bogen. Herausgegeben von Erhard Josef Knobloch . – Erbe und Auftrag. Herausgegeben von der Künstlergilde, o.J. – Sudetendeutsches Weihnachtsbuch. München 1964. – Du Land meiner Kindheit. München 1966. – Die Kehrseite des Mondes. München 1975. – Begegnungen und Erkundungen. München 1982.

Mitarbeit an zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften, u.a.: Südmährisches Jahrbuch, Sudetenland, Sudetendeutsche Zeitung/Volksbote, Der Pfeil, Der Greif, Stimmen der Heimat, Schwädds (Mundartzeitschrift).

Preise und Auszeichnungen: Literarische Preise als Soldat 1940 und 1943. – Lyrikpreis des Adalbert Stifter-Preises 1941. – Rudolf-von-Lodgman-Medaille 1958. – Literaturpreis der Stadt Karlsruhe 1960. – Sudetendeutscher Kulturpreis für Schrifttum 1961. – Südmährischer Kulturpreis 1973. – Adalbert-Stifter-Medaille 1978. – Großes Goldenes Ehrenzeichen des Südmährischen Landschaftsrates 1978. – Gedenkmedaille der Stadt Esslingen 1983. – Bundesverdienstkreuz 1.Klasse 1988. – Pro-arte-Medaille der Künstlergilde 1988. – Ehrenzeichen der DJO – Deutsche Jugend in Europa 1992.

Ehrenmitgliedschaften: Deutsche Jugend des Ostens 1958. – Südmährischer Kulturausschuß 1983, Ehrenkulturbeauftragter 1988. – Charles-Sealsfield-Gesellschaft 1993, Ehrenvorsitzender 1994. – Ferdinand-Staeger-Gesellschaft 1977.

Walfried Blaschka