Biographie

Wettel, Franz Julius

Herkunft: Banat
Beruf: Verleger, Lokalhistoriker
* 24. Februar 1854 in Werschetz/Banat
† 5. August 1938 in Temeschburg/Banat

Franz J. Wettel gehört zu jenen herausragenden Persönlichkeiten, die im geistigen und kulturellen Leben der Donauschwaben deutliche Spuren hinterlassen und die Geschichte dieses Neustammes nachhaltig mitgeprägt haben. Wie seine führenden Mitstreiter im Vorkriegsungarn trat er offen und rückhaltlos für den Erhalt des deutschen Volkstums und für die Pflege der Muttersprache ein, was ihm eine übermächtige und intolerante Staatsgewalt sehr verübelte. Mit dem größten donauschwäbischen Schriftsteller, Adam Müller-Guttenbrunn (1852-1923), dem „Erzschwaben“ und geistigen Wiedererwecker der Südostschwaben, verband ihn ebenso jahrzehntelange Freundschaft wie mit dem fünfzehn Jahre älteren Vorkämpfer gegen die Madjarisierungsbestrebungen seitens des ungarischen Staates, Edmund Steinacker (1839-1929). Zusammen mit Steinacker gehörte Wettel zu den Gründern der „Ungarländischen Deutschen Volks-Partei“ (UDVP), die am 30. Dezember 1906 in Werschetz ins Leben gerufen wurde. War Wettel den madjarischen Behörden wegen des Eintretens in seinen zahlreichen Regionalzeitungen für die an sich verbrieften Rechte der Minderheiten seit langem schon suspekt, so wurde er hinfort bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, gleich den anderen führenden Vertretern der deutschen Volksgruppe, als „Pangermane“ angeprangert und verfolgt. Natürlich war auch die UDVP von allem Anfang an massivem behördlichem Druck ausgesetzt.

Der berufliche Werdegang Wettels zeugt von großer Aktivität und weitgefächerten Interessen. Er hatte zunächst, von 1860-1868, die Volks- und Realschule in seiner Geburtsstadt Werschetz besucht und dann eine vierjährige Kaufmannslehre durchgemacht. Anschließend begab er sich von 1871-1876 auf „Wanderschaft“. Diese Wanderjahre führten ihn nach Ofenpest und Wien, wo er sich zum Buchhändler ausbilden ließ, nebenher Harmonielehre studierte und sich Kenntnisse im Violin- und Orgelspiel aneignete. Seine weiteren Wanderungen führten ihn durch weite Teile Deutschlands und der Schweiz. Nach seiner Rückkehr eröffnete er in Werschetz einen Buch- und Musikalienladen, dem er 1880 eine Druckerei anschloß. Bald darauf erwarb er eine größere Buchhandlung in der Banater Hauptstadt Temeschburg. Wie erfolgreich seine kaufmännische Tätigkeit gewesen sein muß, geht daraus hervor, daß er bereits 1885 das Gut Blaschowa kaufte, dessen Fläche er auf rund 300 Hektar Land erweiterte. Dieser Besitz wurde nach dem Anschluß des Ost- und Mittelbanates an Rumänien  im Vertrag zu Trianon und Sèvres, 1920, im Zuge der rumänischen Agrarreform fast vollständig enteignet. Auf diesem Gut hatte Wettel mit seiner Familie fünfzehn Jahre gelebt, bis er sich von 1902-1907 in Busiasch niederließ und anschließend nach Temeschburg zurückkehrte und dort 1910 die Südungarische Buchdruckerei erwarb.

Trotz der zahlreichen Unternehmungen Wettels und seines mutigen Einsatzes für die Belange seiner hart bedrängten Volksgruppe war seinem Wesen jedwede Hektik fern, und er bevorzugte im Grunde die stille Arbeit eines Schriftstellers und Forschers, fernab des lauten Getümmel des Alltags. Als nach Beendigung des Ersten Weltkrieges – zumindest in dem zu Rumänien gelangten Teil des Banates – der Kampf um die Erhaltung des Volkstums vorerst als beendet gelten konnte, zog sich Wettel in die Abgeschiedenheit zurück und widmete sich vorwiegend seinen Studien. Bis dahin hatte er sich, die Notwendigkeit seiner Aufgabe erkennend, mit  ganzer Kraft dem ungarländischen Deutschtum zur Verfügung gestellt. Da der für die Weiterführung des Verlags vorgesehene Sohn Helmut (1890-1916) an der Front in Italien gefallen war, zog sich Wettel auch als Zeitungsverleger zurück und betätigte sich hauptsächlich noch als Herausgeber der „Deutschbanater Volksbücher“, deren Zahl zwischen 1913 und 1936 ganze 60 Bände umfaßte. In Anerkennung seiner hohen Verdienste wurde Wettel nach dem Kriege von der „Vereinigung Schwäbischer Hochschüler in Wien“ und dem „Bund Südostschwäbischer Hochschüler“ zum Ehrenmitglied gewählt. Der Deutsch-schwäbische Volksrat, die Vertretungskörperschaft der deutschen Volksgemeinschaft im Banat, wählte Franz Wettel 1926 in Würdigung seiner hervorragenden Leistungen für die Gemeinschaft zum Ehrenmitglied auf Lebenszeit. Am 29. Mai 1936 wurde dem 82jährigen Forscher die Silbermedaille der Deutschen Akademie zu München in einer Festveranstaltung des Banater Deutschen Kulturvereins, dessen Ehrenvorsitzender er war, in Temeschburg feierlich überreicht. Im gleichen Jahr vermachte Franz Wettel seine umfangreiche Bibliothek in Form einer Stiftung der „Banatia“, dem größten deutschen Schulzentrum in Südosteuropa. Über den Verbleib dieser wertvollen Sammlung ist nach der Besetzung Temeschburgs durch die Russen im Herbst 1944 nichts Näheres bekannt.

Werke (Auswahl): Biographische Skizzen. Beiträge zur Geschichte des Temeser Banats, 1908; Biographische Skizzen, 1918; dto. Karl von Sonklar, 1931; dto. Beiträge zur Gesch. des Banats, 1932; Sechs Lyriker … (Lenau, Milow u.a.), 1913; Geschichte des Banates im Altertum und Mittelalter, 1927. Erscheinungsort stets Temeschburg. Gesamtübersicht s. Dr. A. P. Petri in: Festschrift für Fr. Lotz.)

Lit. (Auswahl): Anton P. Petri in: Festschrift für Friedrich Lotz, München 1962; ders. in: Kurzbiographien deutschbewußter Männer im ungeteilten Banat, München 1979; Anton Valentin in: Banater Monatshefte 1933/34, H. 6; Ingomar Senz in: Die nationale Bewegung der ungarländischen Deutschen vor dem Ersten Weltkrieg, München 1977; Walter Engel in: Deutsche Literatur im Banat (1840-1939), Heidelberg 1582; Martha Petri: Das Schrifttum der Südostschwaben und seine Entwicklung von den Anfängen bis zur Gegenwart, Berlin 1940.