Biographie

Wildmann, Georg

Herkunft: Donaugebiet
Beruf: Theologe, Philosoph, Schriftsteller, Historiker
* 29. Mai 1929 in Filopowa/ Batschka
† 9. April 2022 in Linz/ Österreich

Georg Wildmann war der älteste Sohn des Kaufmanns Karl Wildmann und dessen Ehefrau Anna, geborene König. In der rein deutschen Batschka-Gemeinde Filipowa, damals Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, besuchte er vier Jahre die Volksschule, danach von 1940 bis 1944 die ersten vier Gymnasialklassen am Deutschen Gymnasium in Werbass. Im November 1944 wurde er als Zwangsarbeiter interniert. Ab März 1945 verbrachte er 14 Monate in Arbeitslagern, darunter auch kurze Zeit in dem berüchtigten Vernichtungslager Gakowa. Im August 1946 gelang ihm die Flucht nach Ungarn und im Dezember 1946 nach Österreich.

In Linz wurde er sesshaft, absolvierte dort das Realgymnasium und studierte an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom sowie an der Universität Salzburg Theologie, Philosophie und Pädagogik. 1953 erreichte er das Licentiat in Philosophie und 1957 in Theologie, 1959 promovierte er mit einem Thema über die katholische Soziallehre, die philosophisch-theologische Grund­legung des Solidarismus, und wurde nach anfänglichen Seelsorgediensten Oberstudienrat hauptsächlich als Religions- und Philosophielehrer an höheren Schulen, so am Bischöflichen Gymnasium ‚Petrinum‘ in Linz. Häufig war er auch Vortra-gender in der Erwachsenenbildung im ‚Katholischen Bildungswerk‘, im ‚Bildungshaus Puchberg‘ bei Wels, beim ‚Katholischen Akademikerverband‘ und bei der ‚Katholischen Hochschuljugend‘. Im Rundfunk sprach er zur sonntäglichen ‚geistlichen Stunde‘. 1971 wurde er ordentlicher Professor für Philosophie an der Philosophisch-theologischen Hochschule der Diözese Linz und las über Logik, Wissenschaftstheorie, Sprachphilosophie und Ethik. Zu gleicher Zeit leitete er während der Linzer Diözesansynode die Kommission ‚Die Kirche in der Gesellschaft‘. Er war auch in der öffentlichen Diskussion zur Abtreibungsfrage Sprecher bei den Großveranstaltungen der ‚Aktion Leben‘ in Linz und Salzburg. War Wildmann 1956 in Rom zum Priester geweiht worden, so wurde ihm im Herbst 1974 von Papst Paul VI. der Dispens vom Priesteramt gewährt. Seit dieser Zeit betätigte er sich wieder als Lehrer für Philosophie und Religion am Oberstufenrealgymnasium in Linz, dann in Linz-Urfahr, wo er seine aktive Berufslaufbahn als provisorischer Leiter des ORG im Schuljahr 1988/89 beschloss. Ab 1975 beschäftigte er sich mit der Geschichte und Kultur der Donauschwaben und hielt zahlreiche Vorträge bei donauschwäbischen Kultur- und Gedenktagen vor allem in Salzburg, Wien, München, Dinkelsbühl, Sindelfingen, Stuttgart-Hohenheim, Berlin, Leutenbach, Speyer, Linz, Wels, Pasching, Leonding und Marchtrenk.

1961 war Wildmann einer der Mitbegründer des Vereins der Filipowaer Ortsgemeinschaft in Österreich, dessen Kulturreferat er von 1982 bis 2016 versah. Darüber hinaus war er Mitinitiator der 1983 gegründeten, länderübergreifenden Hauptversammlung Arbeitsgemeinschaft der Filipowaer (ARGE-Filipowa). Von 1966 bis 2016 redigierte er die ‚Filipowaer Heimatbriefe‘. Seit 1982 war Wildmann Mitglied der Vertreter-Versammlung der Münchner Donauschwäbischen Kulturstiftung. Von 1989 bis 2009 war er ihr Vorstandsmitglied sowie Mitarbeiter im ‚Arbeitskreis Heimat- und Volksforschung‘. Seit 1983 war er Mitglied der ‚Donauschwäbischen Landsmannschaft in Oberösterreich‘ und seit 1999 Stellvertreter des Obmanns. Zwischen 1995 und 2008 arbeitete er dort mit dem Kulturreferenten Oskar Feldtänzer zusammen und wurde dessen Nachfolger im Amt.

Von 2011 bis 2016 war er Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der ‚Stiftung Donauschwäbisches Zentralmuseum‘ in Ulm. 2004 wurde er von der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, in den Wissenschaftlichen Beirat des Zentrums gegen Vertreibungen in Berlin berufen, dessen Mitglied er bis 2010 war. Von 1996 bis 2019 war er Mitglied in der Vertreter-Versammlung der ‚Donauschwäbischen Arbeitsgemeinschaft‘ (DAG). 1996 war Wildmann zusammen mit Leopold Fink und Fritz Frank Hauptautor der Festschrift zur Eröffnung des Hauses der Heimat in Wien. Von 2002 bis 2005 war er Mitglied des ‚Internen Wissenschaftlichen Beirates‘ (IWB) des ‚Felix-Ermacora-Instituts‘, einer Forschungsstätte für die Völker der Donaumonarchie in Wien.

Zusammen mit Paul Mesli und Franz Schreiber schuf er zwischen 1978 und 1999 eine achtbändige Text- und Bilddokumentation ‚Filipowa – Bild einer Donauschwäbischen Gemeinde‘, ein Nachschlagewerk über das Werden, Aufblühen und Vergehen sowie den Neuanfang der Gemeinde Filipowa nach der Vertreibung mit Geschichtsdarstellung, Bilddokumentation und Strukturanalyse. Es ist ein Werk von knapp 2.000 Seiten, wie es keine andere donauschwäbische Gemeinde und wohl auch kein vergleichbarer deutscher Ort aufzuweisen hat. Wildmann ist Autor und Koautor einer Reihe von weiteren Werken der donauschwäbischen Geschichtsschreibung. Sein Durchbruch als Historiker kam mit seiner Mitarbeit im Rahmen der Donauschwäbischen Kulturstiftung am dem vierbändigen, in den Jahren 1990 bis 1995 erstellten Werk ‚Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien‘ (ca. 4.000 Seiten). Er ist Hauptautor des zusammenfassenden Buches ‚Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944-1948. Die Stationen eines Völkermords‘. Das 1998 in München erschienene Kompendium erlebte bis 2012 fünf Auflagen mit insgesamt 28.000 Exemplaren, für donauschwäbische Verhältnisse ein Bestseller. Ein weiterer Schwerpunkt seines von Mitarbeitern begleiteten langjährigen Schaffens bestand seit 1983 in der Abfassung und der Herausgabe einer fünfbändigen ‚Donauschwäbischen Geschichte‘ auf wissenschaftlicher Grundlage im Verlag der Donauschwäbischen Kulturstiftung, München. Er war Hauptredakteur des 2010 erschienenen Bandes III ‚Die Tragödie der Selbstbehauptung im Wirkfeld des Nationalismus der Nachfolgestaaten 1918-1944‘ und des 2015 erschienenen Bandes IV ‚Flucht – Vertreibung – Verfolgung – Genozid. Der Leidensweg ab 1944‘. Seit 2016 arbeitete Wildmann an Band V, ‚Eingliederung in die neuen Heimatländer 1944-2020. Teilband Österreich‘. München 2021. Als weitere Werke müssen hervorgehoben werden: Sebastian Leicht: ‚Der Weg der Donauschwaben. Graphischer Zyklus mit Texten von Georg Wildmann‘, Passau 1983; Georg und Erika Wildmann: ‚Josef Elter. Bildhauer‘, Wien/ Traunstein in NÖ 2007.

Mit seiner Ehefrau Erika (geb. Wendtner in Český Dub, Tschechoslowakei) organisierte er die alle drei Jahre stattfindenden ‚Erinnerungstage der Heimatvertriebenen Oberösterreichs‘.

Dr. Georg Wildmann, dem führenden Historiker der Donauschwaben, für den der Verlust der Erinnerung und das Vergessen eine zweite Vertreibung bedeuteten und den man für sein erfolgreiches Bemühen, dies zu verhindern, als einen der bedeutendsten Donauschwaben der Nachkriegszeit bezeichnet hat (A. Ellmer), wurden zahlreiche Preise und Würdigungen zuerkannt, u.a. erhielt er 2009 das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, 1989 den Donauschwäbischen Kulturpreis des Landes Baden-Württemberg und im selben Jahr das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Georg Wildmann übereignete am 28. Mai 2018 in Marchtrenk mehr als 500 Bücher zur Vertreibung und Integration der Donauschwaben und seine wissenschaftlichen Unterlagen und Archivalien an die ‚Donauschwäbische Bibliothek & Archiv Dr. Georg Wildmann‘. Er starb am 9. April 2022 in Linz.

Werke: Dissertation: Personalismus, Solidarismus und Gesellschaft. – der ethische und ontologische Grundcharakter der Gesellschaftslehre der Kirche. Herder, Wien 1961, 224 S. – Die Donauschwaben im Wandel der Zeit: dreißig Jahre nach der Vertreibung. A.-K.-Gauss-Stiftung, 1975, 24 S. – Entwicklung und Erbe des donauschwäbischen Volksstammes: Festschrift für Josef Volkmar Senz zum 70. Geburtstag. Band 10 der Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Donauschwäbischer Lehrer. Arbeitskreis für Donauschwäbische Heimat- und Volksforschung, 1982, 463 S. – Textautor der acht Bände: Paul Mesli/ Franz Schreiber/ Georg Wildmann: Filipowa – Bild einer donauschwäbischen Gemeinde, Wien 1978-1999, ca. 2000 S. – Georg Piller – Ein Leben zwischen Verlust und Gewinn/ A Life between Loss and Gain, Linz und Kitchener, 164 S. – Genocid nad nemačkom manjinom u Jugoslavii 1944-1948, Beograd 2004. – Ortsberichte über die Verbrechen an den Deutschen durch das Tito-Regime in der Zeit von 1944-1948. Mit Josef Beer et al., Band I von Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien. Donauschwäbisches Archiv, Verlag der Donauschwäbischen Kulturstiftung, München 1992, 984 S. – Mitautor in: Arbeitskreis Dokumentation der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Stiftung des privaten Rechts, München: Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien, 4 Bände zu je rund 1000 S. – Hauptautor Band III: Erschießungen – Vernichtungslager – Kinderschicksale in der Zeit 1944-1948. Verlag der Donauschwäbischen Kulturstiftung, München/ Sindelfingen 1995, 992 S. – Vernichtungslager im kommunistischen Jugoslawien 1944-1948: Ausstellung zum 50-Jahr-Gedenken ihrer Auflösung, 20. September 1998 bis 11. Oktober 1998, Haus der Heimat, Steingasse 25, 1030 Wien. Donauschwäbische Arbeitsgemeinschaft Österreichs, 1998, 25 S. – Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944-1948: die Stationen eines Völkermords. Mit Hans Sonnleitner, Karl Weber, Leopold Barwich. Verlag der Donauschwäbischen Kulturstiftung, 1998, 358 S. – Genocide of the Ethnic Germans in Yugoslavia, 1944-1948. Documentation Projekt Committee unter Herbert Prokle u. a. Arbeitskreis Dokumentation, München 2003. Danube Swabian Association of the U.S.A., U.S.A., 2001. Die Serbische Übersetzung erschien 2004. – Donauschwäbische Geschichte. Das Jahrhundert der Ansiedlung: 1689-1805. Mit Oskar Feldtänzer. Donauschwäbisches Archiv, Verlag der Donauschwäbischen Kulturstiftung, München 2006, 548 S. – Josef Elter – Kunstbildband über den donauschwäbischen Bildhauer Josef Elter unter Mitarbeit von Erika Wildmann, Linz 2007, 231 S. – Band III: Die Tragödie der Selbstbehauptung im Wirkfeld des Nationalismus der Nachfolgestaaten 1918-1944 (Verfasser der Teile über die Donauschwaben in Rumänien und Jugoslawien), München 2010. – Filipowa – eine Erinnerung: Sondernummer der Filipowaer Heimatbriefe aus Anlass der Weihe der Gedächtnisstätte in Filipowa und der Segnung der Ahnentafel in Ulm 2008. Donauschwäbisches Archiv: Reihe 3, Beiträge zur donauschwäbischen Volks- und Heimatforschung. Donauschwäbische Kulturstiftung, München 2010, 218 S. – Gedenkstätte auf dem Gräberfeld. Den Opfern der Blutnacht vom 25. November 1944 – Sondernummer der Filipowaer Heimatbriefe, Linz-Wien 2011. – Band IV: Flucht – Vertreibung – Verfolgung – Genozid. Leidensweg ab 1944 (Verfasser des Teils über die Donauschwaben Jugoslawiens). München 2015. – Die Donauschwaben in Geschichte und Gegenwart. Eine Information in Wort und Bild – Eigenverlag, Hrsg. Landsmannschaft der Donauschwaben in Oberösterreich, Marchtrenk 2016 – Band V: Eingliederung in die neuen Heimatländer 1944-2020. Teilband Österreich. München 2021.

Lit.: Dr. Georg Wildmann, in: Paul Mesli/ Franz Schreiber/ Georg Wildmann: Filipowa. Bild einer donauschwäbischen Gemeinde. Siebenter Band: Filipowa weltweit, Wien 1992, S. 110. – https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Wildmann. – Historiker Dr. Georg Wildmann im Gespräch mit Maria K. Zugmann, in: Mitteilungen der Landsmannschaft der Donauschwaben in Oberösterreich, 2020 Nr. 3, S. 2.

Bild: Archiv Freundeskreis der Filipowaer

Stefan P. Teppert