Biographie

Willkomm, Heinrich Moritz

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Botaniker, Reiseschriftsteller
* 29. Juni 1821 in Herwigsdorf/ Sachsen
† 26. August 1895 in Schloss Wartenburg bei Niemes/ Böhmen

Moritz Willkomm stammt aus der sächsischen Oberlausitz. Wegen burschenschaftlicher Aktivitäten während seiner Leipziger Studienzeit von der Universität zeitweilig relegiert, fand er sein wichtigstes Forschungsthema bei einem mehrjährigen Aufenthalt in Spanien. Nach Leipzig zurückgekehrt, wurde er promoviert und konnte sich anschließend für Botanik habilitieren. Sein beruflicher Weg führte ihn von Leipzig über die Forstakademie in Tharandt und die Universität im damals russischen Dorpat (heute Tartu, Estland) schließlich an die Prager Universität, wo er über 20 Jahre als Ordinarius für Botanik und zeitweilig auch als deren Rektor wirkte. Auch nach dem Eintritt in den Ruhestand blieb er bis an sein Lebensende in Böhmen, nicht zuletzt, um sich weiter mit der Flora des Landes befassen zu können. Neben zahlreichen botanischen Veröffentlichungen einschließlich kompletter Floren verfasste er auch ausführliche, noch heute gut lesbare Reise- und Gebietsbeschreibungen, sowie populäre Schriften.

Heinrich Moritz Willkomm (in seinen Publikationen nennt er sich stets nur Moritz Willkomm) wurde am 29. Juni 1821 in (Mittel-)Herwigsdorf unweit der Stadt Zittau als jüngster Sohn des dortigen Pfarrers Karl Gottlob Willkomm (1776-1849) und seiner Ehefrau Amalia Tugendreich geb. Bergmann geboren. Seinen ersten Unterricht erhielt er von seinem Vater, der ihn so gut vorbereitete, dass er von 1833 bis 1841 das Zittauer Gymnasium besuchen konnte. Schon als Schüler entwickelte er ein starkes Interesse an der Pflanzenwelt und unternahm in den Ferien Exkursionen, die ihn bis ins Riesengebirge führten. Dabei lernte er den pensionierten Major und Privatgelehrten Julius von Flotow (1788-1856) kennen, der ein bedeutender Botaniker (besonders Flechtenkenner) war und den wissbegierigen Schüler unterstützte. Nach dem 1841 abgelegten Abitur ging er zum Studium der Medizin und Naturwissenschaften nach Leipzig. Die Medizin wählte er, da es damals die einzige Möglichkeit war, Botanik als Teil der medizinischen Ausbildung zu studieren. Dabei entwickelte er sein besonderes Interesse für Botanik weiter und kam in Kontakt zum damaligen Botanikprofessor Gustav Kunze (1793-1851), dessen Assistent er wurde. 1844 legte er das medizinische Baccalaureat ab.

In Leipzig hatte Willkomm sich an Aktivitäten zur Wiedergründung der durch die Karlsbader Beschlüsse von 1819 verbotenen Burschenschaften beteiligt, die der Polizei bekannt wurden. Er musste daher die Universität verlassen. Auf Empfehlung von Professor Kunze und mit dessen Unterstützung ging er in das botanisch noch wenig erforschte Spanien, das er von April 1844 bis Mai 1846 bereiste, wobei er umfangreiche Pflanzensammlungen anlegte. Der Verkauf gesammelter Naturobjekte diente dabei gleichzeitig der Finanzierung seines Aufenthalts. Damit hatte Willkomm sein wichtigstes Forschungsthema gefunden, dem er bis an sein Lebensende verbunden blieb, so dass noch heute der Name Willkomm vor allem mit der Erforschung der Flora der Iberischen Halbinsel und der Balearen verbunden ist. In Spanien ist er in botanischen Kreisen noch immer hochgeachtet, was nicht zuletzt in ihm gewidmeten Ausstellungen (Madrid 2010, Barcelona 2021) und biographischen Veröffentlichungen (Devesa & Viera 2001) zum Ausdruck kommt. Nach Deutschland zurückgekehrt, konnte Willkomm sein Studium in Leipzig fortsetzen und mit der Promotion zum Dr. phil. 1850 beenden. Die zugrundeliegende Dissertation war eine monographische Bearbeitung der Familie der Kugelblumengewächse (Globulariaceae), die ihren Verbreitungsschwerpunkt im Mittelmeergebiet hat. Zuvor hatte er aber bereits 1847 eine dreibändige Beschreibung seiner Reisen in Spanien und Portugal veröffentlicht, die 1856 in einer zweiten Auflage erschien. Als erfolgreicher Schriftsteller betätigte sich auch sein Bruder Ernst Adolf Willkomm (1810-1886) und schon der Vater hatte als Pastor mehrere Schriften veröffentlicht.

1850/51 unternahm Moritz Willkomm eine zweite neunmonatige Spanienreise, die eigentlich noch länger dauern sollte. Das Ausbleiben zunächst zugesagter Subskriptionen auf die zu sammelnden Pflanzen erzwang die vorzeitige Rückkehr. Wieder in Leipzig habilitierte sich Willkomm 1852 nun für das Fach Botanik mit einer Arbeit über die Strand- und Steppengebiete der Iberischen Halbinsel. Im gleichen Jahr erschien auch die zweibändige Reisebeschreibung Wanderungen durch die nordöstlichen und zentralen Provinzen Spaniens. Er blieb als Privatdozent in Leipzig und wurde dort 1855 außerordentlicher Professor und Kustos des Herbars. Während dieser Zeit in Leipzig erschienen weitere Bücher aus seiner Feder. Zu nennen ist besonders der erste Folioband mit Neubeschreibungen bisher unbekannter Pflanzen Icones et descriptiones plantarum novarum criticarum vel minus cognitarum Europae austro-orientalis, praecipue Hispaniae. Der zweite Band des Werkes erschien dann 1864. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass Willkomm auch die Zeichnungen für die meisten seiner Veröffentlichungen selbst entwarf oder anfertigte. Weitere Buchveröffentlichungen der Leipziger Jahre betreffen eine Anleitung zum Studium der Botanik und eine geographisch-statistische Monographie der Pyrenäenhalbinsel.

Noch im Jahr 1855 erhielt Moritz Willkomm den Ruf als Professor für organische Naturgeschichte an die Forstakademie in Tharandt. Hier blieb er bis 1867 und beschäftigte sich überwiegend mit forstbotanischen Fragen. Mehrere Veröffentlichungen in Buchform über Forstpflanzen und Forstschädlinge sind ein Ergebnis dieser Jahre. Moritz Willkomm wird deshalb neben Robert Hartig (1839-1901) auch als Mitbegründer der Forstpa­thologie angesehen. 1867 erfolgte die Aufnahme in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, der heutigen Nationalakademie. Von Tharandt aus unternahm er auch Forschungsreisen in die Alpen, nach Holland, Dänemark und Schweden.

1868 folgte Willkomm einem Ruf als Professor der Botanik und Direktor des botanischen Gartens an die Universität Dorpat. An der im heutigen Estland gelegenen ältesten Universität des Landes waren damals ganz überwiegend deutsche Professoren tätig. Estland war damals aber Teil des russischen Zarenreichs. Moritz Willkomm wurde hier 1869 zum kaiserlich russischen Staatsrat ernannt. Auch hier erforschte er seinen neuen Wirkungskreis botanisch und als Ergebnis erschienen 1872 seine Streifzüge durch die baltischen Provinzen. Im Untertitel nennt er das ca. 200 Seiten umfassende Werk Schilderungen von Land und Leuten mit besonderer Berücksichtigung der Wälder und der Forstwirtschaft. Ein Jahr später erschien in Buchform seine Beschreibung der Dorpater Gartens, seiner Geschichte und seiner Sammlungen. 1872 erkrankte er jedoch schwer und verbrachte daher den Winter 1872/73 in Deutschland. Gesundheitlich wieder erholt, trat er im Frühjahr 1873 seine dritte Reise in das klimatisch günstigere Spanien und auf die Balearen an. Als er im Spätsommer 1873 nach Dorpat zurückkam, um seinen Dienst wieder aufzunehmen, fand er die ehrenvolle Berufung an die Karlsuniversität in Prag vor. Im Gefolge der dritten Spanienreise erschien neben rein wissenschaftlichen Arbeiten wiederum eine Reisebeschreibung unter dem Titel Spanien und die Balearen.

1874 folgte er dem Ruf aus Prag als Ordinarius für Botanik und wurde damit auch Direktor des botanischen Gartens, der sich damals noch im Stadtteil Smíchov nahe des linken Moldauufers befand. Wie nicht anders zu erwarten, entwickelte Willkomm auch in Prag neben seinen Lehrverpflichtungen und der notwendigen administrativen Aufgaben vielfältige Aktivitäten. So führte er die wissenschaftliche Bearbeitung der Flora der Pyrenäenhalbinsel fort, übernahm Herausgebertätigkeiten und unterstützte die Popularisierung biologischer Kenntnisse durch Vorträge und Veröffentlichungen. Letztere erschienen in weiter verbreiteten Zeitschriften (z.B. „Globus“ oder „Die Heimat“) aber auch in Buchform, so sein Waldbüchlein, ein Vademecum für Waldspaziergänger in zwei Auflagen (1879 und 1880). Schon 1878 erschien das Buch Der Böhmerwald und seine Umgebungen, als Handbuch für Reisende, welches auch Tourenvorschläge anhand von Karten unterbreitet. In den Ferien unternahm er von Prag aus Forschungsreisen in die Alpen, nach Holland und Nordwestfrankreich.

In die Zeit seiner Prager Professur fiel nun auch der sich verschärfende nationale und sprachliche Konflikt zwischen Tschechen und Deutschen. In dessen Folge wurde die alte 1348 gegründete Universität 1882 geteilt, so dass es nebeneinander die tschechische Karlsuniversität und die deutsche Karl-Ferdinands-Universität gab. Dabei schreckte man nicht vor der Idee zurück, den botanischen Garten aufzuteilen. Willkomm sah sich daher genötigt, in einer separaten Schrift die Unsinnigkeit eines solchen Vorhabens aufzuzeigen, das nur zusätzliche Kosten verursacht hätte. Während Willkomms Direktorenschaft kam es zu einer solchen Teilung auch nicht. 1887/88 wurde Moritz Willkomm zum Rektor der deutschen Karl-Ferdinands-Universität Prag gewählt.

Der Garten in Smíchov wurde aber mehrfach durch Hochwasser der Moldau überschwemmt und auch durch die zunehmende Bebauung und Industrialisierung der unmittelbaren Umgebung in Mitleidenschaft gezogen, so dass er nach Willkomms Emeritierung in die Prager Neustadt verlegt wurde. Hier kam es dann tatsächlich zur Teilung des Gartens durch eine Mauer, eine besondere Blüte des unheilvollen Nationalismus, der Tschechen und Deutsche spaltete.

Ein bedeutender Schüler und Assistent (ab 1884) bei Willkomm in Prag war der aus Böhmisch Leipa (Česká Lípa) stammende Viktor Ferdinand Schiffner (1862-1944), der später Professor für Systematische Botanik in Wien wurde.

1892 trat Willkomm, nachdem ihm eine über die damalige Altersgrenze von 70 Jahren hinausgehende einjährige Verlängerung genehmigt wurde, in den Ruhestand. Er blieb aber in Böhmen und nahm seinen Wohnsitz im damaligen östlichen Prager Vorort Königliche Weinberge (heute als Královské Vinohrady ein beliebter Stadtteil von Prag). Von hier aus war er weiterhin sowohl schriftstellerisch als auch botanisch aktiv tätig und besuchte 1893 das Riesengebirge, 1894 das Erzgebirge und 1895 das Böhmische Mittelgebirge. Während des Aufenthalts im Mittelgebirge erkrankte er und verstarb am 26. August 1895 auf Schloss Wartenberg bei Niemes in Böhmen (heute: Zamek Vartenberk bei Mimoň). Auf seinen Wunsch wurde er in seinem Geburtsort Herwigsdorf beerdigt, der nur reichlich 30 km nördlich von Schloss Wartenberg liegt.

Posthum erschien 1896 die umfangreiche Zusammenfassung seiner Forschungen auf der Iberischen Halbinsel als erster Band der Monographienreihe Die Vegetation der Erde unter dem Titel Grundzüge der Pflanzenverbreitung auf der iberischen Halbinsel. Das Manuskript dazu konnte er noch kurz vor seinem Tod abschließen.

Geehrt wurde Moritz Willkomm nicht nur durch die Wahl zum Rektor in Prag und durch die Mitgliedschaft in der Leopoldina, sowie mehrere Ehrenmitgliedschaften und Ordensverleihungen, sondern auch durch die Benennung einer Reihe von Pflanzen. Genannt seien hier nur die beiden Gräsergattungen Willkommia Hackel und Willbleibia Herter, sowie die Schleimpilzgattung Willkommlangea O. Kuntze.

Sein großes Blütenpflanzenherbar wurde an die Universität Coim­bra in Portugal verkauft, wo es sich auch heute noch befindet und in einem Video Comemoração do 200º aniversário do nascimento de Moritz Willkomm (https:// www.uc.pt/herbario_digital) vorgestellt wird.

Moritz Willkomm war seit 1854 verheiratet und hatte fünf Töchter und zwei Söhne.

Werke (Auswahl): Zwei Jahre in Spanien und Portugal. Reiseerinnerungen, Dresden & Leipzig: Arnold (1847), 3 Bde. – Wanderungen durch die centralen und östlichen Provinzen Spaniens, Leipzig: Arnold (1852), 2 Bde., 2. Aufl 1856. – Die Strand- und Steppengebiete der iberischen Halbinsel und deren Vegetation, Leipzig: F. Fleischer (1852). – Icones et descriptiones plantarum novarum criticarum v. rariorum Europae austrooccidentalis, praecipue Hispaniae, Leipzig: A. H. Paine (1852-1860), 2 Bde. – Anleitung zum Studium der Wissenschaftlichen Botanik nach den neuesten Forschungen, Leipzig: F. Fleischer (1854). – Die Halbinsel der Pyrenäen, eine geographisch-statistische Monographie, Leipzig: G. Mayer (1855). – Die Wunder des Mikroskops oder die Welt im kleinsten Raume, Leipzig: O. Spamer (1856), 4. Aufl. 1878. –  Deutschlands Laubhölzer im Winter, Dresden: G. Schönfeld (1859). –  Prodromus florae Hispanicae, Stuttgart: Schweitzerbart (1861-79), 3 Bde. mit J. Lange. –  Die mikroskopischen Feinde des Waldes, Dresden: G. Schönfeld (1866). – Streifzüge durch die baltischen Provinzen, Dorpat: W. Gläser (1872). –  Der botanische Garten der Kaiserlichen Universität Dorpat, Dorpat: C. Mathiesen (1873). – Spanien und die Balearen. Reiseerlebnisse und Naturschilderungen mit wissenschaftlichen Zusätzen und Erläuterungen, Berlin (1876). – Der Böhmerwald und seine Umgebungen. Ein Handbuch für Reisende, Prag: C. Bellmann (1878). – Waldbüchlein. Ein Vademecum für Waldspaziergänger, Leipzig & Heidelberg: C. F. Winter (1879), 2. Aufl. 1880. – Illustrationes florae Hispaniae insularumque Balearium, Stuttgart: Schweitzerbart (1880-1892), 2 Bde. – Der k. k. botanische Garten zu Prag und die čechische Universität, Wien: C. Gerold’s Sohn (1881). – Aus den Hochgebirgen von Granada. Naturschilderungen, Erlebnisse und Erinnerungen, Wien: C. Gerold’s Sohn (1882). – Grundzüge der Pflanzenverbreitung auf der iberischen Halbinsel. (Die Vegetation der Erde 1), Leipzig: W. Engelmann (1896).

Lit. (Auswahl): J. Freyn, Gallerie [sic] österreichischer Botaniker XXVII. Heinrich Moriz [sic] Willkomm, in: Österreichische Botanische Zeitschrift 32 (1882) S. 1-6. – A. Schott, Staatsrat Dr. Moritz Willkomm, in: Allgemeine Botanische Zeitschrift 1 (1895) S. 89-92. – L. Anderlind, Das Leben und Wirken Moritz Willkomm’s, in: Forstlich-Naturwissenschaftliche Zeitschrift 5 (1896) S. 89-95. – R. v. Wettstein, Nekrolog Heinrich Moritz Willkomm, in: Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft 14 (1896) S. 13-25. –  E. Wunschmann, Willkomm, Moritz, in: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB) 43. Leipzig: Duncker & Humblot (1898), S. 298-300. – V. Maiwald, Geschichte der Botanik in Böhmen, Wien & Leipzig: C. Fromme (1904). – F.A. Stafleu/ R.S. Cowan, Taxonomic literature 7 (1988), S. 336-346. – J.A. Devesa Alacaraz/ M.C. Viera Benitez, Viajes de un botánico sajón por la Península Ibérica. Heinrich Moritz Willkomm (1821-1895). Cáceres: Servicio de Publicaciones de la Universidad de Extremadura (2001).

Bild:  Archiv der Deutschen Nationalakademie Leopoldina in Halle/ S.

Peter Scholz