Biographie

Wischnewski, Hans-Jürgen

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Politiker
* 24. Juli 1922 in Allenstein
† 24. Februar 2005 in Köln

Beide Elternteile von Wischnewski kamen auch aus Ostpreußen: der Vater Emil Wischnewski wurde 1891 in Grünfließ Krs. Neidenburg geboren und verstarb 1956 in Berlin-Köpenick, die Mutter Margarete war eine geborene Tomuschat und kam 1890 in Sokolken Krs. Oletzko zur Welt. Sie starb 1979 in Köln. Der Vater war zunächst als Bergmann tätig, erhielt als Reichwehrangehöriger einen Zivilversorgungsschein und ging zum Zoll, zuletzt als Zollinspektor. Wegen der Versetzung des Vaters musste die Famlie 1927 von Allenstein nach Berlin umziehen, wo sie in Köpenick wohnte. Zur Familie von Wischnewski gehörte auch die jüngere Schwester Brigitte, die sich allerdings in der frühen Nachkriegszeit das Leben nahm. Wischnewski bezeichnete seine Kindheit und Jugend in der Familie selbst als zwar ärmlich, von Sparsamkeit und Strenge geprägt, jedoch als glücklich. In Köpenick machte er 1940 am Theodor-Körner-Gymnasium sein Abitur, musste dann aber sofort in den Reichsarbeitsdienst und nach Kriegsausbruch gegen die Sowjetunion Mitte 1941 zum Militär, eingesetzt in Russland, Rumänien und Ungarn. Bei Kriegsende 1945 bekleidete Wischnewski den Rang eines Oberleutnants der Reserve in einem Panzergrenadier-Regiment. Er trug das EK I und das Verwundeten-Abzeichen. Wischnewski war nur kurz in amerikanischer Kriegsgefangenschaft in Österreich und wurde von dort nach Bayern entlassen. Nach kurzem Besuch seiner Eltern in Berlin kehrte Wischnewski nach Bayern zurück und arbeitete in Straubing und Dingolfing als Metallarbeiter, obwohl sein ursprünglicher Berufswunsch war, Germanistik und Literaturgeschichte zu studieren und Journalist zu werden.

Am 4.10.1946 heiratete Wischnewski Ottilie geb. Nirschl (geb. 3.12.1924, gest. 18.11.1999), aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: 1948 Elke verehel. Scholz, verst. 1999, dann: Karin verehel. Hermann (geb. 1949, lebte 2012 in Bayern), sowie Eveline (gen. Evi) verehel. Markstein (geb. 1951, lebte 2012 in Bayern). Die Ehe von Wischnewski wurde 1955 geschieden.

1946 trat Wischnewski der SPD und der Industriegewerkschaft Metall bei. Die Gewerkschaft ermöglichte ihm eine Ausbildung in Arbeits- und Sozialrecht und schickte ihn 1952 nach Köln, um dort Betriebsräte zu betreuen. Von 1953 bis 1959 arbeitete Wischnewski als Gewerkschaftsekretär, in dieser Zeit begann sein politischer Aufstieg, bedingt durch die Übernahme zahlreicher Ämter in der SPD, zunächst in den Jugendorganisationen, dann auf Kreis- und Bezirksebenen.

1955 schloss Wischnewski seine zweite Ehe, und zwar mit Irene geb. Möbius. Die Ehe, die kinderlos blieb, wurde 1978 wieder geschieden.

1957 zog Wischnewski über die Landesliste der SPD in den Deutschen Bundestag ein, wo er aufgrund stetig nachfolgender Direktwahlen bis 1990 blieb. Dann kandidierte er aus Altersgründen nicht mehr. Schon in den 1950er Jahren galt sein besonderes Interesse dem politischen Geschehen in Afrika, besonders in den arabischen Staaten, und er engagierte sich dazu in den folgenden Jahren in unzähligen Organisationen und Ausschüssen, verbunden mit einer enormen Reisetätigkeit. So wurde er über Parteigrenzen hinweg und auch in internationalen wirtschaftlichen Angelegenheiten zum Fachmann des internationalen Geschehens, wurde oft zum „Brückenbauer“. Willy Brandt nannte ihn einmal „Ben Wisch“ wegen seiner besonderen arabischen Kontakte. Legendär ist Wischnewskis Rolle bei der Befreiung von Geiseln 1977 in Mogadischu (Somalia) durch die Bundeswehr-Antiterrorgruppe GSG 9.

Wischnewski ging noch eine dritte Ehe ein, und zwar 1978 mit Katharina (gen. Gika) de Kiff geb. Clemen, geb. 1914, gest. 2000.

Neben der bereits erwähnten Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter seien hier noch die wichtigsten Lebensstationen von Wischnewski tabellarisch wiedergegeben:

1966-1968 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit

1968-1971 Bundesgeschäftsführer der SPD

1974-1976 Staatsminister im Auswärtigen Amt

1976-1979 u. 1982 Staatsminister im Bundeskanzleramt

1979-1982 Stellvertretender Vorsitzender der SPD

1984-1985 Schatzmeister der SPD

Außerdem sind noch Mitgliedschaften in Aufsichtsräten von Wirtschaftunternehmen zu nennen, so bei Klöckner-Humboldt-Deutz in Köln, bei Boswau & Knauer in Neuss und bei der Mannesmann AG. Dass die Gesundheit bei einem solchen „Vollblut-Politiker“ nicht unbeschädigt bleibt, ist verständlich: schon 1963 erlitt Wischnewski einen ersten Herzinfarkt, in den Folgejahren traten immer wieder Kreislaufprobleme und Herzbeschwerden auf, was Anfang 2005 auch zur Rollstuhl-Notwendigkeit führte. Begünstigt wurden die gesundheitlichen Probleme Wischnews­kis durch ständige erhebliche Gewichtsschwierigkeiten, durch das Rauchen und seine Schwäche für Alkoholisches (Whisky). Die letzten Jahre seines Lebens wurde er von Margarete Kunigunde (gen. Gundis) Bleidt-Joosten begleitet, so dass er sein Lebensende nicht einsam verbringen musste. Als Wischnewski am 24.2.2005 in der Universitätsklinik Köln an den Folgen eines Infarkts starb, löste das eine Flut von Nachrufen, Würdigungen und Ehrbezeugungen aus. Unter großer Anteilnahme wurde Wischnewski am 7.3.2005 auf dem Melaten-Friedhof in Köln beigesetzt.

Wischnewski fand in seinem Leben auch noch Zeit, Bücher herauszugeben: 1969 erschien im Verlag für Literatur und Zeitgeschehen „Nord-Süd-Konflikt – Beitrag zur Entwicklungspolitik – SPD-CDU-CSU – Ein synoptischer Vergleich der programmatischen Erklärungen der drei Parteien“, 1989 seine politischen Memoiren bei Bertelsmann unter dem Titel „Mit Leidenschaft und Augenmaß“ sowie 1998 im Bruckmann Verlag „150 Jahre Deutschland auf Briefmarken“. – Wischnewski war leidenschaftlicher Sammler von Briefmarken und Ikonen.

Es liegt auf der Hand, dass ein solcher Mann auch schon im Laufe seines Lebens mit Orden und Ehrungen bedacht wurde: etwa vierzig in- und ausländische Orden wurden Wischnewski im Laufe der Zeit verliehen, besonders zu nennen sind: am 7.10.1977 der Große Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland mit Stern und Schulterband sowie der Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen. Zum 75. Geburtstag 1997 ehrten ihn die Palästinenser mit der Herausgabe einer Briefmarke mit seinem Porträt; 1999 wurde Wischnewski dafür, dass er die Städtepartnerschaft Köln-Bethlehem initiiert hatte, Ehrenbürger von Bethlehem.

Quellen und Lit.: Munzinger Internat. Biograph. Archiv vom 21.5. 2005. – Brockhaus Enzyklopädie Bd. 24 1994, Verlag F.A. Brockhaus Mannheim. – Biograph. Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, Bd. 2, K.G. Saur Verlag München 2002. – Persönlichkeiten und Politik in der Bundesrepublik Deutschland – Politische Porträts, Hrsg. Walther L. Bernecker + Volker Dotterweich, Bd. 2. – Klaus J. Bade: Hans-Jürgen Wischnewski, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, 1982 Göttingen. – Meine Mutter – Ein deutsches Lesebuch, Hrsg. Werner Filmer + Heribert Schwan: Hans-Jürgen Wischnewski: Die Sparsame, ECON Verlag Düsseldorf, Wien, New York 1989. – Amtliches Handbuch des Deutschen Bundestages 11. Wahlperiode, 1. Auflage, Neue Darmstädter Verlagsanstalt (NDV), 1987. – Schriftliche Auskünfte von Margarete-Kunigunde Bleidt-Joosten, Nov. 2012. – Schriftliche Auskünfte der Wischnewskitöchter Karin Hermann und Eveline Markstein, Dez. 2012. – Altpreußische Biographie, Bd. V 3. Lieferung, N.G. Elwert Verlag Marburg, 2015, Hrsg. Klaus Bürger, Bernhart Jähnig und Joachim Artz, S. 2288/89.

Bild: Kulturstiftung

Joachim Artz