Biographie

Wosnitza, Franz

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Theologe
* 3. Oktober 1902 in Czarnowanz
† 4. November 1979 in Köln

Franz Wosnitza wurde am 3. Oktober 1902 als Sohn des Maurers und späteren Oberpoliers Kaspar W. und seiner Ehefrau Franziska, geb.Skrzypczyk, in Czarnowanz (Kr. Oppeln) geboren und zog im vierten Lebensjahr mit seinen Eltern in die aufstrebende Industriestadt Königshütte, in der man zu etwa gleichen Teilen deutsch und polnisch sprach. Im dortigen Königl. Gymnasium war Joseph Ferche, der spätere Breslauer und dann Kölner Weihbischof, sein erster Religionslehrer, doch übte Alfred Hoffmann, der nachmalige Professor für katholische Religion an der Pädagogischen Akademie in Beuthen/OS, einen stärkeren positiven Einfluß auf ihn aus.

In der Zeit der politischen Wirrnisse um die Zukunft Preußisch-Oberschlesiens legte Wosnitza im Februar 1922 das Abitur ab, begann danach das Theologiestudium in Breslau und nahm am obligatorischen Polnisch-Unterricht teil, den Heinrich Grzondziel (1959 Weihbischof mit Amtssitz Oppeln) gab. Die politische und kirchliche Abtrennung Ost-Oberschlesiens einschließlich von Wosnitzas Wohnort Königshütte (Chorzόw) vom Deutschen Reich bzw. von der Diözese Breslau stellte den jungen Theologen vor die schwere Entscheidung, in welchem Bistum er als Priester wirken wollte. Er entschied sich für den Übertritt in die im Entstehen begriffene polnische Diözese Kattowitz und übersiedelte an die Krakauer Universität – immer mehr zum Zweisprachler werdend, aber Deutscher bleibend und dennoch von den Polen freundlich behandelt. Am 20. Juni 1926 empfing er aus den Händen des ersten Bischofs von Kattowitz, Augustyn Hlond, die Priesterweihe.

Die erste Kaplanstelle erhielt Wosnitza an der Prokathedrale St. Peter-Paul in Kattowitz, an der er auch bei allen bischöflichen Feiern mitwirkte und sich mit großem Eifer und entsprechendem Erfolg der Seelsorge bei den deutschen Jugendlichen widmete, was der seit 1930 im Amt befindliche und sich um sehr gute Seelsorge an den deutschen Katholiken bemühende Kattowitzer Bischof Stanisław Adamski im Jahre 1933 durch die Ernennung Wosnitzas zum Diözesanpräses für die deutsche Jugend und zum Schriftleiter des deutschen Bistumsblattes „Der Sonntagsbote“ anerkannte. Nach eigenem Zeugnis war dieser nun bis zum Ausbruch des Krieges der Seelsorger für die deutschen Katholiken, denn bald fanden sich auch die anderen Gemeinschaften der Männer und Frauen ein, die um Vorträge oder Arbeitsmaterial für ihre Vereine baten. Der Sonntagsbote führte auch besondere Seiten für die Standesseelsorge ein. Es gab nun gemeinsame deutsche Wallfahrtstage, Schulungswochen, Vortragsabende und vieles andere für die große Gemeinschaft der Katholiken in der Diözese.

Der Kriegsausbruch am 1. September 1939 und die in wenigen Tagen erfolgte Besetzung des gesamten Kattowitzer Bistumsgebietes durch deutsche Truppen führten nicht nur zu einer völligen Umwälzung der politischen Verhältnisse, sondern betrafen zunehmend auch die kirchlichen Dinge. Hatte bisher die deutsche Seelsorge manche polnische Unfreundlichkeiten hinnehmen müssen, so kam es nun zunehmend zu staatlicherseits angeordneten Zwangsmaßnahmen gegen die polnische Seelsorge. Daran konnte auch die klugerweise von Bischof Adamski am 1. Januar 1940 vollzogene Ernennung des zur deutschen Volksgruppe gehörenden Kattowitzer Bistumsgeistlichen Franz Strzyz zum Generalvikar nichts Entscheidendes ändern. Wosnitza war ab März 1940 Wehrmachtkaplan in Kattowitz, wurde im Herbst 1940 von Adamski zum Ordinariatsrat berufen und arbeitete ganz eng mit Strzyz zusammen, vor allem nach der im Februar 1941 verfügten Ausweisung Adamskis und seines Weihbischofs, als faktisch die gesamte Leitung des Bistums auf dessen Schultern lag, wenn auch die Verbindung mit Adamski nach Möglichkeit gepflegt wurde.

Als der schwerkranke Strzyz seinen Mitarbeiter Wosnitza zum Nachfolger berief, akzeptierte Adamski dies. So übernahm Wosnitza nach dem Tod von Strzyz im Juni 1942, erst 39 Jahre alt, das Amt des Generalvikars und damit die Bistumsleitung und trat ein in die größte Bewährungsprobe seines Priesterlebens – mitten im Krieg, in einer sehr schwierigen Diözese, in der von den über 500 Geistlichen 82 in Konzentrationslagern eingesperrt waren.

Im neuen Amt zeigte Wosnitza Führungsqualitäten, Klugheit, taktisches Geschick und Beharrlichkeit. Tief im Glauben verwurzelt und frei von jedem Ansatz von Chauvinismus versuchte er, gegen den kirchen- und polenfeindlichen Kurs der Nationalsozialisten zu retten, was zu retten war, sich für die Aufrechterhaltung und Verstärkung der Seelsorge einsetzend, neue Seelsorgestellen schaffend, den deutschen und den polnischen Katholiken gerecht werdend und für verfolgte Priester eintretend. Es gelang ihm, die religiöse Trennung nach der jeweiligen Volkszugehörigkeit, wie sie im „Warthegau“ eingeführt wurde, zu vermeiden: Er predigte deutsch und polnisch, erreichte die Freilassung einiger eingekerkerter Priester und konnte – trotz des Krieges – den Bau des Kattowitzer Gymnasiums zur Vollendung bringen.

Wosnitza besaß besondere Vollmachten, die sonst nur Bischöfen zustehen, auch das Recht, die Firmung zu erteilen. Gleichwohl nahm er vor sehr wichtigen Entscheidungen den Kontakt mit Bischof Adamski, Kardinal Bertram und dem Nuntius auf. Als sich 1945 die politischen und in deren Gefolge auch die kirchlichen Verhältnisse erneut umwendeten, kehrte Bischof Adamski aus der Verbannung zurück, und der deutsche Generalvikar Wosnitza wurde mit seiner Zustimmung von einem Polen abgelöst, aber mit der Leitung des Baureferates betraut und dadurch für die Wiederherstellung von etwa 40 Kirchen zuständig. Nach wie vor wollte er dem Bistum Kattowitz dienen, und er hoffte, das weiterhin tun zu können, da seine Verdienste von vielen gesehen wurden und sich nicht nur Adamski und Bolesław Kominek, der 1945 von Kardinal Hlond eingesetzte Apostolische Administrator für Oberschlesien mit Sitz in Oppeln (und spätere Erzbischof von Breslau und Kardinal), für sein Bleiben verwendeten. Dennoch erfolgte am 27. Juli 1946 Wosnitzas Ausweisung, was diesen sehr verwundete, aber nicht zum Polenfeind werden ließ.

Ungeachtet der räumlichen Trennung war das Band zur Heimatdiözese und ihren Menschen nicht zerrissen. Wosnitza kam zuerst nach Werdohl im Sauerland, dann als Krankenhausseelsorger nach Bochum und wurde Ende 1949 zum Leiter des katholischen Siedlungsdienstes im Bundesgebiet mit Büro in Köln ernannt, dem er bis 1972 vorstand. Mit großem Sachwissen, viel Organisationstalent und Schaffenskraft bemühte er sich erfolgreich um die Bekämpfung der durch die Kriegszerstörungen und den Zustrom der Ostvertriebenen verursachten Wohnungsnot, wobei ihm die Förderung familiengerechter Wohnungen besonders am Herzen lag. Bis zu seinem Ausscheiden aus der Leitung des Siedlungsdienstes sind 257.000 Wohnungen erbaut worden.

Eine andere Leistung Wosnitzas war das geistig-geistliche Sammeln und Betreuen seiner aus dem Kattowitzer Heimatbistum vertriebenen, zerstreuten Schicksalsgenossen, für die er bis zu seinem Tode einen Rundbrief herausgab. Er wirkte mit bei Wallfahrten, hielt Maiandachten, sorgte für materielle Hilfe bei ihnen und in Oberschlesien.

Bald nach dem Silbernen Priesterjubiläum erfolgte 1951 Wosnitzas Ernennung zum Päpstlichen Hausprälaten. Bei seinem Abschied vom Katholischen Siedlungsdienst im Jahre 1972 ehrten ihn der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland mit der Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuzes und der Papst mit der Würde eines Apostolischen Pronotars. Der Geehrte wirkte nun in Köln als Subsidiar und feierte 1976 das Goldene Priesterjubiläum. Als Franz Wosnitza, der immer Priester des Bistums Kattowitz geblieben war, am 4. November 1979 im Alter von 77 Jahren in Köln verstarb, trauerten um ihn vor allem die alten Kattowitzer Diözesanen, sowohl in der Heimat als auch in der Bundesrepublik. Am 12. November zelebrierte der Kölner Weihbischof Augustin Frotz das Requiem, nachdem Professor Romuald Rak aus Kattowitz als Vertreter des wegen der polnischen Bischofskonferenz am Erscheinen verhinderten Kattowitzer Bischofs Herbert Bednorz eine Trauerrede gehalten hatte. Bednorz gedachte des Verstorbenen an demselben Tage in der Kattowitzer Kathedrale mit Worten des Dankes.

Wosnitza gab mit seinem Sinnen und Handeln ein vortreffliches Beispiel für friedlich-freundliches Zusammenleben von Deutschen und Polen ohne nationale Würdelosigkeit und auf religiöser Grundlage.

Lit.: E.W.: Apostolischer Protonotar Franz Wosnitza 50 Jahre Priester, in: Heimatbrief der Katholiken des Erzbistums Breslau 3, 1976, Nr. 3, S. 12. – Diverse Texte in „Rundbrief an die Kattowitzer Diözesan-Angehörigen“, Weihnachten 1979, S. 1–7. – Herbert Bednorz: Traueransprache für Prälat Franz Wosnitza in der Kathedrale von Kattowitz am 12. November 1979. (Übers. a.d. Poln.) Ebd., Peter Paul 1980, S. 3–4. – Karl Heda: Franz Wosnitza (1902–1979), in: Schlesische Kirche in Lebensbildern. Hg. von Johannes Gröger, Joachim Köhler u. Werner Marschall.Sigmaringen 1992, S. 223–227. – Jerzy Myszor: Wosnica (Wosnitza) Franciszek (Franz), in: Słownik biograficzny katolickiego duchowieństwa śląskiego XIX i XX wieku.Katowice 1996, S. 469–471.

Werke: Jenseits der Grenze, in: Leben in Schlesien. Erinnerungen aus fünf Jahrzehnten. Hg. von Herbert Hupka. München 1962, S. 199–216. – Bischöfe aus dem Raum des Kattowitzer Bistums, in: Beiträge zur schlesischen Kirchengeschichte. Gedenkschrift für Kurt Engelbert. Hg. von Bernhard Stasiewski. Köln/Wien 1969, S. 214–232. – Aus den neuesten schlesischen Schematismen. Breslau 1971. – Oppeln 1968 – Kattowitz 1970, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 31 (1973), S. 237–245. – Mein goldenes Priesterjubiläum voll heimatlicher Erinnerungen, in: Rundbrief an die Kattowitzer Diözesan-Angehörigen, Peter-Paul 1976, S. 2–7.

Bild: Landsmannschaft der Oberschlesier, Bundesverband.

Hans Ludwig Abmeier