Biographie

Wrangell, Ferdinand Baron von

Herkunft: Rußland (Wolga- u. Schwarzmeer)
Beruf: Admiral, Forschungsreisender
* 29. Dezember 1796 in Pleskau/Rußland
† 25. Mai 1870 in Dorpat/Estland

Wrangell entstammte einem estländischen Adelsgeschlecht (vermutlich mit der Familie von Löwenwolde eines Stammes), das im ganzen Ostseeraum Gutsbesitz hatte und vor allem zahlreiche Soldaten hervorgebracht hat. Diese befanden sich in schwedischen, russischen, preußischen Diensten. Die Wrangells waren im gesamten baltischen Raum beheimatet, hatten das estländische, livländische und kurländische Indigenat, gehörten zur estländischen, livländischen und kurländischen Ritterschaft. Das Geschlecht erfuhr verschiedene Standeserhöhungen, als schwedische Freiherrn und Grafen, preußische Freiherrn und Grafen, seit 1855 als russische Barone, auch als spanische Grafen.

Der Vater Ferdinand von Wrangells war russischer Major und Besitzer von Gütern sowohl in Est- als auch in Livland. Als Achtjähriger Vollwaise, kam Ferdinand von Wrangell nach häuslichem Unterricht 1810 in das Seekadettenkorps nach St. Petersburg, trat 1812 in die Gardemarine ein und wurde Midshipmann. Mit diesem Dienstgrad machte er von 1817 bis 1819 für zweieinhalb Jahre auf der Schaluppe ”Kamtschatka” seine erste Weltumsegelung mit. Die Fahrt ging ums Kap Horn, im Beringmeer wurden umfangreiche hydrographische Untersuchungen vorgenommen. Von 1820 bis 1824 war Ferdinand von Wrangell nach wissenschaftlichen Vorbereitungen an der Universität Dorpat/Tartu (estn.) an einer weiteren Expedition maßgeblich beteiligt, die ihn an die Nordostküste von Sibirien führte, wo von der Mündung der Jana aus geographische, hydrographische, auch meteorologische und magnetische Messungen durchzuführen waren. Von 1825 bis 1827 unternahm er auf der Schaluppe ”Krotkii” eine weitere Weltumsegelung. Nach seiner Rückkehr wurde er Kommandant des Schiffes ”Elisabeth”.

Im Jahre 1829 heiratete Ferdinand von Wrangell Elisabeth Baronesse von Rossillion. In den Jahren von 1830 bis 1835 war er Oberdirektor von Russisch-Amerika. Die weitere Karriere ließ  ihn bis zum Vizeadmiral, schließlich zum Admiral der russischen Marine aufsteigen. Das hinderte ihn nicht, zugleich von 1840 bis 1849 Direktor der Russisch-Amerikanischen Kompanie zu sein sowie Direktor des Departements für Schiffsbauwaldungen im Marineministerium – waren doch zahlreiche  Wälder seit der Zeit Peters des Großen als ”Schiffswälder” dem  Marineministerium zugeteilt.

Im Jahre 1847 wurde Ferdinand von Wrangell aus dem Dienst verabschiedet. Er lebte seit jener Zeit auf seinem 1840 erworbenen estländischen Gut Ruil/Roela (estn.), in dessen Herrenhaus heute eine Nachfahre aus Deutschland ein Zentrum für juristische Ausbildungskurse organisiert. Seit 1852 lebte Ferdinand von Wrangell auch in Reval/Tallinn (estn.), wenn er sich nicht auf Reisen im westlichen Europa befand, so etwa in Rom. Wie früher war er mit zahlreichen Forschungsarbeiten beschäftigt, auch übernahm er weiterhin öffentliche Aufgaben. So war er von 1854 bis 1855 Direktor des Hydrographischen Departements im Marineministerium, hatte dort seit 1856 als Admiral den Vorsitz des Komitees für Verteidigung der baltischen Küsten inne. Schließlich war er von 1858 bis 1862 Mitglied des Russischen Reichsrates.

Ferdinand von Wrangell bewährte sich auch als tätiger Christ, er war 1859 bis 1864 Präsident der Unterstützungskasse für evangelisch-lutherische Gemeinden in Rußland. Darüber hinaus war er Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften im In- und Ausland, so Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg und Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Paris. Er hat aber nur wenige eigene wissenschaftliche Berichte hinterlassen, darunter geographische und nautische Untersuchungen, ein Buch über das Eismeer und die Tundra sowie eine zweibändige Reisebeschreibung von Sibirien, die in russischer Sprache erschien. Nach Ferdinand von Wrangell wurde eine Insel im Nördlichen Eismeer benannt, ein Berg, eine Stadt und ein Indianerstamm in Alaska.

Ferdinand von Wrangell reiht sich in jene große Zahl von Balten, seit Ende des 19. Jahrhunderts Deutschbalten genannt, ein, die innerhalb des Russischen Reiches von 1721 bis 1918 in Verwaltung, Diplomatie und Militär sowie in der Wissenschaft zur Eingliederung Rußlands in den westlichen Kulturkreis beigetragen haben, ein Wirken, das mit dem Ende des Ersten Weltkrieges ein abruptes Ende fand. Neben den Wissenschaftlern, wie etwa Karl Ernst von Baer und dem Sibirienforscher Alexander von Middendorff, spielen die Seefahrer als Forscher dabei eine besondere Rolle. Seefahrer und Entdecker auf der russischen Flotte waren die aus Estland stammenden Adam Johann von Krusenstjern, Otto von Kotzebue, Fabian von Bellingshausen und Ferdinand Baron von Wrangell.

Lit.: L. v. Engelhardt: Ferdinand von Wrangell und seine Reise. Leipzig 1885. – ADB, Bd. 44, S. 222-226 (L. Stieda). – W. Baron v. Wrangell: Ein Kampf um Wahrheit, Leben und Wirken des Admirals Ferdinand von Wrangel. Stuttgart 1939. – J.V. Davydov: Ferdinand Wrangell. Moskau 1959. – W. Baron v. Wrangell: Erforschung der Nordküste Sibiriens und Admiral Ferdinand v. Wrangell. In: Jb. des baltischen Deutschtums. H. 8. 1961, S. 90-99. – Walter v. Hueck: Siebenhundertjähriges Bestehen des Familiennamens Wrangel. In: Acta Wrangeliana 33/1978, S. 1-19. – Erik Amburger: Die Deutschen im russischen Reich und der Sowjetunion. In: Deutsche im Nordosten Europas. Hrsg. von Hans Rothe. Köln/Wien 1991, S. 21-59.

 

  Hubertus Neuschäffer