Schon mehrere hundert Jahre vor der Entstehung der Forstwirtschaft (im heutigen Sinne) im deutschen Sprachraum (zwischen 1760 und 1830) übertrugen deutsche Bergleute, Förster und Jäger ihr Können über den Wald und seine Produkte in den Ost- und Südostraum unseres Kontinents (Rösler 1995). Die Ausstrahlung der Forstakademien wie Tharandt (bei Dresden), Freiburg (Breisgau), München, Wien und Schemnitz (Oberungarn bzw. Slowakei) wurde auch in Siebenbürgen spürbar. Nur noch wenig bekannt sein dürfte, daß zahlreiche Absolventen der deutschen Gymnasien Siebenbürgens seit Mitte des vorigen Jahrhunderts den Weg nach Deutschland, Österreich und Nord-ungarn antraten, um dort nicht nur forstliche Ausbildung, sondern auch geistige Anregung zu empfangen. Für diese begabten Söhne sparte sich einst die ganze Familie das Studiengeld „vom Munde ab“! Zu diesen ist auch Eduard Zaminer zu zählen (Schuller 1902).
Er entstammte einer alten und traditionsreichen Bogesieerzeugerfamilie, d.h. einer Familie, die indigoblau gefärbte Leinwandstücke herstellte (so wie wir sie heute noch als Arbeitsschürzen aus Südtirol kennen). Dieser Handelsartikel war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts besonders bei den Banater Schwaben sehr begehrt. Die Familie Zaminer stammte aus Kärnten (Himmelberg bei Villach) und mußte zur Zeit von Maria Theresia (1740-1780) aus Glaubensgründen aus der alten Heimat nach Siebenbürgen emigrieren (Zaminer 1896, Dinges 1967, Buchinger 1982). Die Zaminer waren die einzigen Erzeuger der indigoblauen Leinwand im gesamten Südost-Karpatenraum.
Nachdem sein älterer Bruder die Beamtenlaufbahn eingeschlagen hatte, sollte nun Eduard die Familientradition weiterführen und die Weberei und Färberei übernehmen (Zaminer 1896, Heltmann 1971). Infolge des Aufkommens einer modernen Textilienproduktion aber wurde nach 1848 das Handwerk der Leineweber immer weniger ertragreich. So entschloß sich der junge Zaminer, das Honterusgymnasium seiner Vaterstadt zu besuchen, um anschließend Forstwirtschaft zu studieren.
In der Zeitspanne 1854 bis 1857 studierte Zaminer in München, Tübingen, Tharandt und an der 1808 von Heinrich David Wilckens (1763-1832) gegründeten Königlich Ungarischen Forstakademie zu Schemnitz (Anonymus 1871, Zaminer 1896, Szinnyei 1914, Stenner 1916, Heltmann 1993, Rozsnyay 1998), damals noch mit deutscher Unterrichtssprache. Diese Lehranstalt (heute Banska Stiavnica in der Slowakei) war die erste Gründung in der k.u.k. Monarchie und in ganz Südosteuropa. Sie gehört zu den ältesten und berühmtesten Forstuniversitäten der Welt (Rosznyay 1986). Erst neun Jahre später (1817) sollte auch in Hermannstadt (Siebenbürgen) die erste Forstschule des heutigen Rumänien ins Leben gerufen werden (Ivănescu 1972, Giurescu 1975). 1865 legte Zaminer in Klausenburg das große Staatsexamen mit „vorzüglich befähigt“ ab.
Schon 1857 trat Zaminer als Forstadjunkt in den Forstdienst seiner Vaterstadt Kronstadt (Revier Geist), um dann ab 1858 als substituierender Förster im Revier Tömösch (in den Karpaten) bzw. ab 1860 in Krebsbach tätig zu sein. Wenn zu jener Zeit die Gebirgsbäche stets reich an Forellen und Äschen waren (Giurescu 1964), so waren doch die Bedingungen dafür in dem riesigen Buchenwaldrevier um Krebsbach, wie Zaminer erkannte, besonders gut. Zaminer legte den Grundstein einer Forellenzucht – später zur Forellenteichwirtschaft erweitert – die bis heute ihre wirtschaftliche Bedeutung behielt; es war die erste Forellenzuchtanstalt Siebenbürgens und wahrscheinlich auch Rumäniens. Als inzwischen bekannter Forstmann, hauptsächlich aber als Pionier der künstlichen Forellenzucht wurde Zaminer an der Erarbeitung eines ungarischen Forstgesetzes, welches 1879 erscheinen sollte, beteiligt. 1870 schied er aus dem städtischen Dienst, um verschiedene Fachgutachten als Privatforstmann zu erstellen (Zaminer 1871). Im darauffolgenden Jahr 1871 erhielt er – vom Ministerium für Ackerbau, Gewerbe und Handel in Budapest – ein Reisestipendium. Seine Studienreise führte ihn nach Oberungarn, Österreich, Frankreich und Deutschland, um sich dort die Fortschritte auf dem Gebiet der künstlichen Fischzucht anzueignen. Nach seiner Rückkehr wurde er 1873 zum städtischen Oberförster seiner Vaterstadt gewählt (1878 erhielt er den Titel eines städtischen Forstmeisters); die Forellenzucht-Anstalt in Krebsbach wurde nun nach einem aus Freiburg im Breisgau stammenden Modell zur damals modernsten ihrer Art in Ungarn aufgebaut und erweitert (Zaminer 1891).
Als Leiter des Städtischen Forstamtes Kronstadt (Forstfondfläche = 80.175 Hektar) erwarb sich Zaminer große Verdienste um die Wiederaufforstung der kahlen Berghänge (einst aus strategischen Gründen der Stadtverteidigung abgeholzt) und um die Pflege und Verjüngung dieser Bestände. Er war auch ein Pionier der Einbürgerung fremdländischer Baumarten. Seine Arbeiten erfuhren besondere Würdigung, unter anderem in der Allgemeinen Forst- und Jagd-Zeitung Frankfurt a.M. (Anonymus 1898).
Nach dem Bau der Eisenbahnlinie über den Karpatenpaß Predeal (von Siebenbürgen in das Königreich Rumänien) unternahm Zaminer 1880 eine Handels- und Erkundungsreise, um die Perspektive der Holzhandelsverhältnisse mit den damals noch sehr bedeutenden Donauhäfen (Galaţi, Brăşila etc.) zu studieren. Seine dabei geschlossenen Verträge sollten den Absatz der siebenbürgischen Holzprodukte wesentlich steigern. Er belieferte etwa den Bau des Sommersitzes des Königs von Rumänien aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen, Schloß Pelesch in Sinaia mit den nötigen Holzsortimenten. Das Schloß wurde nach den Plänen von Doderer gebaut und 1883 vollendet, unter Mithilfe zahlreicher Künstler aus Wien, München, Berlin, Stuttgart, Mainz und Hamburg (Sigerus 1888).
Zaminer war auch an der Gründung mehrerer bedeutender Vereine beteiligt. Es waren dies der „Siebenbürgischer Alpenverein“ (1873), der „Verein der Kronstädter Kommunalwaldheger zur Pensionierung der Witwen und Waisen“ (1874) und der „Kronstädter Verschönerungsverein“ (1880). Dieser Verein sollte seine naturschützerische Tätigkeit unter dem Einfluß der Bewegung um den Danziger Hugo Conventz (1855-1922), des Begründers des deutschen und europäischen Naturschutzes (über ihn siehe OGT 1997, S. 116-123), erfolgreich weiterführen. Hinzu kamen 1880 der „Siebenbürgische Karpatenverein“ mit Sitz in Hermannstadt und 1883 der „Kronstädter Jagdverein“ (einer der ersten dieser Art im heutigen Rumänien).
Infolge einer Gehirnembolie verlor Zaminer 1889 das Sprachvermögen, welches sich nur allmählich wieder einstellte; seine anderen geistigen Fähigkeiten hatten jedoch glücklicherweise nicht gelitten, so daß er schriftstellerisch noch aktiv bleiben konnte. Schon vor seiner 1893 erfolgten Pensionierung hat Zaminer zwei wissenschaftlich sehr bedeutende Arbeiten geschrieben: Über das Komitat Kronstadt… (1885) und eine Forst- und Waldgeschichte seiner Vaterstadt (1891). Letztere Veröffentlichung ist ein sehr umfangreiches Werk von besonderer Bedeutung für die Kenntnis der Forstgeschichte nicht nur des Burzenlandes, sondern des gesamten Großraumes Siebenbürgen. Es ist auch die erste Arbeit dieser Art in der Forstgeschichte des heutigen Rumänien.
Unsere Anforderungen an Wald und Holz haben sich innerhalb der letzten 100 Jahre zum Teil wesentlich gewandelt. Neue Erkenntnisse im Beruf des Forstmannes sowie das oft kurze menschliche Gedächtnis haben die Erinnerung an Eduard Zaminer in den Hintergrund gedrängt (in den rumänischen Fachbüchern findet er keine Erwähnung). Geblieben ist jedoch die forst- und landeskundliche Bedeutung dieses fähigen Forstmannes.
Erwähnenswert wäre noch abschließend, daß ein Zweig der aus Himmelberg stammenden Familie Zaminer schon vor der Vertreibung durch Maria Theresia – das kommende Unglück ahnend – das Kärntnerland verlassen hatte und nach Deutschland auswanderte. Einer der Nachkommen war der verdienstvolle hessische Forstmann J.H. Zamminer (1786-1856) (Heß 1885, Immel 1990), dessen Sohn Friedrich, Professor der Physik an der Universität Gießen, mit Eduard Zaminer in Briefwechsel stand (Zaminer 1896); die Zaminer schrieben sich im Laufe der Jahre auch Czaminer und Zaminner.
Lit.: Anonymus: Gedenkbuch zur hundertjährigen Gründung der Königl. Ungar. Berg- und Forst-Akademie zu Schemnitz. 1770 bis 1870. Schemnitz, 1871, 4, 389 S. – Anonymus (= Guse): Aus Siebenbürgen. Allg. Forst- u. Jagd-Zeitung, 74, Frankfurt a.M., 1898, S. 274-279. – K. Bosl: Bosl’s Bayerische Biographie. Regensburg, 1983, S. 275. – E. Buchinger: Die Geschichte der Kärntner Hutterischen Brüder in Siebenbürgen und in der Walachei (1755-1770), in Rußland und Amerika. Carinthia, 1, 1982, Klagenfurt, S. 145-303. – K. Dinges: Geschichte der evangelischen Ramsau am Dachstein. Graz, 1967, 179 S. – C.C. Giurescu: Istoria pescuitului şi a pisciculturii în România [Die Geschichte des Fischfangs und der Fischzucht in Rumänien]. Bukarest, 1964, 389 S. – C.C. Giurescu: Istoria pădurii româneşti [Die Geschichte des rumänischen Waldes]. Bukarest, 1975, S. 107. – H. Heltmann: Zur Geschichte naturwissenschaftlicher Forschungen in Kronstadt und im Burzenland. Naturw. Forsch. über Siebenb., 2, 1984, Köln-Wien, S. 26-28. – H. Heltmann: Zaminer, Eduard – Forstmann. In: Lexikon der Sieb. Sachsen. Thaur bei Innsbruck, 1993, S. 584. – R. Heß: Lebensbilder hervorragender Forstmänner. Berlin, 1885, S. 421-422. – R. Immel: Johannes Hieronymus Zamminer. In: Biographien bedeutender hessischer Forstleute. Frankfurt a.M., 1990, S. 781-785. – D. Ivănescu: Din istoria silviculturii româneşti [Aus der Geschichte der rumänischen Forstwirtschaft]. Bukarest, 1972, S. 304. – H.-J. Kämpfert: Conventz, Hugo (1855-1922). Ostdeutsche Gedenktage 1997, Bonn, 1996, S. 116-123. – Fr. Kepp: Der Werdegang des Siebenbürgischen Karpathenvereins in seinen ersten fünfzig Jahren (1880-1930). Jubil.- Jahrb. d. SKV, 43, Hermannstadt, 1930, S. 5-129. – R. Rösler: Zur Geschichte der Forstgesetzgebung in Siebenbürgen. Zeitschr. f. Siebenb. Landesk., 1, 1988, Köln-Wien, S. 61-71. – R. Rösler: Jagdgeschichte, Forstgesetzgebung und Waldwirtschaft in Siebenbürgen. In: Lexikon der Siebenb. Sachsen. Thaur bei Innsbruck, 1993, S. 131-132, 213-215 u. 565. – R. Rösler: Binder Josef (1838-1918) – Forstmeister. In: Österr. Forst-Biogr. Lexikon, Hrsg. H. Kilian, Bd. 5, Wien, 1994, S. 59-62. – R. Rösler: Über die Pionierarbeit deutscher Forstleute in Osteuropa. Forst u. Holz, 7, 1995, S. 210-213. – Z. Rosznyay: Heinrich David Wilckens (1763-1832) ein Wegbereiter der praktischen und wissenschaftlichen Forstausbildung in Deutschland und Ungarn. Allg. Forst- u. Jagd-Zeitung, 5, 1986, S. 87. – Fr. Schuller: Schriftsteller-Lexikon der Siebenbürger Deutschen. Bd. 4, Hermannstadt, 1902, S. 522. – Fr. Stenner: Die Beamten der Stadt Brassó (Kronstadt). Kronstadt, 1916, S. 161. – E. Sigerus: Zwei Königsschlösser in den Karpathen. Jahrb. d. Siebenb. Karp.-Ver., 8, 1888, Hermannstadt, S. 38-47. – J. Szinnyei: Magyar irók életes és munkái [Ungarische Schriftsteller. Leben und Werk], Bd. 14, Budapest, 1914, S. 1734. – E. Zaminer: Ein motiviertes Gutachten zur Regelung der Innerverhältnisse des Königsbodens in Siebenbürgen. Pest, 1871, 41 S. – E. Zaminer: Komitat Kronstadt mit Rücksicht auf seine geologische Beschaffenheit, Bevölkerungs-, Boden- und insbesondere Forstkulturverhältnisse. Kronstadt, 1885, 28 S. – E. Zaminer: Geschichte des Waldwesens der kön. freien Stadt Kronstadt. Kronstadt, 1891, 490 S. – E. Zaminer: Biographische Notizen aus dem eigenen und aus dem Leben von Vorfahren und Familiengenossen. Der Sächs. Hausfreund. 58. Jahrg., 1896, Kronstadt, 9 S.