Biographie

Zedlitz und Leipe, Karl Abraham Freiherr von

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Kultusminister
* 4. Januar 1731 in Schwarzwaldau, Landeshut/Schlesien
† 18. März 1793 in Kapsdorf/Schlesien

Wohl kaum ein Abiturient, der heute mehr oder weniger mühsam das „Zeugnis der Reife" erlangt, ahnt, wem er diese Mühsal „zu verdanken" hat. Es ist derselbe, auf den Richard von Weizsäcker in einer Festrede als Vorbild echt preußischer Zivilcourage hinwies. Wer war dieser Mann?

Karl Abraham Freiherr von Zedlitz und Leipe wurde noch als österreichischer Untertan als zweites Kind von fünf Geschwistern geboren. Seine Mutter, Freifrau Eva, eine geborene Freiin von Czettritz, hatte sich zur Niederkunft in ihr Elternhaus begeben. Seine Kindheit verbrachte Karl Abraham auf dem väterlichen Rittergut Kapsdorf an der Weistritz, in der weiten fruchtbaren mittel-schlesischen Ebene, nördlich des Zobtenberges gelegen. Kapsdorf war seit 1647 in dritter Generation im Besitz des alten schlesischen Geschlechtes derer von Zedlitz, das sich rühmte, schon 1241 bei Liegnitz gegen die Mongolen gefochten zu haben. Der Vater, Karl Sigismund Freiherr von Zedlitz, das siebente von 14 Geschwistern, wurde unter Friedrich dem Großen Landrat von Schweidnitz. Als Karl Abraham zehn Jahre alt war, wurde Schlesien preußisch, was der weithin evangelische Adel des Landes freudig begrüßte. Der Jüngling besuchte ein Jahr lang die Ritterakademie zu Brandenburg, wechselte dann aber auf das damals berühmte „Collegium Carolinum" in Braunschweig über. Hier erhielt er, besonders durch den das Carolinum leitenden Abt Jerusalem, das geistige Rüstzeug, die ethische Prägung und die Grundlagen einer umfassenden Bildung, die für sein ganzes späteres Leben bestimmend werden sollten. Insbesondere waren es die Ideen der Aufklärung, wie sie am Carolinum vermittelt wurden, die sein Denken und Handeln fortan entscheidend beeinflußten. Während seines anschließenden Studiums der Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Halle kam es zu einer ersten persönlichen Begegnung mit dem Großen König, der ihm das Studium des englischen Philosophen Locke ans Herz legte. Nach Abschluß des Studiums führte Zedlitz sein Lebensweg in seine schlesische Heimat zurück, wo er mit 25 Jahren, nach dem Tode des Vaters, das Gut Kapsdorf übernahm. Trotzdem versagte er sich nicht dem Staatsdienst. 1759, mit 28 Jahren, war er bereits Oberamts- und Konsistorialrat in Breslau. Zwei Jahre später heiratete er eine Nachbarstochter, die gerade 15 Jahre alt gewordene Christiane von Schickfuß aus Rankau. Die Ehe blieb sehr lange kinderlos, erst auf den Tag genau 20 Jahre nach der Hochzeit wurde dem Ehepaar der einzige Sohn und Erbe geboren.

1764, Zedlitz war 33 Jahre alt, wurde er Präsident der Regierung in Breslau und schon sechs Jahre später holte ihn der König als Geheimen Staats- und Justizminister nach Berlin, wo er ein Haus vor dem Königstore bezog. Seit 1771 war er gleichzeitig Minister des Geistlichen Departements in Kirchen- und Schulsachen und wurde als solcher der Reorganisator des gesamten Volks- und höheren Schulwesens in Preußen. Dabei gründete er 1787 das Ober-Schulkollegium, die höchste Schulbehörde in Preußen. Besonderes Augenmerk legte er auf die Ausbildung qualifizierter Lehrer. Das philologische Seminar in Halle und das pädagogische Seminar in Berlin sind sein Werk und seine Gründung. Zwei Jahre lang ließ Zedlitz von den verschiedensten Kapazitäten an den preußischen Universitäten Gutachten über eine Reifeprüfung erarbeiten, die allein zum Studium an den Hochschulen berechtigen sollte. Auch Immanuel Kant im fernen Königsberg, der dem Minister in Freundschaft verbunden war und ihm „in tiefster Verehrung" seine „Kritik der reinen Vernunft" widmete, legte seine Meinung zu diesem Projekt nieder. 1789 wurden durch königliches Edikt für jede Provinz Prüfungskommissionen eingesetzt, die ab Ostern desselben Jahres an allen Gymnasien die von da ab erforderlichen Abiturientenexamen abnahmen.

Es würde zu weit führen, das umfangreiche Wirken dieses rastlosen Mannes in seinen mehr als dreißig Dienstjahren vollständig darzustellen. Sein Charakter, sein Fleiß (noch als Minister lernte er Griechisch!), sein umfassendes Wissen, seine ungewöhnlich vielseitigen Interessen und Fähigkeiten auch auf musischem Gebiet, trugen ihm die Achtung, ja Verehrung vieler Zeitgenossen ein, an ihrer Spitze Friedrichs des Großen selbst, der Zedlitz fachlich und menschlich hochschätzte. Nicht immer war das Verhältnis der beiden Männer zueinander ungetrübt. So wurde Zedlitz damals weit bekannt durch sein mannhaftes Auftreten dem König gegenüber in dem berühmten Prozeß des Müllers Arnold. Seinem Gewissen und der genauen Kenntnis der Rechts- und Aktenlage folgend, verweigerte er den Gehorsam einem Befehl Friedrichs gegenüber, dessen Ausführung eine Rechtsbeugung bedeutet hätte. „Über meinen Kopf können Majestät jederzeit befehlen, nicht aber über meine Ehre!", antwortete er seinem aufgebrachten König, nachdem dieser ihm bedeutet hatte, daß „sein Kopf wackele". Die Unstimmigkeiten wurden bereinigt und Zedlitz diente seinem Herrn in Treue bis zu dessen Tode 1786.

Ende 1789 führten Differenzen mit dem Nachfolger, Friedrich Wilhelm II., ausgelöst durch Intrigen des königlichen Günstlings Wöllner, zu seinem Rücktritt. Tief verletzt, doch voll Würde, zog er sich im Sommer 1790 auf sein Gut Kapsdorf zurück. Neben der Direktion der Ritterakademie zu Liegnitz kümmerte er sich nun intensiv um die Bewirtschaftung seines Besitzes, den er noch zu vermehren trachtete. Noch 1792 kaufte er die benachbarten Rittergüter Kammendorf und Sachwitz hinzu. Sein Sohn Heinrich war noch keine zwölf Jahre alt, als Karl Abraham am 18. März 1793, erst zweiundsechzigjährig, in Kapsdorf einem Schlaganfall erlag. Ein fünf Jahre vor seinem Tode gemaltes lebensgroßes Bild von Anton Graff zeigte ihn mit Frau und Sohn. 1945 wurde es, zusammen mit der gesamten Inneneinrichtung des Schlosses Kapsdorf, von plündernden Russen zerstört. Das Gut eignete sich der polnische Staat an, das Schloß verkam, und das schöne klassizistische Grabmal auf einer Insel im Park wurde gesprengt. Zedlitzens Werk aber wirkte fort, zum Teil bis heute. Seine vorbildliche, zutiefst menschliche Haltung straft das so weit verbreitete Zerrbild des preußischen Beamten Lügen. Richard von Weizsäcker bewog sie, Karl Abraham von Zedlitz, neben dem General von der Marwitz, als Beispiel echten Preußentums hinzustellen.

Lit.: Conrad Rethwisch: Der Staatsminister Freiherr von Zedlitz und Preußens höheres Schulwesen 21886. – Wolfgang Neugebauer: Bildung, Erziehung und Schule im alten Preußen, in: Bildung, Staat, Gesellschaft im 19. Jahrhundert, Nassauer Gespräche der Freiherr-vom-Stein-Gesellschaft, Bd. 2, hrsg. von K.-E. Jeismann, Stuttgart, 1989.

Bild: Zedlitz um 1792