Biographie

Zedlitz und Trützschler, Robert Graf von

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien), Posener Land
Beruf: Oberpräsident, Minister
* 8. Dezember 1837 in Freienwalde a.O.
† 21. Oktober 1914 in Charlottenburg/Berlin

Der (12.) Posener Oberpräsident Robert Graf v. Zedlitz-Trütz-schler war zwar nur wenige Jahre in Posen aktiv, aber in seiner Amtszeit wurde die Ansiedlungskommission in Posen eingerichtet, die eine heftige Reaktion seitens der Nationalisten auf beiden Seiten auslöste.

Die Familie Zedlitz gehört zu den uradeligen Geschlechtern Thüringens. Sie stammen aus dem Pleißenland und führen ihren Namen auf die Stammburg Zedtlitz bei Borna zurück. Die ersten Namensträger, die Brüder Henricus und Otto de Cedelitz, waren Ministeriale im Dienst des Reichs bzw. des Bistums Naumburg. Urkundlich tauchen sie 1190 erstmals auf. Um 1320 siedelten sich neun Brüder Zedlitz in Schlesien an und begründeten sieben Linien der Familie. Die Linie Wilkau wurde 1764 in den preußischen Grafenstand erhoben.

Die Familie von Zedlitz und Trützschler geht auf eine Vereinigung von zwei Familien zurück, auf Gottlieb v. Trützschler und Falkenstein, dem Neffen und Erben des Nikolaus Graf v. Zedlitz auf Frauenhain und Rungendorf (Chwałów und Rzędów, Kr. Schweidnitz, Schlesien). Am 22.2.1810 wurde er unter dem Namen v. Zedlitz-Trützschler in den preußischen Grafenstand erhoben.

Karl Eduard Robert Graf v. Zedlitz-Trützschler wurde am 8.12.1837 in Freienwalde a. d. Oder als Sohn des Landrats von Oberbarnim und späteren Regierungspräsidenten von Liegnitz, Karl v. Zedlitz-Trützschler, und der Ulrike v. Vernezobre-Lu-vrieux geboren. Er besuchte das Friedrich-Gymnasium in Breslau, das er aber bereits mit der Primareife verließ und zum Militär ging. Er strebte eine Offizierskarriere an und erwarb sein Patent im Jahr 1856 und diente bereits im selben Jahr als Regimentsadjutant im Garde du Corps. Der Militärdienst erwies sich dann letztlich nicht als seine Berufung und er verließ das Heer im Jahr 1862 als Major a. D.

Er entschied sich, in die Landwirtschaft zu gehen und übernahm vom Vater das Gut Nieder Großenborau (Borów, Kr. Frey­stadt); die Familie war im schlesischen Kreis Freystadt (Kożu­chów) begütert. Doch auch das genügte ihm nicht und er engagierte sich in der kommunalen Verwaltung und dem stän­dischen Vereinsleben. 1865 wurde er Vorsitzender des Ver­eins für Land- und Forstwirte des Kreises Freystadt. Auch im schle-sischen landwirtschaftlichen Verein war er als Vorstands­mitglied tätig, ebenso als Mitglied im Kreis- und Provinzial­ausschuss; in letzterem war er von 1879-81 Vorsitzender und vertrat oft den erkrankten Landeshauptmann. Er wurde auch den schlesischen Provinziallandtag gewählt.

Auch das Militär ließ ihn nicht los. Als überzeugter Patriot meldete er sich 1866 beim Krieg Preußens gegen Österreich freiwillig und diente als Adjutant im Stab der 11. Kavallerie-Brigade der 2. Armee. Auch 1870 meldete er sich wieder zu den Waffen und war Adjutant des Kommandos der immobilen Gardetruppen.

Anders als bei all seinen Vorgängern in Posen war v. Zedlitz-Trützschler kein Berufsbeamter; seine Verwaltungskarriere ent­wickelte sich eher zufällig. Als Vertreter des Landeshauptmanns war er mehrfach in Oberschlesien unterwegs, wo man nach einer Missernte Schlimmes befürchtete. Hier fiel er dem schlesischen Oberpräsidenten und damaligen Reichstagspräsidenten des Deutschen Kaiserreiches, Otto Theodor v. Seyde­witz (1818-1898), auf, der ihn der Regierung empfahl, die es mit ihm versuchte.

Im September 1881 wurde v. Zedlitz-Trützschler zum Regie­rungs­präsidenten in Oppeln ernannt, obwohl er nie eine ent­spre­chende Ausbildung genossen hatte. Dennoch erwies er sich als guter und fürsorglicher Verwalter. 1884 wurde er sogar in den Staatsrat berufen. Reichskanzler Otto v. Bismarck (1815-1898) erkannte sein Talent und hat ihn seither gefördert.

Im Jahr 1886 trug man v. Zedlitz-Trützschler den Vorsitz der Königlich Preußischen Ansiedlungskommission für die Provin­zen Posen und Westpreußen an, den er anfangs ablehnte, da er dessen Erfolg nur im Zusammenhang mit dem Oberpräsidium sah. Aus diesem Grunde wurde ihm im Juni 1886 das Amt des Posener Oberpräsidenten übertragen und im Juli 1886 wurde er zudem erster Vorsitzender der Ansiedlungskommission.

Zedlitz-Trützschler war ein Vertreter des harten nationalen deutschen Kurses. Für sein Amt, auch in der Ansiedlungskom­mission, schien er auch deshalb prädestiniert zu sein, da er Fachmann für Landwirtschaft war und die Ausweisungs­an­ord­nungen für Polen und Juden aus Russisch-Polen direkt umge­setzt hatte. Er war ein Vertreter des harten Kurses gegen das Polentum und als solcher musste er zum einen die Vorgaben der Berliner Regierung umsetzen, zum anderen vermittelnd und ausgleichend tätig werden. Dass er in Posen auf eine starke Ab­leh­nungshaltung traf ist klar, aber er war sehr diplomatisch in seinem Vorgehen und galt daher schon bald als ministrabel.

Im Juni 1888 galt er als Kandidat Kaiser Friedrich III. für die Nachfolge Robert v. Puttkamers (1828-1900) als Innen­minis­ter, im Herbst 1890 für den Landwirtschaftsminister Robert Freiherr Lucius v. Ballhausen (1835-1914) und im März 1891 für Kultusminister Gustav v. Goßler (1838-1902). Die erste Berufung scheiterte durch den Tod des Kaisers, die das zweite lehnte er ab.

Am 12.3.1891 wurde v. Zedlitz-Trützschler zum preußischen Kul­tus­minister ernannt und gab sein Amt in Posen ab. Er hatte es in Berlin von Anfang an schwer und war zum Scheitern verurteilt. Die Beamten lehnten ihn ab, da er weder das Abitur, noch studiert hatte. Es ging das böse Wort vom „Verrat am deutschen Geistesleben“.

Zedlitz-Trützschler scheiterte Anfang 1892 mit seinem Volks­schulgesetzentwurf und trat am 23.3.1892 zurück. Kaiser Wilhelm II dies sah als persönliche Beleidigung an. Sein Volks­schulgesetz war ausgesprochen christlich-konservativ geprägt. Die Religion sollte das höchste Bildungsziel sein und die Kirchen sollten als wichtigste Bildungsinstitutionen festgeschrieben werden. Er versuchte damit das Zentrum in die Regierungspolitik einzubinden. Die direkte Folge dieses Gesetzentwurfes war ein öffentlicher Sturm des Protestes bislang un­bekannten Ausmaßes aus dem liberalen bis gemäßigten konservativen protestantischen Bürgertum. Der Aufruhr war so groß, dass auch der preußische Ministerpräsident Leo Graf v. Caprivi (1831-1899) ebenfalls sein Amt verlor.

Zedlitz-Trützschler zog sich daraufhin auf sein Gut zurück, wurde aber weiterhin in der hohen Politik gehandelt. 1894 war er im Gespräch als Nachfolger des Reichskanzlers Leo Graf v. Caprivi, ebenso 1894 als Oberpräsident von Schlesien, 1895 als Innenminister und 1897 als Oberpräsident für die Provinz Schleswig-Holstein – alle Vorschläge scheiterten am Einspruch des sich persönlich beleidigt fühlenden Kaisers.

Erst 1896 nahm er wieder ein höheres Amt an und wurde Vorsitzender der Landwirtschaftskammer Schlesien. Zwei Jahre später erfolgte seine Ernennung zum Oberpräsidenten der preußischen Provinz Hessen-Nassau in Kassel. Hier hat er sich aber nicht wohl gefühlt und bemühte sich um seine Versetzung, die ihm 1903 – gegen den Widerstand des Kaisers – dank der Unterstützung durch den Reichskanzler Bernhard Graf v. Bülow (1849-1929) auch erhielt. Im September 1903 wurde er ins Oberpräsidium nach Breslau versetzt.

Hier in seiner Heimat erfuhr er eine große Würdigung seiner Tätigkeit. Er erhielt die Ehrendoktorwürde und den Titel eines Dr. Ing. der Technischen Hochschule in Breslau. Zur Ehren­bür­gerschaft von Posen gesellte sich die von Breslau und Schweid­nitz (Świdnica). Obwohl er nie die offizielle Beamtenlaufbahn eingeschlagen hatte, erhielt er die Ernennung zum königlich preußischen Wirklichen Geheimen Rat und ihm wurde der Schwarze Adlerorden verliehen.

Seit 1909 war v. Zedlitz-Trützschler Mitglied der Immediats­kommission zur Verwaltungsreform, deren stellvertretender Vor­sitzender er 1913 wurde. Seit 1910 gehörte Zedlitz zudem dem preußischen Herrenhaus als Mitglied auf Lebenszeit an.

Im Jahr 1909 trat er aus Altersgründen vom Amt des Ober­präsidenten der preußischen Provinz Schlesien zurück. Robert Graf v. Zedlitz und Trützschler verstarb am 24.10.1914 in Charlottenburg.

Er war seit 1862 mit Agnes Emilie v. Rohr-Levetzow (1840-1928) verheiratet gewesen, mit der er zwei Söhne und vier Töchter hatte.

Lit.: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20, Leipzig 1909, S. 862. – Bernd Haunfelder, Biographisches Handbuch für das preußische Abgeordnetenhaus 1849-1867, Düsseldorf 1994. Reihe: Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Band 5. – Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866-1918. Arbeitswelt und Bürgergeist. München 1990, S. 535 f. – Klaus Schwa­be (Hrsg.), Die preußischen Oberpräsidenten 1815-1945, Bop­pard am Rhein 1985, S. 306.

Bild: Archiv der Kulturstiftung.

Martin Sprungala