Biographie

Zweig, Max

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Dramatiker
* 21. Juni 1892 in Proßnitz/Mähren
† 5. Januar 1992 in Jerusalem

Seine Wiege stand im mährischen Proßnitz des ausgehenden 19. Jahrhunderts, er war der Vetter des Schriftstellers von Weltruhm, Stefan Zweig, und sein Vater war der letzte Bürgermeister der bis 1918 bestehenden politisch autonomen jüdischen Gemeinde in Proßnitz. Am 5. Januar 1992 verstarb der viel zu wenig bekannte jüdisch-deutsche Dramatiker Max Zweig mit fast 100 Jahren.

Geboren wurde Max Zweig als Sohn des Dr. Gustav und der Helene Zweig, geborene Rottberger, im mährischen Proßnitz. Zweig stammte aus einer Familie des gehobenen jüdischen Standes und – wie er in seiner Autobiographie schreibt: „Die vielstämmige Familie Zweig zählte zu den ältesten und angesehensten der Judengemeinde Proßnitz; sie war dort etwa seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ansässig.“ Wie sein Großvater Markus Zweig, war auch sein Vater, der Advokat Gustav Zweig, Bürgermeister der politisch bis 1918 autonomen jüdischen Gemeinde – bis die Tschechoslowakei errichtet wurde. Zudem rühmte sich seine Großmutter – wie er weiter schreibt – „einen berühmten Onkel, Moritz Steinschneider, zu haben, der ein bedeutender Gelehrter und einer der angesehensten Hebraisten seiner Zeit war.“ Steinschneider wird heute auch als „Vater der hebräischen Bibliographie“ bezeichnet.

Die weitaus „bedeutendste Verwandtschaft“ jedoch, die Max Zweig hatte, war einer der berühmtesten Schriftsteller Österreichs: Stefan Zweig. In welcher Form Max mit seinem Vetter in Kontakt kam, beschreibt er in seiner Autobiographie: „Ich lernte Stefan Zweig kennen, dem mein Name nicht fremd war. Damals war er noch nicht der weltbekannte Schriftsteller, aber schon ein anerkannter Autor und die höchste geistige Autorität für alle Mitglieder der Familie. Einer meiner Olmützer Onkel hatte ihm Bruchstücke meiner Arbeiten (anderes besaß ich damals nicht) zur Beurteilung vorgelegt, und sein Votum lautete: ‚Zweifellos eine starke Begabung, aber eine unzeitgemäße, er wird es im Leben sehr schwer haben.‘“ Während seiner Studienzeit in Wien besuchte Max seinen Vetter des Öfteren, schnell merkte er aber, dass er aufgrund des doch recht großen Altersunterschied und nicht zuletzt dem Unterschied in den Lebensverhältnissen, Max „so etwas wie die Rolle des ‚armen Vetters‘ einnahm und sich daraufhin selten machte.“ Seinen letzten Eindruck von Stefan beschreibt Max folgendermaßen: „Ich kann nicht sagen, dass er auf mich einen tieferen Eindruck gemacht hat; er wirkte wie ein sehr gebildeter, sehr kultivierter und wohlwollender Mensch, der sonderbar gesichtslos, ohne jede Ausstrahlung; niemals hatte ich die Empfindung, einem großen Geiste oder einer starken oder gar bedeutenden Persönlichkeit gegenüberzustehen.“

Seine Schulzeit verbrachte Zweig in Olmütz, „einer Stadt von alter Kultur“, wie er das Kapitel betitelt, das er seiner Schulzeit widmete. Dort beschreibt er sehr detailliert seine Mitschüler, die Plätze, an denen er sich aufhielt und seine ersten Begegnungen mit dem Drama im Olmützer Theater.

Trotz seiner Interessen für Kunst und Kultur, vor allem für die Dramatik, nahm Zweig im Oktober 1910 das Jurastudium in Wien auf, das sein Vater von ihm verlangte, ihm aber im Gegenzug nach dem absolvierten Studium einen regelmäßigen Unterhalt über die Dauer von zwei Jahren versprach. Das Jusstudium jedoch sollte ihn insgesamt 10 Jahre kosten. 10 Jahre die, wie er schreibt, vergeudet gewesen seien. „So kam es, dass ich erst sehr spät in meine schöpferische Phase gelangte, und dass in meinem Werk die Jugendproduktion fast völlig fehlt, welche gerade bei einem Dramatiker von großer Wichtigkeit ist“, so Zweig in seinen Lebenserinnerungen. Seine Lebenswege führten Zweig über Berlin und Wien zeitweise auch wieder in seine Heimatstadt Proßnitz in Mähren zurück. Dorthin flüchtete er sich mit seiner Ehefrau Grete Löhr vor den Nationalsozialisten. 1937 entstand dort unter anderem das Drama Die Marranen, mit dem er seinen wohl größten Erfolg feiern konnte. Aus beruflichen Gründen – die Aufführung der Marranen durch das erste hebräische Theater, die Habima in Tel Aviv, die Zweig betreuen und begleiten sollte – reiste er 1938 nach Palästina. Zuvor war das Stück bereits ins Hebräische durch Avigdor Hameiri übersetzt worden. Angedacht waren wenige Monate, aber er sollte seine Frau Grete erst neun Jahre später wieder sehen. Und so schreibt er: „Aber die Übersetzung und die Einstudierung des Stückes nahmen weit mehr Zeit in Anspruch, als wir berechnet hatten, und als die Premiere endlich in den letzten Dezembertagen 1938 – mit sehr großem Erfolg – stattfand, hatte die Macht Hitlers sich bereits so ungeheuerlich vergrößert, dass die Länder, welche ich auf der Rückreise nach der Tschechoslowakei passieren musste, mir die Durchfahrt verweigerten. Ich war genötigt, in Palästina zu bleiben.“itlHi

Während seines Aufenthaltes in Proßnitz vollendete Zweig das Drama Ghetto Warschau. Dass der Aufenthalt Zweigs jedoch nicht von langer Dauer sein konnte, war ihm und seiner Frau schon bald klar. Zweig schreibt über seine Eindrücke folgendermaßen: „Ich fühlte mich in Proßnitz nicht wohl. Ich war völlig isoliert und hatte keine Bekannten; Juden gab es dort kaum, und mit Tschechen pflegte ich keinen Verkehr, schon deshalb nicht, weil ich ihre Sprache nur sehr mangelhaft beherrschte. Ich war aus einem Land mit einer zuversichtlichen, zukunftsfreudigen Bevölkerung in ein anderes gekommen, dessen Atmosphäre verhängt und von bangen Zukunftsahnungen verdüstert war.“ Nach seiner Abreise in das spätere Israel sollte Max Zweig seine Frau Grete erst wieder 1961 sehen. So vergingen die Lebensjahre von Max Zweig, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Seinem Lebenstraum und seiner Leidenschaft, das Weltgeschehen durch seine Dramen zu spiegeln – ganz gleich ob historisch oder zeitgeschichtlich – war er immer treu geblieben. Dafür hatte er es in Kauf genommen, getrennt von seiner Frau Grete in Jerusalem zu leben und bis ins hohe Alter seinen Lebensunterhalt mit dem Verfassen von Dramen zu verdienen. So schreibt er auch am Schluss seiner Autobiographie: „Ich gab mich dieser Arbeit, die ich in wachsendem Maße als ein kostbares Geschenk empfand, mit einer Leidenschaftlichkeit hin, die schon an Besessenheit grenzte.“ Und weiter stellt er fast schon melancholisch fest: „Ich durfte mein vergangenes Leben ein zweites Mal durchleben, bewusster und heiterer, als ich im wirklichen gewesen war.“

Auch wenn die vielfach zitierte Autobiographie von Max Zweig nur eine einseitige Sicht auf sein Leben darstellt, können wir dankbar sein, über das Leben und Wirken eines großen jüdisch-deutschen Mährers und Dramatikers durch seine Lebenserinnerungen informiert zu sein. In einschlägigen Lexika ist er zu Unrecht jedenfalls nur selten und wenn, dann sehr knapp berücksichtigt.

Werke: Zweig, Max, Lebenserinnerungen (mit einem Vorwort von Hans Mayer), Jerusalem 1987.

Lit.: Werke in Einzelbänden [Zweig, Max], Hrsg. von Eva Reichmann, Oldenburg.

Bild: Cover von Max Zweig, Lebenserinnerungen, Gerlingen 1987.

Julia Nagel