Biographie

Zwirner, Ernst Friedrich

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Baumeister, Architekt
* 28. Februar 1802 in Jakobswalde
† 22. September 1861 in Köln

Nach mehr als 600 Jahren Bauzeit wird 1880 der Kölner Dom, das beliebteste Bauwerk Deutschlands und eine der monumentalsten Kirchen in Mitteleuropa, fertig gestellt. Dass nach jahrhundertelanger Bauunterbrechung der Dom im 19. Jahrhundert den ursprünglichen Plänen folgend vollendet wurde, ist ganz wesentlich dem oberschlesischen Baumeister Ernst Friedrich Zwirner zu verdanken.

Ernst Friedrich Zwirner wurde am 28. Februar 1802 im oberschlesischen Jakobswalde nahe Cosel geboren. Sein Vater Ernst Friedrich Traugott Zwirner, Hütteninspektor und Polizei-distriktkommissar hatte mit seiner Frau Eleonore Helene Marianne Augustini insgesamt 12 Kinder. Ernst Friedrich war das vierte. Von 1816 bis 1819 besuchte er das Gymnasium in Brieg. Die daran anschließende Ausbildung an der Bauschule in Breslau schloss er mit der Prüfung als Feldmesser ab. Nach seiner einjährigen Militärzeit war er 1822 als Vermessungs-kondukteur in Breslau tätig.

Bereits ein Jahr später zog es Zwirner nach Berlin, wo er ein Studium an der Bauakademie begann. Während dieser Zeit lernte er Karl Friedrich Schinkel kennen, der seinen weiteren Werdegang maßgeblich beeinflusste. 1828 schloss Zwirner das Studium als Baukondukteur ab. Seine erste Aufgabe war die Leitung des Rathausbaus in Kolberg nach Plänen von Schinkel. In den folgenden Jahren entwarf Zwirner auch das Löwengebäude der Universität in Halle, ferner wird ihm die Mitarbeit und Bauleitung an verschiedenen von Schinkel entworfenen Gebäuden zugeschrieben, wie zum Beispiel der reformierten Kirche in Kolberg oder dem Leuchtturm auf Kap Arkona. Insgesamt jedoch ist von seiner Bautätigkeit vor seiner Zeit in Köln wenig überliefert. Im Januar 1830 wurde Zwirner schließlich als Hilfsarbeiter bei der Oberbaudeputation in Berlin eingestellt und noch im gleichen Jahr zum Landbaumeister befördert. Um eine weitere Beförderung innerhalb des Amtes bemühte er sich vergeblich.

Im Jahr 1833 erhielt Zwirner die Berufung nach Köln, wo er nach dem Tod Friedrich Adolf Ahrlerts die Restaurierungsarbeiten am Dom durchführen sollte. Ein weiteres Angebot, als Stadtbaurat nach Magdeburg zu gehen, lehnte er ab. Zunächst stand Zwirner der Ernennung zum Leiter der Domrestaurierung skeptisch gegenüber, fürchtete er doch als Protestant im katholischen Köln größere Schwierigkeiten. Über seine Berufung schrieb er, dass er die Stelle damals weder gesucht noch gewünscht habe. Dass er schließlich trotzdem nach Köln ging, mag dem Reiz dieser anspruchsvollen Tätigkeit wie auch dem Einfluss Schinkels zu verdanken sein, der ihn offenbar für qualifiziert genug hielt, diese Aufgabe zu bewältigen.

So trat er, nach einer letzten Reise in seinen Heimatort, wo er sich von seiner Familie verabschiedete, mit seiner jungen Frau Agnes Lehmann die Reise nach Köln an. Am 14. August 1833 übernahm er die Leitung der Dombauarbeiten in Köln, was fortan zu seiner Lebensaufgabe werden sollte. Von Beginn an widmete er sich mit großem Engagement seiner neuen Tätigkeit und verfolgte konsequent das Ziel, nicht nur das Vorhandene zu restaurieren, sondern den Dombau zu vollenden. Rückendeckung erhielt er von seinem Lehrer und Förderer Schinkel, der bereits 1816 in einem Gutachten vermerkte, dass eine Sicherung des Gebäudes langfristig nur durch einen Fortbau gewährleistet werden könne. Doch bezüglich der Ausführung waren sich die beiden nicht einig, da Schinkel aus Kostengründen eine vereinfachte Bauweise vorsah. Es ist Zwirners Verdienst, dass der Dom dem ursprünglichen Plan des Mittelalters entsprechend fertig gestellt wurde. Neun Jahre hat Zwirner darum gerungen, den Dom der Vollendung entgegenzuführen. Im Januar 1842 schließlich entschied Friedrich Wilhelm IV. den Weiterbau des Domes, es folgte am 4. September des gleichen Jahres die feierliche zweite Grundsteinlegung in Anwesenheit des preußischen Königs. Der Dombau schritt in den fol-genden Jahren zügig voran, 1852 wurde feierlich der Schlussstein am Westportal eingefügt, 1855 folgte die Fertigstellung des Südportales.

Einen besonderen Verdienst erwarb sich Zwirner zudem um die Organisation der Dombauhütte, mit deren Aufbau sein Vorgänger bereits begonnen hatte. Die hier über Jahre ausgebildeten Steinmetze erlangten eine hohe Kunstfertigkeit, um auch die anspruchsvollen Arbeiten am Dom ausführen zu können. Die Bauleute genossen europaweit einen sehr guten Ruf und waren begehrte Fachleute. Einige aus der Dombauhütte hervorgegangene Steinmetze und Baumeister erlangten selbst große Bekanntheit. 1855 wurde die Dombauhütte auf der Weltausstellung in Paris mit einer Goldmedaille geehrt. Zwirner war nicht nur um die Ausbildung aber auch um das Wohl seiner Mitarbeiter besorgt. So gründete er 1835 eine Krankenkasse für die Domsteinmetze und bemühte sich um einen besseren Arbeitsschutz. Sein Engagement für die Familien seiner Facharbeiter belegen zahlreiche Dankesbriefe der Familien.

Aber nicht nur als Dombaumeister machte Zwirner sich einen Namen, sondern auch als Architekt und Gutachter. So hatte er großen Einfluss auf den rheinischen Kirchenbau des 19. Jahrhunderts. Die Zahl der von ihm entworfenen oder restaurierten Kirchen, katholische wie evangelische, ist groß. Sein bedeutendstes Werk neben dem Kölner Dom war die Apol-linariskirche in Remagen, die zwischen 1839 und 1843 nach seinen Plänen errichtet wurde. Trotz seiner Vorliebe für die gotischen Formenelemente ist sein Werk durch eine große stilistische Bandbreite gekennzeichnet. Auch eine Reihe von Profanbauten gehen auf das Konto von Zwirner, darunter viele Stadthäuser und Villen, aber auch Schlösser und öffentliche Gebäude, wie das Gebäude der landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn, Schloß Herdringen, die Umbauten in Schloß Moyland, Schloß Arenfels und dem Mäuseturm. Daneben gestaltete er auch Denkmäler und Grabmonumente.

Die Kölner schauten seinerzeit mit Bewunderung auf ihren Dombaumeister, was sie bei Ereignissen wie etwa seinem 25jährigen Dienstjubiläum zum Ausdruck brachten. Sein Engagement für die Arbeiter in der Dombauhütte und seine Bemühungen in Notfällen Hilfe zu organisieren, wurden sehr geschätzt. Sein guter Ruf als Baumeister und Gutachter brachte ihm1853 sogar eine Berufung ins Ministerium ein, die er aber ablehnte.

Die Vollendung des Domes 1880 erlebte Zwirner nicht mehr. Am 22. September 1861 erlag er nach längerem Leiden einer Lungenlähmung. Nach seinem Tod erwiesen ihm die Kölner ein nie gesehenes Trauergeleit. Unter großer Anteilnahme wurde er am Melatenfriedhof beigesetzt, wo er ein Ehrengrab der Stadt Köln erhielt.

Lit.: Andreas Pilger/Kathrin Steiner, Ernst Friedrich Zwirner – sein Leben, sein Werk, seine Zeit, in: Das Kölner Dombaufest von 1842. Ernst Friedrich Zwirner und die Vollendung des Kölner Doms, hrsg. vom Oberschlesischen Landesmuseum Ratingen, 1992, S. 15-62. – Willy Weyres, Ernst Zwirner, in: Schlesische Lebensbilder, Bd. 5, Würzburg, 1968, S. 99-106. – Willy Weyres, Ernst Friedrich Zwirner (1802-1861), in: Rheinische Lebensbilder, hrsg. v. d. Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde. Bd. 3, Düsseldorf 1968, S. 173-189. – Sulpiz Boisserée, Der Briefwechsel mit Moller, Schinkel und Zwirner, Köln 2008.

Bild: Ernst Friedrich Zwirner im Jahre 1862, Dombauarchiv.

Silke Findeisen