Vortrag, 16.06.2021

Hybridität und Metamorphose

Wissenschaftlicher Vortrag von Neil Stewart über Franz Kafka und Karel Hlaváček

 

Heutzutage dürften die allermeisten Leser das erwähnte Motiv zwar auch mit dem Prager Fin de siècle assoziieren, dabei aber nicht so sehr an Hlaváček denken wie an Franz Kafkas Erzählung Die Verwandlung, eines der prominentesten und meistanalysierten Werke der modernen Literatur: die Geschichte des unglücklichen jungen Handlungsreisenden Gregor Samsa, welcher über Nacht Insektengestalt angenommen hat, von seiner Familie versteckt gehalten, zunehmend ausgegrenzt und misshandelt wird und sich schließlich aus dem Leben hungert. Dass dieser intertextuellen Parallele noch niemand nachgegangen ist, belegt den problematischen Separatismus, mit dem man sich der multiethnischen und zweisprachigen Prager Moderne von germanistischer wie bohemistischer Seite lange Zeit genähert hat.

Im Vortrag sollen einige Grundzüge dieser komparatistischen Konstellation skizziert werden, und zwar mit einem Seitenblick auf den legendären Essay Kafka. Pour une littérature mineure, in dem es die französischen Poststrukturalisten Gilles Deleuzes und Félix Guattari 1975 unternahmen, bestimmte rätselhafte ‚kafkaeske‘ – ‚hlaváčeksche‘? – Schreibweisen aus dem ethnisch-kulturell und linguistisch komplexen Milieu der Prager Jahrhundertwende herzuleiten.

Neil Stewart (geb. 1971) ist Komparatist und Slavist und unterrichtet Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Bonn. Seine Dissertation zur Rezeption des englischen Romanciers Laurence Sterne in Russland erschien 2005, seine Habilitationsschrift Bohemiens im böhmischen Blätterwald. Die Zeitschrift Moderní revue und die Prager Moderne im Jahre 2019. Sie wurde 2020 mit dem Otokar-Fischer-Preis ausgezeichnet.

 

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