Temeswar / Timişoara ist in diesem Jahr europäische Kulturhauptstadt, was nicht nur die Stadt, sondern eine ganze historische Region – das Banat – in den Blick rückt. Seit dem 19. Jahrhundert bis in unsere Gegenwart, von Nikolaus Lenau (1802–1850) bis zu Herta Müller (geb. 1953), hat das Banat eine beeindruckende Reihe von Schriftstellerinnen und Schriftstellern hervorgebracht, die in deutscher Sprache Werke schufen, die die deutsche und österreichische, zugleich aber auch die rumänische, ungarische und serbische Kultur bereicherten. Gerade die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hat in dieser nunmehr nationale Grenzen überschreitenden Region Europas zu gravierenden politischen Umbrüchen geführt, die einzelne Lebensläufe ebenso prägten wie die dort entstehende oder darauf bezogene Literatur.
Die Fachtagung will sich den Autorinnen und Autoren zuwenden, die einer deutschsprachigen Literatur der historischen Region Banat nach 1945 hinzugerechnet werden können. Dabei sollen Lebensläufe und Werke solcher Schriftstellerinnen und Schriftsteller in den Blick genommen werden, die 1) entweder bis zu ihrem Tod in den Nationalstaaten dieser Region lebten und (auf Deutsch) schrieben, die 2) nach 1945 von dort nach Österreich oder in das geteilte Deutschland emigrierten und dort über ihre ‚Heimat‘ schrieben, oder die 3) dorthin später auswanderten, in den Jahren vor oder nach den politischen Umbrüchen in den Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes. Hochdeutsche und mundartliche Literatur sollen dabei gleichermaßen betrachtet werden.
Die Tagung setzt die im Jahre 2020 begonnene Reihe der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen fort, in der internationale Fachtagungen jeweils ein kulturelles Zentrum bzw. eine zentrale kulturelle Region im alten deutschen Sprachraum des Ostens behandeln. Dabei sollen ganz bewusst einzelne Autorinnen und Autoren in den Blick genommen werden, um literarische Werke gerade auch für eine breitere interessierte Leserschaft in einer Weise zu erschließen, die Dichtende und Texte aus dem alten deutschen Sprach- und Kulturraum des Ostens für das kulturelle Gedächtnis Deutschlands wiedergewinnt und erhält. Publikationen zu den Tagungen in der Reihe „Literarische Landschaften“ trägt zu dieser aktiven Vermittlung von Forschung in eine weitere Öffentlichkeit bei.
Das Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus
In die Programmgestaltung war mit Frau Dr. Maria Werthan, die Landsmannschaft der Banater Schwaben eng mit eingebunden. Neben dem Bundesvorsitzenden der Banater Schwaben, Herrn Peter-Dietmar Leber, werden auch weitere zentrale Einrichtungen der Banater Schwaben bei der Tagung vertreten sein, denn Wissenschaft und Landsmannschaft sowie deren Vernetzung gehören für die Kulturstiftung zusammen. Gleiches gilt für die deutsche Minderheit vor Ort. So wird u.a. auch der Vorsitzende der deutschen Minderheit in Rumänien, Paul-Jürgen Porr, an der Tagung teilnehmen. Zudem findet die Tagung selbst, nach einer Eröffnungsveranstaltung im Rathaus, im Begegnungshaus der deutschen Minderheit, im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus statt.
Sowohl Dominic Fritz, Bürgermeister von Timișoara / Temeswar und Regina Lochner, Konsulin der Bundesrepublik Deutschland in Timișoara / Temeswar werden im Rathaus zur Eröffnung ein Grußwort an die Teilnehmer richten.
Das Nikolaus-Lenau-Gymnasium
Was die Fachtagung im Bereich Literaturgeschichte anbelangt, so steht die Veranstaltung konzeptionell in einer Reihe mit den vorangegangenen Tagungen der Kulturstiftung – angefangen von deutschsprachiger Literatur in Danzig, in der Wolgaregion, in Böhmen, über Literatur im Baltikum bis hin in 2023 zur Literatur im Banat, zu der sich erneut hoch renommierte Wissenschaftler ihre Teilnahme angekündigt haben. Das übergeordnete Tagungsziel ist nach Beendigung der Tagungsreihe, die sich über mehrere Jahre erstreckt, eine vergleichende Studie zur deutschsprachigen Literatur in den verschiedenen Regionen des östlichen Europa.