Ereignis vom 1. Januar 1748

Bauernschutzgesetzgebung in Preussen

König Friedrich II. begutachtet den Kartoffelanbau in Preußen

Der Dreißigjährige Krieg hatte im 17. Jahrhundert in Brandenburg-Preußen zu einem drastischen Rückgang der Einwohnerzahl geführt. Hiervon hatte sich das Land noch nicht erholt, als Anfang des 18. Jahrhunderts in einzelnen Gebieten nahezu ein Drittel der Bevölkerung der Pest zum Opfer fiel. Aus fiskalischen wie militärischen Gründen gehörte daher die Besiedlung Preußens mit einheimischen wie ausländischen Kolonisten zu den vorrangigsten Staatszielen seiner Herrscher. Als bekannteste Maßnahme im Rahmen dieser Peuplierungspolitik sei hier nur an die Ansiedlung der Hugenotten ab 1685 oder an die Urbarmachung des Oder-, Neiße- und Warthebruchs erinnert. Damit einher ging die Umstrukturierung der landwirtschaftlichen Nutzflächen auf dem „platten Land“, die das Bild Preußens in dieser Zeit prägten. Hierzu gehörte zum einen die Gründung und der Ausbau der Domänen (Staatsgüter), zum anderen das Bestreben der meist adligen Gutsherren, wüst gewordene Bauernhöfe nicht wieder neu zu vergeben, sondern ihren eigenen Gütern zuzuschlagen. Dieses „Abschlachten“ der Bauerngüter, auch Bauernlegen genannt, wurde dadurch begünstigt, daß nach dem Dreißigjährigen Krieg viele Bauern in Ermangelung finanzieller Mittel ihre Höfe nicht hatten kaufen kön¬nen, sondern lediglich Laßbesitz daran erworben hatten. Dieser konnte – sofern er nicht erblich war – jederzeit vom Gutsherrn gekündigt werden. Erste Versuche, die Herabstufung selbständiger Bauern zu Insten oder Kossäten zu verhindern, hatte bereits 1739 Friedrich Wilhelm I. unternommen. Dem war jedoch kein nennenswerter Erfolg beschieden, zumal auch die Domänen sich des Bauernlegens bedienten, um die Staatsgüter zu vergrößern und ertragreicher werden zu lassen.

Durchsetzen konnte sich vielmehr erst die 1748 einsetzende Bauernschutzgesetzgebung Friedrichs des Großen. Dessen da-mit zumindest anfangs vordringlich verfolgtes Ziel war es, ausgemusterten Soldaten durch die Versorgung mit neuen (wieder ausgegliederten) Bauernstellen eine Existenzgrundlage zu schaffen und die einsetzende Landflucht zu verhindern. Letzter Auslöser für die Verbote des Bauernlegens, die in den Jahren nach 1748 in dichter Folge immer wieder erneuert wurden – ein Zeichen für die Hartnäckigkeit, mit der sich der vermeintlich in seinen Eigentumsrechten verletzte Adel diesem Verbot widersetzte – war ein Beschluß der pommerischen Kammer unter ihrem Präsidenten E.W. v. Schlabrendorff. Dieser erlangte wegen seines jahrzehntelangen Kampfes gegen das Bauernlegen und für die Bauernbefreiung in der Folgezeit als „Bauernprotektor“ große Berühmtheit. Die zunächst auf Einzelfälle, dann auf Schlesien und Pommern beschränkten Regelungen wurden alsbald auf die anderen preußischen Provinzen ausgedehnt: Mit einer Order vom 12.8.1749 erging ein „Edict, … nach welchem allen und jeden Dero Vasallen … bei namhafter Strafe verboten wer¬den soll … jemalen einen Bauern- und Kossätenhof eingehen zu lassen und die Äcker und Wiesen davon zu ihren eigenen Gütern und Vorwerkern zu schlagen“.

Da die Zerschlagung der Bauerngüter zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits weit vorangeschritten war, erwies sich ein solches lediglich künftige Fälle erfassendes Verbot, selbst wenn es durchgesetzt werden konnte, als ungenügend. Auch führte der Siebenjährige Krieg zu einem drastischen Anstieg der Zahl der wüst gewordenen Höfe, denen eine Einziehung durch die Grundherren oder die Zusammenlegung mit anderen Höfen drohte. 1764 bewirkt daher der nunmehrige Provinzialminister für Schlesien v. Schlabrendorff zunächst für sein Gebiet den Erlaß eines Edikts, das eine Rückführung der Besitzverhältnisse an Bauerngütern auf den Zustand im als Normaljahr festgelegten Jahre 1723 vorsah. Nachdem sich diese Regelung für Schlesien bewährt hatte, wurde sie wenig später mit geringfügigen Modifikationen auch für die meisten übrigen Landesteile in Kraft gesetzt. Mit einem Edikt vom 12.7.1764 ließ Friedrich der Große verkünden: „So ist unser ernstlicher Wille und Befehl: daß alle wüste Bauer- … Stellen derer kleinen Leute des platten Landes und zu denen Vorwerckern eingezogene Aecker, welche seit Anno 1740, besonders aber diejenigen, die seit dem letzten Kriege de Anno 1756 wüste geworden und eingezogen sind, und zwar letztere von dato dieser unser allerhöchst declarirten Willensmeinung an binnen 1 Jahr wiederum retabliret und … wieder besetzet … werden sollen“. Ergebnis dieser Maßnahme war, daß innerhalb kürzester Zeit in Preußen die Zahl der Bauernstellen wieder in etwa auf die vor dem Siebenjährigen Krieg zurückgeführt und auf dieser Höhe bis zu den Stein-Hardenberg’schen Reformen erhalten werden konnte.

Ein endgültiges Verbot des Bauernlegens für ganz Preußen enthielt dann das Allgemeine Landrecht von 1794, das im 7. Titel seines 2. Teils bestimmte: „§ 14. Die Anzahl der bäuerlichen Besitzungen auf dem Lande soll weder durch Einziehung der Stellen, … noch durch das Zusammenschlagen derselben vermindert werden. § 15. vielmehr sind die Gutsherrschaften, für die gehörige Besetzung der vorhandenen beackerten Stellen und Nahrungen in den Dörfern … zu sorgen schuldig.“ Erst deutlich später wurde auch die eng mit der Bauernschutzgesetzgebung verwandte Bauernbefreiung, abzielend auf die Beseitigung der persönlichen Unfreiheit der Bauern, verwirklicht. Nach vorangegangenen Erleichterungen zu Gunsten der Domänenbauern 1777 verkündete ein 1807 im Rahmen der Stein-Hardenbergschen Reformen erlassenes Edikt: „Mit dem Martini-Tage Eintausend Achthundert und Zehn (1810) hört alle Guts-Unterthänigkeit in Unsern sämmtlichen Staaten auf“. Letzte Relikte wie die Patrimonialgerichtsbarkeit des Gutsherrn blieben allerdings noch erhalten und fielen erst bei der Umsetzung der Forderungen der preußischen Verfassung durch eine Verordnung vom Januar 1849.

Lit.: H. Conrad: Deutsche Rechtsgeschichte II, Karlsruhe 1966, S. 220 ff. – G. Franz (Hrsg.): Quellen zur Geschichte des deutschen Bauernstandes in der Neuzeit, Darmstadt 1963. – O. Hintze: Zur Agrarpolitik Friedrichs des Großen, in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 10 (1898), S. 275ff. – O. Hötzsch: Der Bauernschutz in den deutschen Territorien, in: Schmollers Jahrbuch 26, 1902. – H. Kaak: Die Gutsherrschaft, Berlin/New York 1991. – G.F. Knapp: Die Bauern¬befreiung und der Ursprung der Landarbeiter in den älteren Theilen Preußens, Leipzig 1887. – F. Lütge: Geschichte der deutschen Agrarverfassung vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert, 2. Aufl. Stuttgart 1967.

Bild: Robert Warthmüller: Der König überall, Ölgemälde von 1886. – König Friedrich II. begutachtet den Kartoffelanbau in Preußen. Die verklärende Darstellung zeigt Friedrich als „guten Landesvater“, der sich volksnah und aufopfernd um das Wohl seiner Bauern kümmert. / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Ina Ebert