Ereignis vom 1. Januar 1921

Bodenreform in Rumänien

Ferdinand von Rumänien

Als König Ferdinand I. von Rumänien aus seinem kriegsbedingten Rück­zugsquartier in Iasi/Jassy zweimal kurz nachein­ander, am 5. April und am 6. Mai 1917, eine größere Landum­verteilung nach Kriegsende in Aussicht stellte, befanden sich die Regierung, das Heer und auch die Landwirtschaft Altru­mäniens in einer seit längerem währenden Krise. In der Lan­deshaupt­stadt Bukarest, die am 6. Dezember 1916 von den Truppen der Zentral­mächte besetzt worden war, und über den ganzen Süden und über Teile des Westens (Oltenien, Walachei, Dobrudscha und westliche Moldau bis zum Sereth) richteten die Sieger die sog. „Militärverwaltung Rumänien“ ein, Ge­ne­ralfeldmarschall v. Mackensen war der dort residierende Kommandant.

Der größere Teil des rumänischen Heeres, überwiegend man­gelhaft ausgebil­dete und gerüstete Bauernsöhne, hatte sich gleichfalls hinter die Serethlinie zurückgezogen und wartete ab. Auf dem Land fehlten nicht nur Arbeitskräfte in der Land­wirt­schaft. Die Inhaber der großen Latifundien, auf denen zahl­lo­­se Bauernfamilien in Pacht arbeiteten, waren tief ver­schuldet und wenig für notwendige Investitionen zu interessie­ren.

In dieser Lage versuchte König Ferdinand mit seinen beiden Adressen an die Truppe eine moralische Aufrüstung mit solch zukunftsverheißenden Worten wie: „Bauernsöhne, … Land wird euch gegeben.“ Die politisch mobilisierende Absicht lag klar zutage. Über wirtschaftliche Aspekte wurde 1917 und auch 1921 nicht nachgedacht. Gewisse Wirkung zeigte sich jedoch schon bald. Die französische Militärmission unter Ge­neral Berthelot begann in der Moldau mit der Ausbildung und Ausrüstung der rumänischen Armee, der es im Au­gust 1917 schließlich bei Mãrãºti gelang, eine Offensive der Zentral­mächte zum Stehen zu bringen.

Anfang Dezember 1918 kehrten die Regierung, Verwaltung und der Hof nach Bukarest zurück. Die anhaltend schlechte Wirtschaftslage und eine In­flation bestimmten die politisch wie sozial angespannte Lage. Damit fielen die Hypothekenzinsen der Gutsbesitzer, und ihre Bereitschaft zur Landreform kühlte merklich ab. Doch stand der König gegenüber den Frontkämp­fern im Wort. Die Regierung sah sich zusätzlich durch sozial­revolutionäre, aus der östlichen Provinz Bessarabien kommen­de Propaganda zum Handeln ge­drängt. Zwischen 1918 (Bessarabien) und 1924 (Dobrudscha) liefen in den verschie­denen Landesteilen nach Zeitplan, Umfang und Entschädi­gungsrah­men unterschiedliche Landumverteilungen ab. Etwa 30 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche wurden an arme Bauern, überwiegend Ru­mänen, vergeben. Das Land stammte aus Großgrund- und Kronbesitz, aus dem Besitz von Ausländern und den sog. Optanden (meist in Ungarn lebende Grundbesitzer) sowie aus dem Besitz der Körperschaften. Für die rumäni­schen Kleinbauern brachte das erhaltene Land vor­übergehend eine soziale Entlastung. Um 1938 war diese Wir­kung bereits verbraucht, die Agrarfrage blieb das wirtschaftli­che Hauptproblem Rumäniens.

Für Siebenbürgen und das Banat führte die Provisorische Pro­vinzialverwal­tung 1919 eine (wenn auch unvollständig geblie­bene) Erhebung durch, die zur Grundlage der Landreform in den ehemals ungarischen Provinzen ge­nommen wurde. Ent­eignet wurden hier hauptsächlich die Angehörigen der Min­derheiten, obwohl die Reform „im Sinne des öffentlichen Nut­zens“ durchgeführt werden sollte. Da deutsche Bauern nur kleinere Bodenflächen bewirtschafteten, traf die Reform am härtesten das Gemeinschaftsvermögen. Aus den etwa 35.960 Joch des Körperschaftsvermögens der Sie­ben­bür­ger Sachsen wurde die Hälfte enteignet. Dieses Grund­ver­mö­gen der Uni­versitas Saxonum hatte überwiegend der Finanzierung kulturel­ler und sozialer Ein­richtungen der evangelischen Kirche ge­dient – Schulen, Kindergärten, Alten­versorgung usf. Da die rumänische Regierung ihnen Unterstützung zusagte, aber man­gels Mittel nicht einlösen konnte, gerieten die deutschen kultu­rellen Einrichtungen Rumäniens in finanzielle Abhängigkeit von Deutschland, was nach 1933 auch politisch wirksam wurde.

Die Bodenreform erlangte für Siebenbürgen und das Banat am 30. Juli 1921 Gesetzeskraft. Sie hatte hier nicht allein einen nationalrumänischen Aspekt. Es wurde auch mit zweierlei Maß bei der Festlegung der enteigneten Flächen und bei der Bewer­tung der Entschädigungshöhe gemessen. Während in Alt­ru­mänien das Hektar die Einheit bildete, war es in Siebenbürgen und dem Banat das Joch (= 0,57 ha). Entschädigt wurde im Tausch von 1 zu 1, ob­gleich der Leu im Verhältnis von 7 zu 1 gegenüber der Krone stand. Miß­trauen gegenüber den Behör­den in Bukarest prägte seit der Landreform das Verhältnis der Deutschen zum neuen Staat.

Lit.: Wittstock, Erwin: Die Liquidierung des sächsischen Natio­nal­ver­mö­gens und die Enteignung der Sieben-Richter-Waldungen, Schäß­burg 1926. – ªandru, Dumitru: Reforma agrarã din 1921 în România (Die Agrarreform von 1921 in Rumänien), Bucu­reºti 1975 (Biblioteca istoricã. 43). – Welzk, Stefan: Nationalkapitalismus versus Welt­markt­integration? Rumänien 1830-1944, Saarbrücken 1982 (Sozial­wis­sen­schaftliche Studien zu internationalen Problemen. 76).

Bild: Ferdinand von Rumänien Ferdinand von Rumänien / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Krista Zach