Ereignis vom 1. Januar 1454

Brandenburg erwirbt die Neumark

Friedrich II. von Brandenburg

Grenzverschiebungen deutscher Länder untereinander und mit ausländischen Nachbarn waren im Verlauf der vergangenen Jahrhunderte häufig. Ursachen, Abläufe und Folgen bilden mitunter ein schwierig zu entwirrendes Knäuel. Oft führten Kriege zu Eroberungen. Aber es konnte auch friedlich zugehen, z.B. durch Hochzeiten zwischen Fürstenhäusern, durch Vererbungen oder auch durch Verpfändung und Kauf. Die Neumark, die Landschaft östlich der Oder, hat dies alles erlebt.

Nach der Besiedlung durch germanische Stämme begann gegen Ende des 6. Jahrhunderts die Niederlassung von Slawen. Nach 1220 förderten die Brandenburger Markgrafen Johann I. und Otto III. die Gründung mehrerer Städte (Küstrin, Landsberg, Soldin u.a.). 1266 war vom „Land über der Oder“ (Marchia trans oderana) die Rede. 1397 tauchte die Bezeichnung „neuwe mark obir Oder“ (Neue Mark über der Oder) in einer ersten urkundlichen Erwähnung auf.

Gebietsansprüche der Pommern-Fürsten und der Könige von Polen machten über einen langen Zeitraum die Grenzen der Neumark unsicher. Hausmachtpolitik und Gebietsschacher waren eng miteinander verflochten. Siegmund (1368-1437), zwei­ter Sohn des Kaiser Karl IV., König von Ungarn, verpfändete 1388 die Mark Brandenburg für 565.263 Golddukaten an seinen Vetter, den Markgrafen Jost von Mähren. Vier Jahre später, am 25.7.1402, verkaufte König Siegmund die Neumark an den Deutschen Orden für eine Summe von 140.000 Gulden. Dies sind nur zwei Beispiele.

Friedrich II. (geb. 9.11.1413 in Tangermünde, gest. 10.2.1471 in Neustadt an der Aisch) war der erste im damaligen Brandenburg geborene Regent aus dem Geschlecht der Hohenzollern. Als Kurfürst regierte er seit dem 20.9.1440 und widmete den Beziehungen Brandenburgs zur Neumark mehr Aufmerksamkeit als seine Vorgänger. Er handelte bald so energisch und streng in der Mark, daß er die Beinamen „Eisenzahn“ und „der Eiserne“ erhielt. Bei den Streitigkeiten in der Doppelstadt Berlin-Cölln trat er seit 1442 als oberster Schiedsherr auf, unterwarf die Stadt und baute ein Schloß an der Spree, das er 1451 bezog.

Seine Pläne zur Landeserweiterung Brandenburgs setzte er schrittweise durch: 1442 erhielt er die Burg Peitzals Pfand, 1444 erwarb er Anteile an der Herrschaft Cottbus und bereinigte 1448 den Grenzstreit mit Pommern im Vertrag von Prenzlau. 1444 hatte er gegenüber dem Deutschen Orden auf die Neumark verzichtet und schloß ein Schutzbündnis mit dme Hochmeister.

Zehn Jahre später, am 11.2.1454, unterzeichnete der Hochmeister Ludwig von Ehrlichshausen in der Marienburg ein Schreiben an den Kurfürsten Friedrich II. Seit der Niederlage des Ordens in der Schlacht von Tannenberg 1410 war die Macht erschüttert. Adel und Städte waren aufsässig, wurden vom König von Polen unterstützt und man befürchtete einen neuen Krieg. Zahlreiche Ordenshäuser waren bereits erobert und zerstört worden. Der Hochmeister richtete deshalb an den Kurfürsten einen Hilferuf: „… mit Demuth bittend: wollet, gnädiger Herr, Gott den Herrn, Marie seine werte Mutter ansehen, Euch unsers so löblichen Ordens Verderbnis erbarmen lassen und Euch darum ungesäumt in diese Sache uns gut zu legen, ob Ihr irgendetwas zwischen uns und den Landen beteiligen und bewerben könnt, daß unser Orden nicht so gar verdrängt würde aus diesen Landen.“

Am 22.2.1454 erschien ein Abgesandter am kurfürstlichen Hof an der Spree mit besonderen Vollmachten. Die Lage war für Friedrich II. günstig. Die Herzöge von Pommern und Schlesien, die Hanse sowie die Könige von Dänemark und Schweden waren nicht bereit, dem Orden zu helfen. Friedrich II. bot 40.000 Rheinische Gulden als Pfandsumme für die Neumark. Beide Seiten stimmten dem in einem Vertrag zu. Das Land mit allen Schlössern und Städten, mit allen Nutzungsrechten, Zinsen und allen Treuediensten wurde dem Kurfürsten übertragen. Er durfte überall sein Banner aushängen und sollte Land und Leute schützen und beschirmen. Der Orden brauchte dringend Geld, denn mit seinen Zahlungen an die Söldner war er im Rückstand. Vergeblich bemühte sich der König von Polen um den Erwerb. Friedrich machte ein gutes Geschäft, denn für seinen Verzicht von 1444 hatte er bereits vom Orden 30.000 Gulden plus 600 Gulden Kanzleigebühren erhalten. Als eigentliches Pfandgeld mußte er jetzt nur 9.400 Rheinische Gulden bezahlen.

Fünf Tage nach dem Vertragsabschluß zog Friedrich in die Neumark. Zunächst wurde ihm in mehreren Orten eine Huldigung verweigert. Sendboten des polnischen Königs lockten mit Versprechungen. Mit seinem Auftritt in Landsberg erreichte der Kurfürst einen Umschwung. Er gab Zusicherungen, bestätigte Privilegien und verfügte neue Begnadigungen. Ein Verzeichnis hielt fest, welche Ritter für die Familien von Born, von Goltz, von Marwitz, von Walde, von Wedel u.a. die Huldigung leisteten. Friedrich II. wartete die weitere Entwicklung der Beziehungen zwischen dem Orden und dem Polenkönig ab. Auf die Bitten des Hochmeisters um Beistand reagierte er nicht. Mitte September 1454 konnten die Ordensritter bei Konitz einen Sieg über die Polen erringen, aber wieder blieben ihre Söldner ohne Sold und streiften plündernd umher. Neue Überfälle von Kriegern des Königs von Polen in das Ordensland erfolgten.

Friedrich versprach ein militärisches Eingreifen, wollte dafür etwa 4.000 Gulden sowie weitere Gelder zur Beruhigung der Söldner, außerdem die Übergabe des Schlosses Driesen und von Stadt und Schloß Schievelbein. Anfang 1455 wurden diese Forderungen in Breslau ihm zugesagt. Im September 1455 traf der 42jährige Kurfürst als Friedensvermittler den König von Polen in Bromberg. Die schwierigen Verhandlungen wurden in der Ordensburg in Mewe weitergeführt. Die Polen wiesen alle Einigungsvorschläge zurück. Daraufhin bewog der Kurfürst am 19.9. den Hochmeister zwei identische Urkunden auszustellen, die die Neumark ihm „zu rechtem Erbe, erblich“ übertrugen. Der Orden sollte nach dem Tod von Friedrich das Recht zum Rückkauf mit 100.000 Rheinischen Gulden haben. Der Kurfürst ging davon aus, daß der verarmte Orden diese Summe nie aufbringen könnte. Ein weiterer Vertrag vom 9.10. regelte den Beistand der Partner im Kriegsfall. Die Neumark blieb nun fest bei Brandenburg.

Gegen Ende des Jahres 1467 bot Papst Paul II. dem Kurfürst die böhmische Krone an. Dieser lehnte ab, er sei krank und „geen auf der gruben“. Am 2.4.1470 gab der kranke „Eisenzahn“ die Kurfürstenwürde und das Erzkämmeramt des Reiches freiwillig an seinen 56jährigen Bruder Albrecht (genannt Achilles; geb. 1414, gest. 1486) ab. Friedrich zog sich auf die Plassenburg zurück und wurde nach seinem Tod im Kloster Heilbronn beigesetzt.

Friedrich II. zeichnete sich durch eine umfassende Bildung, eine humane Gesinnung, eine tiefe Frömmigkeit, ein Streben nach Ordnung in seinem Land und durch das Bemühen um eine friedliche Vergrößerung des Kurfürstentums aus.

Lit.: Codex diplomaticus Brandenburgensis continuatus. Sammlung ungedruckter Urkunden zur Brandenburgischen Geschichte, hrsg. von Georg Wilhelm v. Raumer, Bd. 1-2, Berlin-Stettin-Elbing 1831-1833 (Reprint Hildesheim-New York 1976). – Johannes Voigt: Die Erwerbung der Neumark. Berlin 1863. – Brandenburgische Geschichte, hg. von Ingo Materna u. Wolfgang Ribbe. Berlin 1955. – Ingo Materna/ Wolfgang Ribbe: Geschichte in Daten. Brandenburg. München-Berlin 1995. – Georg Holmsten: Brandenburg. Geschichte des Landes, seiner Städte und Regenten, 2. Aufl. Berlin 1991.

Bild: Friedrich II. von Brandenburg / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Klaus Scheel (OGT 2004, 342)