Ereignis vom 1. Januar 1559

Das Katharinentor in Kronstadt

Das Katharinentor

Eines der bekanntesten Wahrzeichen von Kronstadt in Siebenbürgen, das Katharinentor, ist im Jahre 2009 gerade 450 Jahre alt geworden, denn die Inschrift an seiner westlichen Außenseite zeigt die Jahreszahl 1559. Seinen Namen hat das Kathari­nentor von der urkundlich zuerst im Jahre 1388 erwähnten Katharinenkapelle, die bis zum Jahre 1559 südwestlich der heutigen Schwarzen Kirche stand und deren Grundmauern im Keller des C-Gebäudes des Johannes-Honterus-Lyzeums im Jahre 1976 wieder aufgefunden wurden. Von dieser Kapelle hatte das nordwestliche Stadtviertel von Kronstadt seinen Namen, der westliche Teil des Kirchhofs hieß Katharinenhof, und durch das Katharinentor gelangte man in die Katharinengasse in der Oberen Vorstadt.

In den schriftlichen Quellen heißt das westliche der drei Kron­städter Stadttore zuerst 1517 Heiligleichnams-Tor – auch dieser Name wurde von einer nahegelegenen Kapelle abgeleitet –, dann 1522 Katharinentor, ebenso wird damals ein „Katha­rinentörchen“ erwähnt, das wohl nur für den Fußgängerverkehr bestimmt war. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde dann der der westlichen Stadtmauer vorgelagerte Befestigungskom­plex des Oberen Tores errichtet, der bei einer Breite von etwa 70 Meter etwa 40 Meter aus der Stadtmauer um die Innere Stadt herausragte. Das Katharinentor, wie wir es heute kennen, ist eigentlich nur der nördliche Torturm der mittelalterlichen Befestigungsanlage des Oberen Tores. Am nördlichen Eck dieser Anlage befand sich das Katharinentor mit einer Durchfahrt und am südlichen Eck stand ein runder Turm, „Puppes“ genannt.

Das Katharinentor hat einen fast quadratischen Grundriss und ragte nach Westen 9,20 m aus der Front der äußeren Stadtmauer hervor. Die Breite des Torturms beträgt 8,30 m. Die Durchfahrt ist etwas südlich der Mittelachse des Baues. Der äußere westliche Torbogen ist aus Sandsteinquadern von 74 cm Breite gefertigt und ist im Lichten 3,80 m (zwei Klaftern) breit, die Prellsteine unten haben einen lichten Abstand von 3,35 m (elf Fuß). Der innere östliche Torbogen ist größer angelegt und hat eine lichte Breite von 4,10 m, bei den Prellsteinen 3,80 m. Die Verschiedenheit kommt daher, dass sich auf der nördlichen Seite des westlichen Tores noch der Stand für einen Wächter mit Ausblick durch eine Mauerscharte nach Westen befindet. Dieser Stand war im Winter heizbar und hatte einen Rauchmantel mit Rauchabzug nach oben.

Im Erdgeschoss hat die Westseite des Katharinentors ein schönes Rustica-Mauerwerk aus herausragenden Sandsteinquadern in vierzehn Reihen. Über dem Torbogen befinden sich zwei dreieckige Öffnungen für die Ketten der Zugbrücke, die über den Wassergraben vor dem Tor führte und bei Bedarf hochgezogen werden konnte. Das Obergeschoss zeigt einen glatten Verputz auf und hat zwischen zwei nach Westen gerichteten Maulscharten mit getreppten Seiten in der Mitte eine Inschrift in einem symbolischen Fensterrahmen mit Renaissanceprofilen aus Sandstein. In der Mitte der Inschrift befindet sich in einem runden Medaillon als Relief das Kronstädter Wappen: eine Krone aus der ein Baumstumpf mit vielen Wurzeln nach unten herausragt. Der obere Teil der vierzeiligen Inschrift in Antiqua-Majuskeln lautet TVRRIS FORTISSIMA NO/MEN DOMINI; AD IPSAM/ CVRRET IVSTVS ET EXALTA/BITVR (Ein fester Turm ist der Name des Herrn, zu ihm läuft der Gerechte und wird geborgen. Sprüche 18,10). An den Seiten der Inschrift ist die Jahreszahl 1559 zu sehen. Die obere Inschrift des Tores ist mit dem Bibelzitat im Geiste der Reformation gehalten.

Der untere Teil der Inschrift hat fünf Zeilen ebenfalls in Antiqua-Majuskeln und lautet CONDITVR HAEC POR/TA ANNIS CVM BIS QVIN/QUE IOANNES BENK/NERVS GERERET/ IVDICIS OFFICIVM: In der metrischen Übersetzung von Her­mann Tontsch (1965) lautet das Distichon: Aufgebaut wurde dies Tor als zwei Jahrfünfte Johannes Benkner innegehabt Stadt­richters Würde und Amt.

Der erwähnte Stadtrichter Johannes Benkner hatte dies höchste Amt seiner Vaterstadt in den Jahren 1547-1553, 1555-1560 und 1565 – also zwölf Jahre lang – inne. Von Beruf war Benkner Großkaufmann, der Fernhandel auch nach den rumänischen Fürstentümern betrieb. Benkner wurde schon nach 1532 Hundertmann, ab 1540 Ratsherr und als solcher 1541 Spitalsverwalter, dann 1542-1543 Weinherr und 1544-1545 Stadthann. Im Jahre 1546 war er Mitbegründer der ersten Papiermühle in Siebenbürgen und später ihr alleiniger Besitzer. Im Jahre 1547 förderte er als Stadtrichter den vom Reformator der Siebenbürger Sachsen Johannes Honterus angeregten Bau der Schulbibliothek. Johannes Benkner war es auch, der 1555 eine Verwaltungsreform in Kronstadt durchführte. Nach dem Tod des Stadtpfarrers Valentin Wagner verwaltete Benkner auch die kirchlichen Belange sowie die von Honterus gegründete Druckerei. Im Jahre 1559 versuchte Benkner, die Reformation auch bei der rumänischen Bevölkerung Kronstadts in der Oberen Vorstadt einzuführen, hatte aber damit keinen Erfolg. Besonders wichtig ist jedoch seine Förderung des Druckes rumänischer geistlicher Bücher durch den Diakonus Coresi, den größten rumänischen Buchdrucker des 16. Jahrhunderts, der in der alten Honterusdruckerei wirkte. Benkners Name wird als Auftraggeber und Förderer zuerst genannt in der (zweiten) rumänischen Übersetzung der Evangelien, die Coresi 1560-1561 druckte, zuletzt im kirchenslawischen Evangelienbuch von 1564-1565.

Gegen die östliche Stadtseite zu hat das Obergeschoss zwei größere Fenster mit Sandsteinfensterstöcken mit einfachen Profilen. Das zweite Obergeschoss des Katharinentors hat nach allen drei äußeren Seiten je zwei waagerechte Schießscharten und an seinen vier Ecken befinden sich runde Ecktürmchen mit unten je drei viereckigen Ausgucklöchern und oben zwei senkrechte Schießscharten.

In der Mitte erhebt sich das spitze Hauptdach. Die vier Ecktürmchen haben nicht nur eine Bedeutung für die Verteidigung, sondern sie symbolisieren auch, dass Kronstadt als königliche Freistadt die Hochgerichtsbarkeit hatte und der Kronstädter Stadtrat als Strafbehörde Todesurteile fällen und ausführen lassen konnte. Alle fünf Turmspitzen tragen heute Wetterfahnen mit der Jahreszahl 1971.

In der Kronstädter Schaffnerrechnung für das Jahr 1558 finden wir im Frühjahr die ersten Ausgaben für den Bau des „neuen Gebäudes“ im Oberen Tor. Auf der Baustelle arbeiteten am 8. April 1558 gerade 94 Arbeiter mit 19 Wägen. Am 26. April 1558 waren es 57 Arbeiter mit drei Wägen, die Erde aushoben, Ziegeln brachten und das Fundament zum „neuen Werk“ legten. Schon Ende März waren ausgehauene Steine zur Baustelle geführt worden, für deren Bearbeitung die Steinmetzen Blasius Lapicida und Johannes Rodstaner bezahlt wurden. Im Jahre 1559 wurden „graue Steine“ von Rosenau gebracht, als Steinmetzen werden Blasius, Laurentius und Emericus erwähnt.

Am 30. Juli 1559 wurde auf Befehl des Stadtrichters Johann Benkner dem Gregorius Cantor von dem von Johannes Honterus gegründeten Gymnasium ein Trinkgeld von zwei Gulden ausgezahlt für die Inschrift beim Wappen. Im August 1559 wurden die Schmiedearbeiten für das neue Obere Tor verrechnet, später waren täglich nur noch 17-23 Arbeiter auf der Baustelle tätig. Im September war es dann so weit, das die Fenster mit ölgetränkten Häuten (und nicht mit Glas) versehen wurden, vielleicht nicht alle, aber doch einige. Am 17. September 1559 wurde den Maurern, die das Werk des Oberen Tores beendet hatten, ein Trinkgeld von vier Gulden bezahlt. Als letzte Ausgabe, die aber nur vielleicht mit dem Bau des Katharinentores zu tun hat, erwähnen wir die Eintragung, dass dem Magister Petrus Architecta im Oktober 1559 für sein Gehalt zusammen 23 Gulden verrechnet wurden.

So stand nun das Katharinentor fertig da, und wer in die Innere Stadt wollte, musste zuerst über den wassergefüllten Stadtgraben auf einer Zugbrücke durch die Torfahrt geradeaus, dann nach rechts durch einen Gang entlang der Stadtmauer südwärts und schließlich wiederum nach links in die Achse der damaligen Heiligleichnamsgasse, die heute – seit 1887 – Waisenhaus­gasse heißt. Unterwegs konnte der Weg durch mehrere Tore und Fallgitter versperrt werden, und so war das Obere Tor eine uneinnehmbare Festung. Das sollte sich auch an jenem 1. Oktober 1600 erweisen, als die Obervorstädter Rumänen auf Anstiften von Michael dem Tapferen, dem Fürsten der Walachei, der damals die Stadt von Osten angriff, versuchten, von Westen in die Stadt einzudringen. Beide Angriffe wurden jedoch von den Verteidigern der Inneren Stadt erfolgreich zurückgeschlagen. Beim großen Stadtbrand von 1689 und beim Erdbeben von 1738 erlitt das Katharinentor Beschädigungen und am 16. März 1759 brannte das Obere Tor samt der Tormühle und auch die im benachbarten Schneiderzwinger liegende Schneiderzunftlaube ab und mussten wiederhergestellt werden.

Am Anfang des 19. Jahrhunderts war der Verkehr zwischen der Inneren Stadt und der Oberen Vorstand so gewachsen, dass das eine Katharinentor nicht mehr genügte. Deshalb wurde in der Verlängerung des Rossmarktes 1819-1820 das Rossmärkter Tor errichtet und 1828 in der Verlängerung der Heiligleich­nams­­gasse ein zweites neues Stadttor, das heute noch stehende Waisenhausgässer Tor.

Die westliche Einfahrt des Katharinentors wurde zugemauert und die ehemalige Durchfahrt als Magazin benützt. Fast ein halbes Jahrhundert lang wurde der alte Stadtgraben als städtische Mülldeponie benützt, wohin Schotter von abgebrochenen Häusern und anderer Unrat gelagert wurde. Das Katharinentor „versank“ auf diese Weise etwa zwei Meter Schutt und büßte von seiner eindrucksvollen Mächtigkeit viel ein.

In den Jahren 1874-1876 wurde im alten Stadtgraben nördlich vom Katharinentor die evangelische Mädchenschule errichtet und im Anschluss daran die Direktorswohnung an der Nordseite des Katharinentores. An diese wurde dann 1913 für den neuen Mädchenschuldirektor Adolf Meschendörfer (1877-1963) eine Erweiterung gebaut.

Adolf Meschendörfer ist als Dichter und Schriftsteller bekannt. In seiner Siebenbürgischen Elegie (1927) erwähnt er das Katharinentor und seinem Roman Die Stadt im Osten (1930) würdigt er das Tor schon auf der ersten Seite.

Im Jahre 1927 wurde südlich vom Katharinentor bis zum Waisenhausgässer Tor der Innerstädtische evangelische Kindergarten von Architekt Albert Schuller (1877-1948) errichtet, so dass das Baudenkmal seither auf beiden Seiten nicht mehr frei ist.

Im Jahre 1955 wurde der obere Teil der Zumauerung des Tores entfernt und ein Geländer errichtet, so dass man Einblick in das schöne Gewölbe der alten Tordurchfahrt nehmen konnte. In den Jahren 1971-1973 wurde unter der Leitung des verdienten Denkmalspflegers Architekt Günther Schuller (1904-1995) das Katharinentor einer gründlichen Renovierung unterzogen und dabei die Anschüttung wieder entfernt, so dass man jetzt fast auf der ursprünglichen Fahrsohle durch das Tor gehen kann. Damals wurde auch die westliche schöne getreppte Mauerscharte für den Torwächter wiederentdeckt und freigelegt. Das Tor erhielt zweiflügelige eiserne Gittertore auf beiden Seiten, die aber offenstehen.

In dem Katharinentor wurde 1973 der Kronstädter Sitz des Archi­tektenverbandes eingerichtet. Eine neue Renovierung wur­­de von der Kronstädter Universität in den Jahren 2004-2006 durchgeführt. Im Jahre 2006 hat der Kronstädter Kreisrat anstelle des ehemaligen Spielplatzes des Kindergartens auf der Stadtseite neben dem Katharinentor eine Parkanlage und einen PKW-Parkplatz eingerichtet.

Das Katharinentor wurde wegen seiner Symbolträchtigkeit auch als Firmenzeichen der Buchdruckerei Johann Götts Sohn – der Nachfolgerin der alten Honterusdruckerei – gewählt, eben­so ist es von zahlreichen Künstlern dargestellt worden, besonders vom Graphiker Harald Meschendörfer (1909-1984).

Für die Milleniumsausstellung in Budapest 1896 wurde das Kronstädter Katharinentor als eines der schönsten Baudenkmäler im damaligen Ungarn in verkleinertem Maßstab nachgebaut. In den Jahren 1902-1904 wurde auf dem Gelände der Aus­stellung das Ungarische Landwirtschaftliche Museum er­rich­tet und eine der Ecken des Gebäudekomplexes dem Katha­rinentor nachgestaltet.

Lit.: Friedrich Philippi, Aus Kronstadts Vergangenheit und Gegenwart, Kronstadt 1874. – Johann Hintz, Die alten Befestigungswerke von Kronstadt und ihre heutige Verwendung, Hermannstadt 1884. – Erich Jekelius (Hrsg.), Das Burzenland, Band III, Kronstadt, 1. Teil, Kronstadt 1928. – Günther Schuller und Gernot Nussbächer, Katharinentor in ursprünglicher Gestalt, in: Neuer Weg (Bukarest), 25, Nr. 7528, 20. Juli 1973. – Gernot Nussbächer, Zwischen Innerer Stadt und Oberer Vorstadt, in: Komm mit 75, Reisen, Wandern, Erholung in Rumänien, Bukarest 1975, S. 188-193. – Günther Schuller, Kron­stadt. Kaleidoskop einer Stadt im Südosten 1211-1988, Hermannstadt 1998. S. 37-39. – Gernot Nussbächer, 450 Jahre Katharinentor in Kronstadt, in: Karpatenrundschau (Kronstadt) 42. (53.), Nr. 47 (3046), 26. November 2009.

Bild: Das Kathari­nentor / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Gernot Nussbächer (OGT 2009, 345)