Ereignis vom 1. Januar 1945

Das Schicksalsjahr der Karpatendeutschen

Gedenktafel für die vertriebenen Karpatendeutschen auf dem Museum der Karpatendeutschen in Bratislava.

Im Jahre 2015 ist es den karpatendeutschen Organisationen endlich gelungen, einen Band mit den Zeitzeugenberichten aus den Schicksalsjahren 1944-1946 herauszugeben, in dem die schrecklichen Ereignisse in den einzelnen Phasen zusammengefasst werden. Zwar gibt es reichliche Veröffentlichungen in Büchern, Chroniken und den über 60 Ausgaben der Karpatenjahrbücher, doch im Gedenken an die Zeit vor 70 Jahren bedarf es einer Übersicht über die Folge der markantesten Geschehnisse:

Der Partisanenaufstand – Die tragischen Ereignisse für die Karpatendeutschen begannen schon am 29. August 1944 mit dem slowakischen Nationalaufstand (Slovenske narodne povstavie – SNP). Er sollte sich gegen das sich zurückziehende reichsdeutsche Militär richten, um das Kriegsende zu beschleunigen, und gegen die NS-Organisationen. Da aber die Aktionen völlig außer Kontrolle gerieten, herrschte in weiten Teilen der Slowakei mörderische Willkür und blankes Entsetzen und wurde eben als Partisanenaufstand empfunden. Partisanen sind „bewaffnete, aus dem Hinterhalt operierende Widerstandskämpfer.“ Sie gingen wahllos vor und mordeten.

Hier traf es besonders hart die deutschen Gemeinden im Hauerland. Es kam zu wahllosen Massenerschießungen wie am 21. September 1944 in Glaserhau mit 187 Männern, von Hochwies und Paulisch am Bahnhof von Schemnitz mit 83 Opfern am 27. September und von 62 Kuneschhauern in der Niederen Tatra und von vielen anderen Opfern an verschiedenen Orten.

In der Oberzips stieß gleich am 29. August eine Gruppe von Partisanen von Westen kommend auf Poprad zu, besetzte ohne Widerstand die Orte bis Großlomnitz und Hunsdorf. Vor Kesmark konnte sich der in Eile gegründete „Heimatschutz“ mit Hilfe einer reichsdeutschen Militäreinheit wehren, so dass sich die Angreifer in das Tatra-Gebirge zurückzogen. Überhaupt zogen sich die Partisanen in die Wälder zurück und agierten mit unberechenbarer Willkür.

Im Herbst bis in den November hinein gab es immer wieder einzelne Überfälle auf deutsche Gemeinden, die der „Heimatschutz“ abzuwehren versuchte. Die deutsche Bevölkerung war aber in solche Angst versetzt, dass man nach Absicherung der Menschen suchte.

Die Evakuierung gefährdeter deutscher Menschen – Die unmittelbar folgenden Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung waren die Evakuierungen der Schulkinder, dann auch der Frauen und alten Menschen im Herbst 1944. Evakuierung heißt „die vorübergehende Sicherung von Personen aus einer Gefahrenzone“. Gewiss spürten die Deutschen, dass sie und ihre Familien plötzlich in Gefahr lebten, doch eine Trennung und die Fahrt in ein ungewisses Land waren vor allem für die Schulkinder schwer. Es wurden zuerst ganze Schulklassen mit ihren Lehrern und Frauen zur Betreuung zusammengestellt. Das erleichterte die letztlich freiwillige Entscheidung. Da im September 1945 die Gebiete in der Mittelslowakei noch von Partisanen besetzt waren und die Bahnlinie im Waagtal zerstört, wurden die Transporte aus der Zips auf Lastwagen des reichsdeutschen Militärs über Zakopane/Polen und dann mit der Bahn über Mähren bis nach Österreich durchgeführt.

Die Schulklassen kamen meistens nach Nieder- und Oberösterreich und wurden im Rahmen der Kinderlandverschickung (KLV) in Hotels bzw. Gasthöfen untergebracht. Hier wurden die Schulkinder von ihren Lehrern weiter unterrichtet und von mitgereisten Personen betreut. Es war allerdings schwer, den Kindern den Trennungsschmerz von ihrem Zuhause zu lindern.

Der Transport für die Schulkinder aus Topportz ging schon am 7. September, die anderen Schulen folgten. Das Kesmarker Gymnasium (Klassen 1-6) wurden am 27. September evakuiert und kam nach Rossatz in der Wachau (Hotel Bagl).

Im Oktober folgten dann die Schulen aus der Unterzips und im November/Dezember 1944 die Schulklassen aus dem Hauerland, die als Ziel Reichenberg und das Riesengebirge, sowie das Bäderdreieck Karlsbad-Marienbad-Franzensbad im Egerland hatten. Spätestens nach Ende des Krieges versuchten die Eltern, ihre Kinder aus den Lagern zur Familie zu holen, so dass sich die Schulklassen auflösten.

Die Frauen und alten Menschen transportierte man ab November 1944 in geschlossenen Waggons (Viehwaggons), in denen auch Gepäck mitgenommen werden konnte, meist in die Gebiete des Sudetenlandes. Hier wurden sie in Notquartieren untergebracht und meist zu Landarbeiten verpflichtet,

Der Flüchtlingstreck nach Westen – Flucht wird im Kriegsfalle als „ein Ausweichen von nichtbeteiligten Zivilpersonen vor den Kampfhandlungen“ verstanden. Im Januar 1945 waren die so­­-w­jetischen Truppen über den Duklapass gelangt und in die Ost­slowakei eingebrochen. Von der deutschen Heeresleitung war zu erfahren, dass sie die Gebiete der Zips aufgeben musste. So wurde der schon vorbereitete Treck der Flüchtlingswagen von der Leitung der deutschen Partei in Gang gesetzt. „Für jeden Ort der Oberzips, in dem Deutsche wohnten, war genau vorbereitet worden, wie viel Wagen, welche Gespanne und welche verantwortlichen Leute mit der Durchführung beauftragt werden. Auch die gesundheitliche Betreuung war in den Plan eingebaut worden. Zum Schutz der Transporte oder der Trecks waren Männer des Heimatschutzes vorgesehen.“ (Wanhoff)

Meist waren nur noch die Männer in den Dörfern verblieben, Frauen und Kinder waren schon fort. Die Bauern hatten ihre besten Leiterwagen als Planwagen ausgestattet. Es galt, das vermeintlich Wichtigste noch mitzunehmen, also Kleidung in Truhen, Kostbarkeiten, Trachten, Bilder, Urkunden, Bücher, dann aber auch Lebensmittel, so dass vorher noch geschlachtet wurde, Hafervorräte für die Pferde nicht zu vergessen. Alle Flüchtlinge der Welt wissen, wie das ist, wenn sich das Überleben auf die letzte Habe im Flüchtlingsgepäck reduziert. Später zeigte sich in den Heimatmuseen, wie viel wertvolles Kulturgut auch mitgenommen worden war.

Die östlichen Gemeinden in der Oberzips waren am 21. Januar 1945 in Gang gesetzt worden. In Topportz hatten sich am südlichen Dorfausgang 56 Wagen eingereiht. Es galt, Abschied zu nehmen. Viele slowakische Mitbewohner hatten sich eingefunden und standen stumm im Spalier da. Sie hatten in friedlicher Nachbarschaft mit den Deutschen gelebt. Es soll aber bei wenigen auch spöttische oder gar böse Worte gegeben haben. Es war viel Schnee gefallen und es herrschte klirrende Kälte bis – 26 Grad C.

Am 21. Januar um ca. 12.30 Uhr fuhr auch der Treck aus den beiden Dunajetzgemeinden Unter- und Oberschwaben los. Hier gab es Tränen des Abschieds und ein Slowake sagte: „Bleibt doch hier, wir werden euch beschützen!“ Und ein Waldarbeiter soll gefragt haben: „Woher werden wir denn die Grulln (Kartoffeln) bekommen?“ Die Glocken fingen an zu läuten, als sich neun Pferdewagen und ein Auto auf den Weg machten. Trotz einer guten Organisation war der Fluchtweg in den Westen schon bei Poprad (Deutschendorf) ziemlich verstopft, vor allem weil auch viele Militärfahrzeuge auf Westkurs waren.

Insgesamt waren rund 600 Planwagen mit 1.600 Pferden und rund 4.000 Männern bei ungewöhnlichen Kältegraden unterwegs; der Wind pfiff und es gab zeitweise Schneeverwehungen. Bei diesem Wetter übernachteten die Männer in ihren Planwagen und die Pferde hatten keinen schützenden Stall.

Der Weg ging bis Sillein (Zilina); hier teilten sich die Fahrtrichtungen, denn jeder hatte als Ziel den Ort in Nordmähren oder Nordböhmen, wo ihre schon evakuierten Familienangehörigen gelandet waren. Die meisten waren etwa Ende Februar 1945 dort angekommen.

Viele Unterzipser hatten sich in Zipser Neustadt (Spisska Nova Ves) recht spät mit ihren Treckwagen versammelt und kamen erst am 28. Januar in Rosenberg an, während die Sowjettruppen ihre Heimatorte schon besetzt hatten.

Im Januar-Februar 1945 hatten die sowjetischen Truppen die ganze Zips eingenommen; im März verharrte der Frontverlauf auf einer Linie Sillein-Schemnitz-Komorn. So kam für die Hauerländer der letzte Termin für eine Flucht erst am 1. April 1945, am Ostersonntag. Der Bauerntreck zog aus Krickerhau mit etwa 150 Pferdegespannen los mit dem Ziel, Westböhmen zu erreichen. Der Weg ging über Priwitz (Prievidza) nach Trentschin und dann weiter über Brünn bis in das Egerland. Die Treckfahrer aus Deutschproben ereichten erst am 4. April das Gebiet von Mähren, um dann bis in den Böhmerwald zu fahren.

Im Raum von Pressburg (Bratislava) wurde die deutsche Bevölkerung ab Ende Februar in größerem Maße evakuiert. Bahn und Schifffahrt waren für die Evakuierung in ständigem Einsatz. Die Stadt hatte im Februar-März 1945 unter vielen Fliegerangriffen zu leiden. Am 24. März waren die Sowjets südlich der Donau bei Budapest nach Westen durchgebrochen, so dass auch am Ostersonntag, dem 1. April der letzte Zug mit Flüchtlingen in Richtung Wien ging. Am nächsten Tag wurde die Donaubrücke gesprengt und am 4. April war Pressburg in den Händen der Roten Armee.

Die Grundlagen der Vertreibung – Im April 1945 war der ehemalige Präsident der Tschechoslowakei Eduard Benes aus dem Exil in London über Moskau nach Kaschau gekommen, um schon am 4. April eine Regierung der neuen CSR zu bilden und das „Kaschauer Programm“ zu beschließen. Danach sollten die Deutschen und Ungarn aus dem Staate vertrieben werden. Die Grundlage dazu waren die sogenannten „Benes-Dekrete“, die von seiner Regierung beschlossen wurden; die markantesten waren:

  • Dekret vom 14. Mai 1945 über die nationale Verwaltung der Vermögenswerte der Deutschen, der Madjaren, der Verräter und Kolaboranten und einiger Organisationen und Anstalten (= Enteigung)
  • Dekret vom 19. Juni 1945 über die Bestrafung der nazistischen Verbrecher, der Verräter und deren Helfershelfer
  • Dekret vom 21. Juni 1945 über die Konfiskation des landwirtschaftlichen Vermögens der Deutschen, Madjaren, u.s.w.
  • Dekret vom 2. August 1945 (Verfassungsdekret) über die Regelung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft der Personen deutscher und madjarischer Nationalität (= Aberkennung der CSR-Staatsbürgerschaft)
  • Dekret vom 19. September 1945 über die Arbeitspflicht der Personen, welche die CSR-Staats­bür­ger­schaft verloren haben

(Siehe: Kleckner Rudolf: Gesetzliche Maßnahmen zur Vertreibung der Deutschen; Kjb.1985)

Die Vertreibung, also die zwangsweise Ausweisung der Deutschen aus ihrer Heimat, wurde mit dem Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 begründet, wo „die Austreibung der Deutschen aus Polen, der CSR und Ungarn auf eine geregelte und menschliche Weise“ von der UdSSR gefordert und den Westmächten gebilligt wurde.

Durch Regierungsbeschluss vom 15. Februar 1946 wurde die „Aussiedlung deutscher Antifaschisten aus der tschechoslowakischen Republik in die russische und amerikanische Zone Deutschlands“ in Gang gesetzt. Die Vertreibung selbst versuchte man nach unzähligen ungeregelten Übergriffen und Willkürakten in den „Richtlinien des Regierungsbevollmächtigten für die systematische Ausweisung der Deutschen vom 21. März 1946 (Zahl 5000/1-Y-1946)“ zu regeln.

Das Ende des Krieges – Am 8. Mai 1945 war der Zweite Weltkrieg mit der „bedingungslosen Kapitulation“ des Deutschen Reiches zu Ende und ein Aufatmen ging durch die Länder. Die Landsleute, die ihre Heimat wegen der Kriegsgefahren verlassen hatten, dachten nun in Unkenntnis der politischen Lage an die Rückkehr. Die Bauern meinten, sich beeilen zu müssen, um noch ihre Felder zuhause bestellen zu können. Viele Väter bemühten sich, ihre Schulkinder, die meist in Österreich in einem KLV-Lager untergebracht waren, wieder zurück zur Familie zu holen. Das war in dieser wirren Zeit nur durch abenteuerliche Reisen möglich. Die Rückkehrer versuchten auf verschiedene Weise ihre Heimreise anzutreten. Die tschechische Behörde erlaubte größeren Gruppen in einem geschlossenen Eisenbahntransport zu fahren.

Die größte Tragik eines solchen Transports ereignete sich in Prerau (tschechisch Prerov), einem Bahnknotenpunkt in Mähren. Am 18. Juni 1945 trafen dort Transporte aus Saaz, Georgs­walde und anderen Orten ein, so dass sich der Verkehr staute. Da tauchte eine nicht ortsansässige Gruppe von CSR-Soldaten (Revolutionsgardisten) auf und ließ aus dem Zug, in dem über 260 deutsche Heimkehrer in die Slowakei saßen, ältere Männer und Frauen, auch noch nicht schulpflichtige Kinder, alle aussteigen. Deren Gepäck wurde ausgeladen und durchwühlt. Dann wurden alle in rauer Weise zur sogenannten Schwedenschanze getrieben. Hier sollten sie mit Schaufeln eine Grube ausheben, doch in ihrer Verzweiflung waren sie dazu kaum fähig. So holte man Männer aus der Stadt, die graben mussten. Dann mussten sich die Opfer ausziehen und wurden erbarmungslos erschossen und in das Massengrab geworfen. Einige Fluchtversuche wurden mit Schüssen rabiat verhindert. Das Grab wurde abgedeckt, musste aber bald wegen des Verwesungsgestanks mit Kalk überschüttet werden.

Die Menschen in Prerau, die das aus der Ferne miterlebt hatten, waren konsterniert. Doch erst 1947 gab es zu dieser Gewalttat eine amtliche Untersuchung, nach der es hieß: „Am 18. Juni 1945 wurde in Lovesice bei Prerau auf der sogenannten Schwedenschanze von einigen Soldaten unter dem Kommando von Karol Ctibor Pazura vom 17.Inf.Reg. in Bratislava etwa 250 Leute erschossen. Ein Verhör wurde nicht angestellt. Die Exekution dauerte von 10 Uhr abends bis 2 Uhr früh.“ (nach dem Protokoll der Gendarmerie in Prerau)

1947 wurde die Exhumierung der Opfer auf der Schwedenschanze durchgeführt. Die Gebeine von ungefähr 71 Männern wurden auf dem Friedhof bestattet, die übrigen wurden eingeäschert.

Dem Landsmann Dipl. Ing. Georg Klein aus Drexlerhau ist es hauptsächlich zu verdanken, dass wir über die Toten mehr wissen. Er gründete 1960 die Drexlerhauer Gemeinschaft e.V., um die Namen und die Herkunft der Opfer zu ermitteln. Bis 2001 hatte er eine namentliche Liste mit den 267 Opfern erstellt. Die meisten stammten aus Dobschau (Dobsina) 131, Drexlerhau (Janova Lehota) 36, Mühlenbach (Mlynica) 34, und Kesmark (Kezmarok) 30.

Am 14. November 1993 wurde auf dem Prerauer Friedhof ein einfaches Denkmal enthüllt, auf dem ein Zitat von J.J. Rousseau steht: „Wenn wir ein Unrecht sehen und schweigen, dann begehen wir es selbst.“

Diejenigen, denen die Rückkehr in die Heimat auf abenteuerlichen Wegen gelungen war, konnten nicht mehr in ihre Häuser gelangen, sie wurden in das nächste Lager gebracht und waren Gefangene, bis sie ausgesiedelt wurden.

Viele Karpatendeutsche, die im Sudetenland oder in Österreich gelandet waren, blieben bis 1946 in ihren Notquartieren. Sie kamen dann über Sammellager in einem Bahntransport nach Deutschland, ob in die amerikanische Zone oder in die Ostzone, war reine Glücksache.

Die daheim verbliebenen Deutschen erlebten die Ankunft der sowjetischen Soldaten und den Einsatz des örtlichen Nationalausschusses (Miestny narodny vibor). Die Folge war, dass sie ihre Häuser verlassen mussten und nur sehr notdürftig untergebracht waren. Die Bauern durften ihre Felder nicht mehr bestellen, die neuen Besitzer taten das nur sehr nachlässig. Es gab viel Unrecht, ja manchmal Hass und Schikane, doch es sind auch Beispiele bekannt, wo die slowakischen Menschen ihren deutschen Mitbürgern versteckt geholfen haben.

Viele jüngere Männer wurden im Laufe der ersten Nachkriegsjahre nach Sibirien zur Zwangsarbeit verschleppt, kamen dort zu Tode oder nach Jahren in desolatem Zustand wieder nachhause.

Die Vertreibung – Auf Grund der Benes-Dekrete wurde nun die Vertreibung der Deutschen in Gang gesetzt. Es wurden hauptsächlich vier Auffanglager im Bereich der Slowakei eingerichtet, wo die Vertriebenen gesammelt wurden, um sie dann in Bahntransporten abzuschieben. Das waren Engerau/Pe­trzal­ka, Novaky, Deutschendorf/Poprad und Krompach/Krom­pa­chy. Von diesen Lagern gibt es von den Betroffenen viele traurige Berichte. Besonders das Lager in Novaky war wegen der schlechten Unterbringung berüchtigt.

In Novaky im oberen Neutratal war 1931 ein Munitionslager eingerichtet worden mit Baracken für die Arbeiter. Dieses Lager diente ab 1942 als Arbeitslager für die verhafteten Juden und als Sammelplatz für den Abtransport nach Auschwitz.

Nach dem Kriegsende wurde es dann ab Juni 1945 das Gefangenenlager für unliebsame Deutsche in Vollzug der ersten Benes-Dekrete. Es war bald überfüllt und trotz Erweiterung konnte es 1946 als Aussiedlerlager für die zur Vertreibung eingezogenen Deutschen bis zu 5.000 Insassen nicht menschen-würdig unterbringen. Es gab Hunger und Krankheiten und viele Tote, auf dem Lagerfriedhof sollen ca. 1.000 Opfer begraben sein. Der erste Transport ging am 12. Mai 1946 mit 1.200 Personen in 40 Güterwagen mit dem Ziel Augsburg in der amerikanischen Besatzungszone. Nach dem Abschluss der Ausweisungen wurde das Lager 1948 aufgelöst.

Im Herbst 1946 wurde in der CSR die Ausweisung als beendet erklärt und die verbliebenen Deutschen galten nun als Slowaken oder Tschechen, die deutsche Sprache war ihnen verboten. Sie galten als staatenlos; erst am 7. Mai 1953 erhielten sie die CS-Staatsbürgerschaft.

Von den 150.000 Deutschen, die 1944 in der Slowakei lebten, wurden rund 120.000 vertrieben und landeten in den Westzonen (rd. 80.000) und der Ostzone (rd. 20.000) Deutschlands und in Österreich (rd. 20.000). Ungefähr 10.000 sind wohl im Krieg, auf der Flucht und in den Lagern umgekommen und etwa 5.000 wurden vermisst. Rund 5.000 Deutsche sind in der Slowakei verblieben. (Diese Zahlenangaben schwanken in den verschiedenen Publikationen und sollen nur die Relationen veranschaulichen.)

Um die beiden Weltkriege gab es natürlich weltweit unzählige Katastrophen, unter denen die Menschen zu leiden hatten, und das Leid von Flüchtlingen in aller Welt hat bis heute nicht aufgehört. Uns Zeitzeugen liegt aber viel daran, die prägenden Erinnerungen an die körperlichen und seelischen Leiden unserer Landsleute in dieser Zeit an die kommenden Generationen weiter zu vermitteln, auch um zu verhindern, dass sich in Europa solche Odysseen jemals wieder ereignen.

Lit.: Adalbert Hudak, Leidensweg der Karpatendeutschen 1944-1946 – Eine Dokumentation, 1. Auflage 1983, 2. Auflage 1995. – Ernst Hochberger, Das große Buch der Slowakei, 2000. – Adalbert Wanhoff, Die Ereignisse der letzten Wochen in der Oberzips 1944/45, Kjb. 1979, S. 91-97. – Theodor Deters, Der große Treck der Tschermaner, Kjb.1979, S. 83-90. – Rudolf Kleckner, Gesetzliche Maßnahmen zur Vertreibung der Deutschen, Kjb. 1985, S. 123-128. – Rudolf Melzer, Die Evakuierung der Karpatendeutschen, Kjb. 1986, S. 32-51. – Rudolf Flickinger, Flucht aus Pressburg mit dem letzten Zug, Kjb. 1987, S. 115-120. – Johann Rückschloß, Massenmord an Hauerländern in der Niederen Tatra, Kjb. 1994, S. 65-67. – Julius A. Loisch, Mit dem Kesmarker Gymnasium in den Westen, Kjb. 1995, S. 50-52. – Hanni Würch, Evakuierung der Schulen – Erinnerung an eine bewegte Zeit, Kjb. 1995, S. 46-50. – Ludovit Petrasko, Vor 50 Jahren wurden Karpatendeutsche umgebracht (Prerau), Kjb. 1998, S. 44-46. – Ernst Walko, Ladislaus Sandor-Flucht aus dem Kaukasus, Kjb. 2001, S. 196. – Veronika Derer, Eine unwürdige Zeit (1944-46), Kjb. 2004, S. 145. – Julius Schuster, Kjb. 2006, S. 154-158. – Cornelius Prommer, Erinnerung an die „Schemnitzer blutige Eisenbahn“, Kjb. 2007, S. 107-110. – Ortschroniken (siehe „Heimatliches Schrifttum“ in den Karpatenjahrbüchern). – Hans Kobialka, Schicksalsjahre der Karpatendeutschen: Zeitzeugenberichte (375 Seiten). Veröffentlicht vom Karpatendeutschen Kulturwerk, Karlsruhe, ViViT-Verlag, 2015.

Bild: Gedenktafel für die vertriebenen Karpatendeutschen auf dem Museum der Karpatendeutschen in Bratislava.. / Quelle: Von User:Pylambert – photo prise sur la façade du Musée des Allemands des Carpathes, Bratislava, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2106955

Hans Kobialka