Ereignis vom 1. Januar 1837

Der Beginn des Mischehenstreites

Porträt des Erzbischofs Martin von Dunin mit Signatur.

Der preußische Mischehenstreit ist genau genommen bereits Ausdruck des Nationalitätenkonfliktes zwischen Deutschen und Polen, denn er steht zeitlich im Zusammenhang mit der Ära Flottwell (1830-40), der in der heutigen Historiographie als Zeit der Unterdrückung polnischer Freiheit seitens der preußischen Regierung angesehen wird.

Der Mischehenstreit war bereits alt, ehe er auch auf die Provinz Posen übersprang. Im Jahr 1794 wurde in Preußen das Allgemeine Landrecht erlassen, das einen alten Streit um die Kinder aus konfessionell gemischten Ehen justitiabel machte. Das Landrecht sah vor, dass die konfessionelle Erziehung von Kindern aus Ehen zwischen Partnern unterschiedlicher Konfession, den sogenannten Mischehen, bei den Eltern lag. Fehlte eine vertragliche Vereinbarung, so sollten Söhne in der Konfession des Vaters, Mädchen in der der Mutter erzogen werden.

Dem stand aber das kanonische Recht der katholischen Kirche gegenüber, die vorsah, dass bei Mischehen vor der Trauung die katholische Taufe und die katholische Erziehung aller Kinder zu versprechen sei.

Der religiöse König Friedrich Wilhelms III. verschärfte diesen Streit im Jahr 1803 durch eine Deklaration, nach der alle Kinder aus konfessionsverschiedenen Ehen im Bekenntnis des Vaters zu erziehen seien. Die Kabinettsorder vom 17.8.1825 übertrug diese bis dahin nur auf das alte Preußen reduzierte Bestimmung auch auf die 1815 zu Preußen gelangten Westgebiete, wo sich Ehen zwischen evangelischen Militärs oder Beam­ten mit katholischen Rheinländerinnen häuften. Den katholischen Priestern wurde verboten, das Versprechen der katholischen Kindererziehung zu fordern, ansonsten würden diese Ehen zivilrechtlich ungültig sein. Die Rheinländer und Westfalen empfanden dies als Versuch der Protestantisierung. Den offenen Widerstand wagte die Kirchenführung nicht, z. T. aber den passiven.

Gegen diese stillschweigende Duldung der Deklaration ging ein päpstliches Breve von 1830 vor und ordnete die Verweigerung der Eheschließung an, falls die Braut eine katholische Kindererziehung verweigert. Es folgten Geheimverhandlungen mit der römischen Kurie, die quasi die stillschweigende Duldung festschrieb.

Dem Kölner Erzbistum wurde diese geheime sog. Berliner Konvention vom 19.6.1834 erst nach dem Tod des Erzbischofs Graf Ferdinand August v. Spiegel zum Desenberg und Can­stein (1764-1835) bekannt. Der neue Erzbischof Clemens August Freiherr Droste zu Vischering (1773-1845) erklärte 1837 nach anfänglicher Zurückhaltung, dass er sich in Zweifelsfällen an das päpstliche Breve und nicht an die Vereinbarungen mit Erzbischof Spiegel halten werde.

Erst jetzt wurde man auch in Posen auf diesen Konflikt aufmerksam und Erzbischof Marcin Graf Dunin-Sulgustowski h. Łabędz (1774-1842) stellte ein Gesuch auf Anerkennung des Breves von 1830 im Gebiet des Erzbistums Posen-Gnesen. Die Ablehnung dieses Gesuchs am 30.9.1837 bedeutete die Ausweitung des Mischehenstreits und ihren Beginn in der Provinz Posen.

Am 27.2.1838 erklärte Erzbischof v. Dunin in einem Hirtenbrief, jeden Priester in seiner Diözese zu suspendieren, der nicht dafür sorgt, dass alle Kinder aus Mischehen katholisch werden. Die Posener Regierung reagierte sofort und konfisziert den Hirtenbrief, da er gegen geltendes Recht verstieß. Oberpräsident Eduard Flottwell (1786-1865) wird zur Beratung nach Berlin beordert. Nach seiner Rückkehr belehrt er am 19.4.1838 den Erzbischof von der Strafbarkeit seines Vorgehens, woraufhin Dunin sich bereit erklärt, seinen Hirtenbrief zurückzunehmen, was er bald darauf aber widerruft. Es folgt eine Anzeige gegen den Erzbischof. Die Dekane unterstützen Dunin, wodurch der Konflikt weiter eskalierte und er am 9.7.1838 erklärt, dass er das weltliche Gericht im Mischehenstreit nicht anerkenne.

Der inzwischen unterrichtete Papst Gregor XVI. (1766-1846) mischte sich in den eskalierenden Mischehenstreit ein und erklärt seine Unterstützung für den Posener Erzbischof. Der Kölner Erzbischof war bereits wegen seiner Haltung am 20.11.1837 verhaftet und nach Minden gebracht worden. Dies drohte nun auch dem Posener Erzbischof. Im Februar 1839 wurde er nach Berlin beordert und verhandelt mit dem Geheimen Oberjustizrat Franz v. Duesberg (1793-1872). Da sich Dunin nicht fügte, wurde er am 25.4.1839 wegen Ungehorsams und Eigenmächtigkeit zu einer Geldstrafe und sechs Monaten Festungshaft verurteilt. Im Mai erlässt der König dem Erzbischof die Festungshaft, er darf aber weiterhin nicht nach Posen (Poznań) zurückkehren. Er reiste am 3.10.1839 jedoch heimlich nach Posen (Poznań) ab. Wegen des Verstoßes gegen die gerichtliche Auflage wurde Dunin tags drauf in Posen verhaftet. Da er sich weigerte, nach Berlin zurückzukehren, wird er in die Festung Kolberg überführt.

Zu dieser Zeit war der Kölner Amtskollege wegen seines schlechten Gesundheitszustandes bereits wieder entlassen und ins münsterländische Exil gebracht worden, wo sein Bruder Bischof war.

Das Ende des Mischehenstreits kam aus zwei Richtungen: zum einen aufgrund der Härte des preußischen Staates, woraufhin die Kurie mit Verhandlungen begann, zum anderen mit dem Herrscherwechsel. Am 7.6.1840 starb der strenggläubige König Friedrich Wilhelm III. und sein Sohn Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) folgte ihm nach. Er beendete die Politik der Konfrontation zugunsten einer Versöhnungspolitik.

Bereits am 5.8.1840 erfolgte die Begnadigung Erzbischofs Dunin, der tags drauf nach Posen zurückkehren konnte, nachdem er im Mischehenstreit einlenkte. Am 27.8.1840 erließ er einen neuerlichen Hirtenbrief, in dem der Erzbischof die Priester aufforderte, die weltlichen Gesetze bezüglich der Mischehen zu befolgen. Damit war der Konflikt in Posen beendet. Die Verhandlungen in Köln beendeten ihn erst 1842.

Das Problem blieb aber das gesamte 19. Jahrhundert über virulent, vor allem während des Kulturkampfes (1875-86), bei dem erneut beide Erzbischöfe verhaftet und inhaftiert wurden. Aus dieser historischen Gemeinsamkeit und der gemeinsamen Ablehnung der preußischen Herrschaft resultiert offenbar auch die Verbundenheit beider Erzbistümer, die ein Besucher der erzbischöflichen Bibliotheken daran ablesen kann, dass man z. B. in Köln viel Posener Literatur findet.

Bild: Porträt des Erzbischofs Martin von Dunin mit Signatur / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Martin Sprungala