Ereignis vom 30. Januar 1018

Der Frieden von Bautzen

Der „Frieden von Bautzen“, geschlossen am 30. Januar 1018, ist als historisches Ereignis heute kaum noch im Bewusstsein der Menschen in dieser Stadt an der Spree, etwa 40 km westlich von Görlitz.

Bautzen (bis 1868 offizieller Name: Budissin) gilt heute als Hauptstadt und geistig-kulturelles Zentrum der slawisch-sprachigen Sorben in den Bundesländern Freistaat Sachsen und Brandenburg. Diese teilen sich in die Obersorben in der sächsischen Oberlausitz und die Niedersorben, auch Wenden genannt in der brandenburgischen Niederlausitz. Zwischen den beiden sorbischen Gruppen bestehen z.T. jedoch erhebliche sprachliche und kulturelle Unterschiede.

Als nationale Minderheit im heutigen Deutschland umfasst diese Ethnie gegenwärtig noch etwa 60.000 Menschen. Der Anteil sorbischer Einwohner an der Bautzener Stadtbevölkerung mit knapp 40.000 Einwohnern liegt z.Z. zwischen 5 und 10 Prozent.

Hier also, an dieser Schnittstelle verschiedener Kulturen, wurde vor 1000 Jahren mit einem Vertrag ein Frieden geschlossen, der damals langjährige, kriegerische Auseinandersetzungen um Macht und Gebietsansprüche der fränkischen, bzw. deutschen Zentralgewalten sowie der örtlichen Markgrafen von Meißen mit der polnischen Piastendynastie vorerst beendete und der für einige Jahre Bestand hatte.

In Bautzen wurde am Anfang 2018 an dieses Ereignis mit einer Historikerkonferenz gedacht. Andere, entsprechende Veranstaltungen im laufenden Jahr dienten ebenfalls dazu, weitere Teile der Historie wieder lebendig werden zu lassen. Besonders die brutale Germanisierungspolitik der Nazizeit sowie der Abriss von Dörfern durch den Braunkohletagebau in der DDR führten zu einer massiven Zurückdrängung sorbischer Bevölkerung in diesem Raum und haben vieles aus der Regionalgeschichte im allgemeinen Bewusstsein der Menschen verschüttet. Leider ist die Bedrohung sorbischer Dorfgesellschaften durch den Braunkohleabbau bis heute immer noch nicht völlig beendet.

Auch der Frieden von Bautzen war deshalb lange ein fast vergessenes, historisches Szenario. Der Nachhall solcher Ereignisse wirkt sich jedoch bis heute auf das Zusammenleben von Deutschen und Slawen in dem Gebiet aus und reicht mit den jetzt vielfältigen Maßnahmen und Regelungen zur Sicherung des Sorbentums bis in die Gegenwart.

Das einst Fränkische Reich, aus dessen Osthälfte im 9. Jahrhundert das mittelalterliche Deutsche Reich und aus der Westhälfte das spätere Königreich Frankreich hervorging, endete in maximaler, nordöstlicher Ausdehnung an einer Linie, die etwa der heutigen Grenze zu Polen entsprach. Östlich davon herrschte die polnisch-stämmige Piastendynastie, mit der ständige kriegerische Auseinandersetzungen in Grenzgebieten die Regel waren. Auf westlicher Seite der Grenzmarken bestand damals eigentlich nur ein fränkisches, bzw. deutsches Einflussgebiet mit keineswegs gesicherten Machtverhältnissen.

Für die lokalen Herrscher auf beiden Seiten der Grenze gab es so eine unbefriedigende Situation, da sie durch Kleinkriege in ihrer örtlichen Machtausübung behindert wurden. Diese Zustände wollte man ändern. Der Friedensschluss von 1018 führte dann zu dem vorläufigen Ende allen kriegerischen Gerangels der Piasten mit den Markgrafen von Meißen und den westslawischen Stämmen auf westlicher Seite der Grenze.

Bautzen wurde erstmalig im Jahre 1000 als Ansiedlung des im 8. Jahrhundert in das Gebiet der heutigen Oberlausitz eingewanderten slawischen Stammes der Milzener mit dem Namen civitas Budusin (Grenzort) erwähnt. (Als Nachfahren der Milzener kann man die sorbische Bevölkerung in der heutigen Oberlausitz ansehen.) Dieser kleine slawische Stamm wurde etwa 932 durch den Ostfrankenkönig Heinrich I. von Meißen aus unterworfen, konnte diese Herrschaft aber vorübergehend wieder abschütteln, ehe er dann endgültig, um die Jahrtausendwende, von den deutschen Kaisern und deren Vasallen, im jetzt entstandenen Heiligen Römischen Reich erneut besiegt, tributpflichtig und christianisiert wurde. Ständige Unruhen im Land und kriegerische Auseinandersetzungen waren die Folgen. Dabei ging es weniger um Religion, als vordergründig um Bestandssicherung oder Ausweitung der jeweiligen Machtgebiete. Das Land der Milzener wurde schließlich mit einem „Frieden von Merseburg“ im Jahre 1013 als Reichslehen dem damaligen polnischen Piastenherzog Bolesław I. zugesprochen.

Dieser erste Vertrag sollte alle Streitigkeiten beenden, erfüllte aber diese Hoffnungen nicht und so kam es nach einigen Bitten der polnischen Seite dann 1018 nochmals zum endgültigen Friedensschluss in Bautzen. Jetzt wurde auch ein Bündnis beendet, welches der römisch-deutsche Kaiser Heinrich II. schon 1003 mit dem noch heidnischen Stammesverbund der westslawischen Liutizen gegen die Piasten geschlossen hatte. Die immer wieder aufflammenden Machtansprüche der Piasten auf die Mark Meißen entfielen.

Der Piastenherscher und später, ab 1025 auch erster König von Polen, Bolesław I. Chrobry, (d.h.: der Tapfere) erhielt mit dem Vertrag die strittigen Stammesgebiete der Milzener und der Liutizen lehnsfrei zugesprochen. Infolge hatte er vorerst Ruhe an den westlichen Grenzen seines Reiches und konnte sich im Gegenzug Aufgaben im Osten zuwenden. Dabei handelte es sich um eine mit Kaiser Heinrich II. abgestimmte, gemeinsam betriebene Politik, die sich gegen die Ansprüche der byzantinischen, oströmischen Kaiser auf Gebiete im Westen richtete.

Gemäß einer bereits bestehenden Doktrin vom Kaiser Otto III. sollten alle eventuellen Bestrebungen und Ansprüche von Byzanz zu einer Restauration von alten, zentralen Machtverhältnissen und für ein einheitliches Gesamtreich bereits im Keim verhindert werden.

So gewann Bolesław I. noch im gleichen Jahr mit Hilfe von deutschen und ungarischen Hilfstruppen für einige Zeit die Herrschaft im Kiewer Rus. Zweifellos war dieser Zugewinn eine Bedrohung für das oströmische Reich, welches deshalb seine Begehrlichkeiten in Richtung Süditalien, bzw. Sizilien zügeln musste. Der westliche römisch-deutsche Kaiser brauchte jetzt deshalb nicht weiter um die Macht im Süden seines Reiches fürchten.

Der Friedensschluss der Parteien fand auf der Ortenburg in Bautzen statt. Dieser Ort war schon immer die Hauptveste in der Oberlausitz und so auch für die Milzener. Sie stand sicher auf einem Fels hoch über der Spree und wurde im Verlauf der Christianisierung immer weiter ausgebaut.

Bei den Verhandlungen waren die Repräsentanten des Kaisers u.a. der Erzbischof Gero von Magdeburg, Bischof Arnulf von Halberstadt und Markgraf Hermann I. von Meißen.

Der Piastenherrscher Bolesław I. sicherte gemäß damaliger Gepflogenheit die Ergebnisse der Verhandlungen durch eine dynastische Verbindung ab. Ohne Zeitverzug, unmittelbar danach, ehelichte er bereits am 3. Februar 1018 die jüngste Tochter Oda des Markgrafen von Meißen (Oda wurde damit 1025 auch zur ersten Königin von Polen.)

In damaliger Zeit versprach eine solche Verbindung mehr Bestandssicherheit für das Abkommen, als alles, was aufwendig mit Tinte, Feder und Unterschrift zu Papier gebracht wurde. Die Eile bei der Umsetzung aller Vereinbarungen zeigt, welche politische Bedeutung dieser Friedensschluss damals für die Beteiligten hatte.

Bereits im Jahre 1002 hatte sich Odas ältester Bruder, Hermann mit Bolesławs Tochter Reglindis vermählt. Diese Verbindung erwies sich aber nur teilweise als geeignet, um politische Konflikte nachhaltig zu lösen und außerdem verstarb Reglindis bereits 1016. Die erneute Verbindung zwischen den Parteien führte zu komplizierten Verwandtschaftsverhältnissen, indem z.B. dadurch Oda auch die Schwiegermutter ihres viel älteren Bruders wurde!

Welche Auswirkungen dieser Friedensschluss von Bautzen im Jahre 1018 auf die einfachen Menschen im Land hatte, ist heute schwer zu beurteilen. Fakt ist, dass die Milzener in dieser Zeit begannen, das Siedlungsgebiet durch Rodungen zu erweitern und auszubauen. Das könnte darauf schließen lassen, dass die jetzt beendeten Fehden solche Arbeiten verstärkt ermöglichten und die Menschen wieder eine Perspektive hatten. Allerdings hatte auch dieser Frieden dann keinen allzu langen Bestand, da nach Bolesławs Tod das Land 1031 wieder an die Mark Meißen und 1076 an Herzog Vratislaw II. von Böhmen fiel.

Die weiteren Wirkungen dieses Friedensschlusses für Land und Bevölkerung heute umfassend zu beurteilen und zu bewerten sind Aufgaben für die derzeitigen Forschungen der Historiker. Nur wenige schriftliche Quellen aus der Zeit stehen dazu zur Verfügung.

Trotz der dann letztlich begrenzten Laufzeit dieses Vertrags, war er in der deutsch-polnischen Geschichte ein erster dokumentierter, erfolgreicher Versuch, Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn friedlich zu regeln. Für die jetzige slawische Bevölkerung, welche in Nachfolge der Milzener heute in der Oberlausitz lebt, hat er mit einen Grundstein gelegt, nationale Identität bis in die Neuzeit als Minderheit zu bewahren.

Damit dies auch künftig weiter gesichert bleibt, bestehen im geeinten, demokratischen Deutschland allseitig gute Voraussetzungen und alle gesetzlichen Sicherheiten für die Existenz nationaler Minderheiten.

Bild: König Bolesław I. Chrobry, hier Darstellung auf dem bronzenen Torflügel des Doms zu Gnesen.

Helmut Steinhoff (OGT 2018, 251)