Ereignis vom 30. April 1676

Der große Stadtbrand von Schässburg

Stundturm in Schässburg

Die Stadt Schäßburg in Siebenbürgen, am Mittellauf der Großen Kokel gelegen, wird urkundlich zuerst im Jahre 1298 als „Schespurch“ erwähnt. Ihre günstige Lage an der Handels­straße aus dem Kokeltal ins Alttal bedingte ihre Entwicklung als Handwerkerstadt und Vorort des „Schäßburger Stuhles“. Schon im 14. Jahrhundert war sie die zweitgrößte Stadt auf dem Gebiet der „Sieben Stühle“ der Siebenbürger Sachsen, die auch auf politischem und kulturellem Gebiet eine besondere Bedeutung hatte.

Johannes Tröster schreibt in seinem Buch „Das Alt und Neu Teutsche Dacia. Das ist: Neue Beschreibung des Landes Siebenbürgen …“ (Nürnberg, 1666) über die Stadt Schäßburg: „Sie lieget zwischen sehr lustigen, mit herrlichen Weinreben begabten Bergen, die innerste Stadt, oder Burg auf einem großen und langen Berg, darauf nicht viel mehr als 100 Häuser stehen. Auf dieses Schloß Berges Ober-Spitzen lieget das Gymnasium und die Haupt-Kirche, darzu man eine große, neulich bedeckte Treppen hinauf steigen muß. Von diesem Gymnasio kann man aus denen Studier-Stuben den Burgern der Untern-Stadt in ihre Höfe, und vor die Stadt, in ihre Gärten, aufs schönste sehen … Es hat gegen Aufgang (Osten) und Niedergang (Westen) starcke Schäntze, von Norden ist der Berg unersteiglich, auf Mittag (Süden) zu lieget die Untere Stadt der Länge und Breite nach. Sie hat einen großen Fluß an der Ost Seiten, die Große Kockel genannt, so aus dem Zäcklischen (Szekler) Gebirg (Ostkarpaten) entspringet, und bey dieser Stadt beyhin auf Medwisch (Mediasch) zu fließet, ist ein fischreicher, aber gelber und lettichter (lehmiger) Fluß … Nicht weit von der (Kloster-)Kirchen stehet ein schöner vierecketer Thurn, mit fünff Thürnlein, und einem künstlichen Uhrwerck gezieret (heute „Stundturm“ genannt). Unter diesem Thurn steht das eine Burg-Thor, wodurch man in die Burg hinauf fahren muß. Unter welchem ein schöner Marck-Platz, eben mit zweyen Thoren, dadurch man eingehen muß. Die zwo größte Gassen der Stadt seyn: die Bayer-Gaß und Schäs-Gaß … Die Bayer-Gaß gehet bis an die Berge hinauf, gegen Mittag sein schöne Weinberge und gegen (Sonnen-) Aufgang die aller lieblichsten Gärten.“

Zehn Jahre lang blieb dies freundliche Bild unge­trübt. Über zwanzig Zünfte waren Zeugnis für das blühende Handwerk dieser Stadt. Im Jahre 1671 wohnten in Schäßburg 706 Bürger, 103 Sedler (d.h. Einwohner ohne Hausbesitz) und 154 Witwen. An der Pest von 1661 starben in Schäßburg 620 Menschen, so daß von den Anfang des Jahres in der Stadt wohnenden 831 Hauswirten nur noch 683 am Leben blieben.

An einem warmen Frühlingstage mit starkem Ost­wind – es war Donnerstag, der 30. April 1676, vor­mittags – brach in einem Häuschen in der oberen Baiergasse ein anfangs kleiner Brand aus, der trotz der Anstrengungen der herbeieilenden Bewohner nicht gelöscht werden konnte, sondern durch den Sturmwind immer weiter in die Unterstadt verbreitet wurde. Das Feuer erfaßte die Baiergasse mit Ausnahme von 20 Häusern, die ganze Mühlgasse, die obere Seite des Marktes, dann das Spital und die Hüllgasse bis jenseits des Hüllgässer Tores. Nur die untere Häuserreihe des Marktes, ein Teil des Galtberges sowie die Hintergasse, Kleingasse und Schaasergasse blieben vom Brande unversehrt.

Zu den Rettungsaktionen in der Unterstadt waren auch viele Bewohner der Burg (Oberstadt) herbeigeeilt und merkten viel zu spät, daß die Brände inzwischen auch ihre eigenen Heime erfaßt hatten. Nach den ersten ver­zweifelten Löschversuchen mußten die Bewohner aus den engen brennenden Gäßchen flüchten, um wenig­stens ihr Leben zu retten. Zum Geheul des Sturmwindes, dem Prasseln der wütenden Flammen und dem Rumpeln zusammenfallender Dachstühle und Gebäude kam noch Schlimmeres hinzu. Das Feuer ergriff die unteren Türme der Burg, in denen von den Zünften große Mengen Schießpulver zur Verteidigung der Stadt aufbewahrt wurden. Acht Türme wurden durch die Explosion des Pulvers in Ruinen verwandelt, darunter der Stundturm und – von den wiederaufgebauten und heute noch stehenden – der Schmiede-, Schuster-, Schneider- (Hinteres Tor) und Kürschnerturm. Ver­schont und erhalten blieben nur die Türme, die höher am Schulberg lagen, der gewaltige Goldschmiedturm auf der Spitze des Berges sowie der Seiler-, der Fleischer­- und der Zinngießerturm.

Als das Feuer seine Kraft endlich erschöpft hatte, war das vorher blühende Schäßburg in einen rauchenden Trümmerhaufen verwandelt. Die Bilanz war erschütternd, wie der Stadtschreiber Georg Kraus berichtet: „innerhalb 6 Stunden (ist) die gantze Stadt in die Asche geleget worden, bekandtlich aber ist unsere große Kloster-Kirche sambt andern 2 Nonnen­kirchen, Stunden-Thurn sambt Glocken und dem kräftigen und künstlichen Uhrwerk, 8 andern Thürmen, sambt aller darin befindlichen Munition, die beyden Burg Thöre, Stadt Mauren, altem Rath-Hauss mit vieler darinnen befindlichen Munition, und sehens­würdigen Antiquitäiten, gemeinen Häusern Nro. 624 wie auch 120 Mayerhöffen und Gärten, durch das Feuer verzehret, und zum Stein-Hauffen gemacht worden.“ Auch über 20 Menschen kamen bei diesem Stadt­brand ums Leben.

Angesichts der trostlosen Lage nach dem Brand war es verständlich, daß einige Kleinmütige daran dachten, die Stadt zu verlassen und sich anderswo anzusiedeln. Der Fürst von Siebenbürgen, Michael Apafi, erließ daraufhin einen Befehl an den Stadtmagistrat, nieman­dem zu erlauben, sich von der Stadt zu entfernen und auszuwandern. Er versprach auch, sich auf dem nächsten Landtag für Hilfe an die Stadt einzusetzen. Allein der Landtag ergriff keine Maßnahmen zur Unterstützung Schäßburgs. Er verweigerte sogar die Rückzahlung der sogenannten „Ali-Pascha-Steuer“, welche Schäßburg im Jahre 1661 in Höhe von 33.170 Talern für das ganze Land gezahlt hatte, um die Türken zum Abzug aus Siebenbürgen zu bewegen.

Trotz dieser schweren Lage verzagte die große Mehr­heit der Bewohner Schäßburgs nicht und begann mutig mit dem Wiederaufbau der öffentlichen und der Pri­vatgebäude. Unter der Lei­tung des Bürgermeisters Michael Helwig begannen die Bau­arbeiten, „wobei die arme Bürgerschafft große Mühe gehabt, wie auch die Stuhlsleuht, doch willig und gern (ob schon der meiste Hauffen unter ihnen arme verbrennte Leuht gewesen) ihre Handtag (Arbeitstage) und Expensen (Geldbeiträge) zugetragen, daß man sich ihrer Reso­lution (Entschiedenheit) verwundern müssen“, schreibt der spätere Stadtnotar Johann Krempes.

Zuerst wurde (1677) das Wahrzeichen der Stadt, der Stundturm, aus seinen Ruinen „mit großen Unkosten und viel Mühe erigieret (errichtet), renovieret“, etwa wie wir ihn heute kennen. Die Baumeister waren Veit Gruber aus Tirol, Philipp Bonge aus Salzburg und Valentin Zimmermann, die sich auch beim Wiederaufbau der anderen öffentlichen Gebäude ver­dienstvoll betätigten. Es folgten 1678 die Klosterkirche, 1679 der Schneiderturm (Hinteres Tor) und „auch andere Stadt Gebawer (Gebäude)“, darunter der Kürschnerturm. Die verbrannten Wehrgänge an der Stadtmauer wurden ganz neu errichtet und mit Schin­deln gedeckt. 1681 folgte die Renovierung des Schuster­turms „von Grundt auss“, 1683 „ist der Schlosser Thurn … auss den Trummern aufgerichtet undt erbawet worden“.

Obwohl der große Brand von 1676 so verheerend war, „daß genawe das 4-te Theil stehen blieben“, wie Johann Krempes schrieb, überwand die schwergeprüfte Stadt allmählich die Fol­gen des Unglücks, und die hingebungsvolle tatkräftige Arbeit ihrer Bewohner schuf ein architektonisches Schmuckkästlein, dessen Ruhm weit über die Grenzen Rumäniens reicht. Der Brand von 1676 war das letzte größere Unglück dieser Art, das Schäßburg betroffen hat. Aber auch bei anderen Naturkatastrophen, wie bei den häufigen Überschwemmungen (besonders des Schaaserbaches bis zu seiner Ableitung im Jahre 1862) in früheren Jahr­hunderten, und zuletzt der Großen Kokel in den Jahren 1970 und vor allem 1975, haben die Bewohner der freundlichen Kokelstadt es heldenhaft verstanden, den entfesselten Naturgewalten die Stirn zu bieten und die verursachten Schäden zu beseitigen.

Im Jahre 1999 wurde die historische Altstadt von Schäßburg mit ihren mittelalterlichen Bauwerken von der UNESCO auf die Liste des Weltkulturerbes gesetzt. Seit dem Jahre 2001 versucht das rumänische Touristikministerium in großer Nähe dieser denk­malgeschützten Landschaft einen Horror-Vergnü­gungs­­park an­zulegen, der nichts mit der historisch wertvollen Bau­substanz und der Vergangenheit der Stadt zu tun hat und auch die UNESCO tief „beunruhigt“ hat.

Lit.: Karl Fabritius: Der Brand Schäßburgs im Jahre 1676, in: Archiv des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde, Neue Folge, I., Kron­stadt 1853, S. 220–237. – Gernot Nussbächer: Innerhalb sechs Stunden in Asche gelegt. Der Große Brand von Schäßburg am 30. April 1676, in: Neuer Weg Kalender 1976, Bukarest 1975, S. 117–119. – Heinz Brandsch/Heinz Heltmann/Walter Lingner (Hg.): Schäßburg, Bild einer siebenbürgischen Stadt, Leer 1998.

Bild: Stundturm in Schässburg / Quelle: Metzner, Stundturm SchaessburgCC BY-SA 2.0 DE

Gernot Nussbächer (OGT 2001, 324)