Ereignis vom 1. Januar 1777

Der Kreis Lauenberg-Bütow wird in die Provinz Pommern eingegliedert

Wappen der Provinz Pommern 1881

Die Gebiete Lauenburg und Bütow im Nordosten Pommerns nahmen in dessen Geschichte über mehrere Jahrhunderte eine eigene Rolle ein. Da sie im 14. Jahrhundert unter die Herrschaft des Deutschen Ritterordens gerieten, erhielten Lauenburg 1341 und Bütow 1346 als einzige pommersche Städte das im Ordensstaat vorherrschende Kulmer Stadtrecht. Heute noch kündet die Bütower Ordensburg von dieser Geschichtsperiode. Durch den Zweiten Thorner Frieden wurden die Lande Lauenburg und Bütow 1466 Bestandteile des polnischen Königreichs. Davon profitierte der pommersche Herzog Erich II.; denn seine Beauftragung mit der Herrschaft dieser Lande durch den polnischen König im Jahre 1455 als Belohnung für seine Hilfe gegen den Deutschen Orden wurde jetzt fortgesetzt, bis 1526 ein erbliches Lehnsverhältnis zwischen dem polnischen König und den pommerschen Herzögen für diese Lande hergestellt wurde.

Da das pommersche Herzoghaus 1637 im Mannesstamm ausstarb, fiel die volle Verfügungsgewalt über die Lande Lauenburg und Bütow an den polnischen König, der sie als Starostei der Woiwodschaft Pomerellen angliederte. Diese Verände­rung bedeutete, daß die beiden Lande der Gegenreformation, die damals Polen beherrschte, ausgesetzt wurden. Viele Kir­chen wurden rekatholisiert; die Bevölkerung blieb evangelisch, nur Teile des kaschubischen Bütower Kleinadels wechselten die Konfession. Zum anderen wurden dem kaschubischen Klein­adel die vollen Adelsrechte zuerkannt.

Dem Großen Kurfürsten gelang es 1657, vom Polenkönig mit den Landen Lauenburg und Bütow erblich belehnt zu werden. Dabei sicherte der Hohenzoller zu, den Besitzstand der katholischen Kirche und die Anerkennung sowie die Rechte des kaschubischen Kleinadels zu wahren. Unter der brandenburgisch-preußischen Verwaltung erholten sich die im zweiten schwedisch-polnischen Krieg verwüsteten Gebiete und glichen sich immer mehr den pommerschen Verhältnissen an. Die Zahl der Katholiken wird für 1740 auf unter zehn Prozent der Bevölkerung geschätzt, obwohl die 1657 der katholischen Kirche gegebenen Garantien eingehalten worden waren.

Die Erste Teilung Polens brachte Preußen die volle Souveränität über das bisherige erbliche Lehen Lauenburg-Bütow, das als Kreis Westpreußen zugeordnet wurde. Obwohl die 1657 gegebenen Garantien gegenüber der katholischen Kirche und dem Adel ausdrücklich aufgehoben wurden, sagte Preußen vertraglich die freie Religionsausübung und den dinglichen Be­sitz­stand der katholischen Kirche zu. Die administrative Zuordnung zu West­preußen hatte aber nur kurzen Bestand. 1777 wurde der Kreis aus Westpreußen herausgelöst und Pom­mern zugewiesen, das damit um rund 1.900 km² größer wurde; Lauenburg blieb die Kreisstadt.

Der Kreis Lauenburg-Bütow war zu jener Zeit mit Pommern bereits eng verbunden. In kultureller und sprachlicher Hinsicht gab es keine wesentlichen Unterschiede. Nur im Bereich der Konfessionen ist eine Abweichung von den pommerschen Verhältnissen festzustellen. Als Folge der Gegenreformation existierten im neuen pommerschen Kreis etliche katholische Kirchen, zu einigen gehörte aber kein einziger Katholik. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung war evangelisch. Die Angehörigen der kleinen katholischen Minderheit waren in der Regel Abkömmlinge entweder alteingesessener kaschubischer oder später dort angesiedelter polnischer Familien. 1905 stellten die Katholiken 15,1 %, 1939 12,5 % der Bevölkerung.

Die administrative Regelung von 1777 hatte bis 1945 in ihrem wesentlichen Teil Bestand. 1845 wurde der Kreis in seine beiden historischen Teile geteilt, jetzt wurde auch Bütow Kreisstadt. Während Lauenburg-Bütow weder 1773 noch 1777 ein Bestandteil des alten Deutschen Reiches wurde, obwohl es zu einem deutschen Staat gehörte, war es als Teil der Provinz Pommern Gebiet des Deutschen Bundes und später des neu gegründeten Deutschen Reiches.

Hervorzuheben ist, daß die beiden Kreise seit Mitte des 19. Jahrhunderts in der Lehrerbildung eine herausragende Stellung in Pommern einnahmen; 1859 wurde in Bütow, das keine weiterführende Schule aufwies, das sechste pommersche Lehrerseminar eröffnet. Es bestand bis 1925,l dem Ende der seminaristischen Lehrerausbildung. In Lauenburg gab es von 1933 bis 1945 die einzige pommersche Hochschule für Lehrerbildung.

Lit.: Dieter Stüttgen (Bearb.): Pommern, Marburg/Lahn 1975, S. 9–14, 49–58, 61f. u. 71f. – Ellinor von Puttkamer: Die Lande Lauenburg und Bütow – internationales Grenzgebiet, in Baltische Studien N.F. Bd. 62 (1976), S. 7–22. – Dietmar Lucht: Die pommerschen Lehrerseminare. Ein Überblick, in: Land am Meer. Pommern im Spiegel seiner Geschichte. Festschrift für Roderich Schmidt. Hg. von W. Buchholz und G. Mangelsdorf, Köln/Weimar/Wien 1995, S. 561–579.

Bild: Wappen der Provinz Pommern 1881 / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Dietmar Lucht (OGT 2002, 374)