Die Ideen der deutschen Reformation verbreiteten sich durch den Buchdruck rasend schnell. Mithilfe importierter Druckwerke wurden sie durch siebenbürgisch-sächsische Kaufleute um 1520 auch in Hermannstadt (rum. Sibiu) bekannt. Nicht nur im humanistisch gesinnten Bürgertum und in der Bevölkerung dieser Stadt fanden die anfänglich von Wittenberg ausstrahlenden, vielerorts nachgedruckten Schriften zur Kirchenreform Resonanz. Auch in den umliegenden Dörfern wurden die Neuerungen rege wahrgenommen. Die Abwehr war heftig; zwei evangelisch gesinnte Prediger mussten die Stadt verlassen. Die Erzbischöfe in Gran und die ungarischen Könige (sowohl Ludwig II. als auch die Gegenkönige Johann I. Szapolyai und Ferdinand I.) erließen Edikte und Mandate gegen die Reformation. Aber mit Verboten konnte die Verbreitung und Akzeptanz der Reformation auf Dauer nicht verhindert werden. Der „Kampf um die Köpfe“ wurde auch mithilfe von offiziell angeordneten Diskussionen (Disputationen oder Religionsgesprächen) geführt. Anfangs waren dies Disputationen auf Synoden der Geistlichen. Schließlich haben seit 1566 auch fürstlich gestützte Religionsgespräche dazu gedient, bereits erreichte theologische „Innovationen“ zu plausibilisieren, abzusichern und deren staatskirchenrechtliche Legitimation vorzubereiten. Nachdem König Johann I. Szapolyai 1528 Siebenbürgen den Osmanen tributpflichtig unterstellt hatte und diese 1541 den habsburgischen Einfluss mit der Besetzung der Hauptstadt Buda ausgeschaltet hatten, fand die Reformation politische Unterstützung in Siebenbürgen und breitete sich rasch aus. Nun stand Kronstadt (rum. Braşov) mit Johannes Honterus (ca 1498-1549) und Stadtrichter Johannes Fuchs an der Spitze der Bewegung, die 1542 die Reformation in der Stadt und im Burzenland einführte. Die sächsischen Städte folgten diesem von den Wittenberger Theologen Luther (1483-1546) und Melanchthon (1497-1560) gutgeheißenen Beispiel. 1550 beschloss die Nationsuniversität, die 1547 gedruckte Kirchenordnung aller Deutschen in Siebenbürgen in ihrem Rechtsgebiet verbindlich vorzuschreiben. Danach schwappten die in Mitteleuropa heftig diskutierten Kontroversen (zwischen altgläubig-katholischen, wittenbergisch und schweizerisch orientierten Protestanten) auch nach Siebenbürgen. Dort fanden zwischen 1557 und 1564 mehrere Disputationen und die Aufspaltung in verschiedene (sprachlich und theologisch differierende) Gruppen statt.
Bislang wurde häufig die Auffassung vertreten, mit den nachfolgenden Landtagsbeschlüssen seien die verschiedenen, bis dahin bereits entwickelten Konfessionen Siebenbürgens erlaubt und anerkannt worden, ja, der Landtag habe religiöse „Toleranz“ gesetzlich verankert.
Edit Szegedi hat in einem Vortrag 2017 und einem noch unveröffentlichten Aufsatz die These aufgestellt: „Erst 1595 konnte das anerkannt werden, was es weder 1568 noch 1571 gab, nämlich die Konfessionen“. Damit entzieht sie den eben genannten Auffassungen die Grundlage.
Die Religionsfrage war ein politisches Problem, deshalb sandte im April 1564 (der als Säugling 1540 „gewählte“) König Johann II. Sigismund Szapolyai (1540-1571) seinen Berater und Leibarzt, den antitrinitarisch gesinnten Giorgio Biandrata (ca. 1515-1588) zur Synode in Straßburg am Mieresch (rum. Aiud). Er ließ den Superintendenten Alesius durch den Hofprediger Franz Hertel (genannt Davidis, ca. 1520-1579), den sächsischen Stadtpfarrer in Klausenburg (rum. Cluj), ersetzen. Der König wollte zwar die religiöse Einheit in Siebenbürgen erhalten, deutete aber an, falls die streitenden Parteien sich nicht einigen könnten, dürften sie auch in zwei Kirchengemeinschaften auseinandergehen. Weil die geistlichen Synodenteilnehmer die Kontroversen um die Deutung und Feier des Abendmahls nicht beilegten, spaltete sich die evangelische Bewegung in eine Hermannstädter und eine Klausenburger Kirche. Die Hermannstädter Kirche unter Superintendent Mathias Hebler († 1571) orientierte sich theologisch an Wittenberg (vornehmlich Melanchthon) und war überwiegend deutschsprachig. Die überwiegend ungarischsprachige Klausenburger Kirche wurde von Franz Davidis geleitet und vertrat eine an der schweizerischen Reformation angelehnte Richtung (die vorwiegend vom Zürcher Heinrich Bullinger geprägt war). Deren regional konzentrierter Einzugsbereich lag vornehmlich im Partium.
In Klausenburg trieb der Stadtpfarrer Franz Davidis unmittelbar nach der Trennung beider Superintendenturen den theologischen Wandel voran. Davidis predigte in antitrinitarischem Sinne, die anderen Pfarrer standen gegen ihn, und die Klausenburger Bürgerschaft spaltete sich in zwei Parteien. Volkspropheten traten auf. In Privathäusern, in Gasthäusern, auf Straßen und Plätzen, in der Mühle wurden die theologischen Fragen leidenschaftlich verhandelt, bis endlich der Rat dem Treiben ein Ende machte. König Johann II. Sigismund ordnete für den 24. April 1566 am Fürstenhof in Weißenburg, also erstmals außerhalb und unabhängig von einer Kirchensynode, eine Disputation an. Die Teilnehmer gaben sich mit der beschwichtigenden Feststellung von Biandrata zufrieden, nur auf nichtbiblische, aus der antiken Philosophie übernommenen Begriffe der kirchlichen Bekenntnisse verzichten zu wollen, ohne die Inhalte aufzugeben. Eine Neuausgabe des Heidelberger Katechismus wurde veranstaltet und gedruckt, in der die auf die Trinität bezüglichen dogmatischen Ausdrücke getilgt wurden.
Voraussetzung des Religionsgesprächs war Beschluss des Landtags von Thorenburg vom Januar 1568, dass „aller Orten die Prediger das Evangelium predigen, verkündigen, jeder nach seinem Verständnis, und wenn es die Gemeinde annehmen will, gut, wenn aber nicht, so soll sie niemand mit Gewalt zwingen, […] denn der Glaube ist Gottes Geschenk“. Das vom König einberufene Religionsgespräch fand vom 8.-17. März 1568 in Weißenburg statt. Für die evangelische (d.h. unitarische) Partei traten Biandrata und vor allem Davidis, für die katholische (d.h. wittenbergische und schweizerische) der Debreziner ungarische Pfarrer Peter Melius (1532-1572) als Anführer auf. Am 8. März 1568, morgens um 5:00 Uhr wurde die Disputation in Anwesenheit des Herrschers feierlich eröffnet. Die Parteien zogen in zwei Reihen im fürstlichen Saal auf. Davidis eröffnete mit einem kurzen Ruf „zum Vater des Lichts und Christi“ und schloss mit dem Vaterunser; Matthias Hebler stimmte das lateinische „Komm, Heiliger Geist!“ an.
Die differierenden hermeneutischen Denkvoraussetzungen stießen im Religionsgespräch sofort aufeinander. Melius stellte die Differenzen klar fest: Es gehe darum, ob der Vater ausschließlich der eine und alleinige wahre Gott sei, wie die Antitrinitarier lehrten, oder ob der Vater mit seinem Sohne und seinem Heiligen Geist der eine und alleinige, wahre Gott sei, was er selbst als Lehre der Heiligen Schrift und als ständigen Glauben der Kirche erweisen wolle. Davidis und Biandrata stellten dieser Theologie das unitarische Konzept des einen Schöpfergottes gegenüber, der im Alten Testament sich mittels Propheten und Engeln offenbart habe, und den im Neuen Testament Jesus Christus als seinen – ihm übergeordneten – „Vater“ bezeichnet habe.
Das zehntägige Religionsgespräch wurde, „um weiteren Schaden zu vermeiden“, auf das darauffolgende Jahr vertagt. In Großwardein fand vom 20.-25. November 1569 das entscheidende Religionsgespräch statt. Der König griff dort mehrfach zugunsten der antitrinitarischen Diskutanten ein. Vor diesem Hintergrund beschloss der Landtag 1571: „So ist über die Verkündigung und das Hören des Wortes Gottes beschlossen worden, wie auch zuvor eure Hoheit mit ihrem Reiche beschlossen haben, Gottes Wort überall soll frei verkündigt werden können. Und wegen seines Bekenntnisses soll niemand gekränkt werden, weder Prediger noch Hörer“. Edit Szegedi weist darauf hin, dass der Landtag schließlich die Bestrafung der nicht bekehrungswilligen Rumänen gefordert habe.
Welches waren nun religionspolitische Motive und Absichten auf den Landtagen? Das ist wegen der nicht mehr vorhandenen Akten (Verhandlungsprotokolle etc.) schwer zu sagen. Überall suchten die Politiker die religiöse Einheit des Landes zu erhalten; wichtiger aber war Vermeidung von Aufruhr und Gewalt, also der innere Frieden. Zunächst suchte jede Glaubensrichtung, da sie von ihrer Position als Wahrheit überzeugt war, ihre eigene Position argumentativ durchzusetzen und zu bewahren. Die bereits sich unterscheidenden Gruppen (selbst wenn sich von ihnen weitere abspalteten) wollten ihren Glauben weiter ausüben. Andere wollten die Reformation – in ihrem Sinne – erneuernd vollenden. Beide Seiten konnten sich mit der Verkündigungsfreiheit zunächst gut arrangieren, denn sie bot allen Vorteile und erlaubte, die Fiktion oder Leitidee einer religiösen Einheit aufrecht zu erhalten. Die antitrinitarische Bewegung hatte wohl – auch weil Johann II. Sigismund sie unterstützte – beabsichtigt, die gesamte Bevölkerung Siebenbürgens davon zu überzeugen, sich zu einer unitarischen Landeskirche zusammenzuschließen. Dazu dienten die Religionsgespräche 1568 und 1569. Unterstützend wiederholte der Landtag 1571 deshalb die Genehmigung der Verkündigungsfreiheit. Doch der Landesherr starb 1571 unerwartet mit 31 Jahren. Seine katholischen Nachfolger aus der Báthory-Familie mussten im Fürsteneid alle bereits existierenden Glaubensrichtungen (auch die von Davidis geleitete) anerkennen, wandten sich praktisch aber gegen die Unitarier, z.B. mit einem Neuerungsverbot. Einseitige religionspolitische Maßnahmen wurden nach und nach auf alle Glaubensgruppen ausgedehnt. Und in einer Zwangslage erpresste der Fürst 1595 vom antikatholisch eingestellten Landtag das nie wieder zurückgenommene, als Grundgesetz Siebenbürgens zu betrachtende Zugeständnis, neben den Lutheranern, Kalvinisten und Unitariern auch die römisch-katholische Kirche als „religio recepta“ anzuerkennen und die Orthodoxen zu „tolerieren“. Das war nicht das Paradies auf Erden, auch galt nicht eine „Toleranz“ in heutigem Sinne. Aber es war eine „Pionierregion der Religionsfreiheit“ entstanden, die formal stabil blieb – mit nachfolgend historisch wechselnden Konjunkturen.
Edit Szegedi hat die Diskussion eröffnet, ob die Landtagsentscheidungen 1568 und 1571 nur eine Ausnahme darstellten und damit der „Mythos“ der religiösen Toleranz in Siebenbürgen verabschiedet werden muss. Sicher ist jedoch: Das Bild der Geschichte Siebenbürgens wird sich ändern!
Bild: Der Klausenburger Stadtpfarrer Franz Hertel (genannt Davidis) spricht auf dem Landtag 1568 in Thorenburg. Historiengemälde von Aladár Körösfoi-Kriesch (1863-1920) / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.
Ulrich A. Wien (OGT 2018, 264)