Ereignis vom 7. September 1913

Der Neubau des Honterusgymnasiums in Kronstadt

Honterus-Gymnasium (Gebäude B)

Unter den Jubiläen, die im Jahre 2013 begangen wurden, durfte die Jahrhundertfeier des Neubaus des Honterusgymnasiums nicht fehlen, der am 7. September 1913 feierlich eingeweiht wur­de.

Die vom großen Kronstädter Humanisten und Reformator Johannes Honterus um 1541 zur ältesten humanistischen Lehranstalt des Landes umgestaltete alte Stadtschule wirkte seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in dem 1743 bis 1748 errichteten Gebäude, dessen beide oberen Stockwerke in den Jahren 1834/1835 neu gebaut werden mussten und 1873 neu umgestaltet wurden.

Schon im Jahre 1888 machte der damalige Stadtpfarrer Franz Obert erste Vorschläge für einen Neubau, aber in zwanzig Jah­ren kam es nicht dazu. Erst unter dem neuen Stadtpfarrer D. Franz Herfurth wurde die Schulbaufrage ab 1908 entschieden angegangen.

Kronstadt stand damit nicht allein unter den sächsischen Städten Siebenbürgens, in denen es mehrere Bestrebungen für die Modernisierung der Schulbauten gab. In Schäßburg wurde im Jahre 1901 das stark erweiterte alte Gymnasium – die Bergschule – neu eingeweiht, in Hermannstadt wurde in den Jahren 1904 bis 1912 über den Neubau einer Mittelschule diskutiert, 1911 wurde der Neubau des Bistritzer Gymnasiums und 1912 das Mediascher Stephan-Ludwig-Gymnasium fertiggestellt.

Nachdem der Schulbau in Kronstadt im Februar 1908 beschlossen war, ersuchte Stadtpfarrer Herfurth im Namen der Kirchengemeinde beim Kultus- und Unterrichtsminister in Budapest um eine bedingungslose staatliche Unterstützung von 400.000 Kronen für den Neubau an und hatte den gewünschten Erfolg, so dass etwa zwei Drittel der veranschlagten Kosten gedeckt waren. Für den Bauplatz gab es verschiedene Vorschläge und heftige Diskussionen. „Da kam uns Gott mit gütiger Fügung zu Hilfe“ heißt es im Bericht.

Im Juli 1909 wurde die Erweiterung des Bürgerspitals auf dem früheren Rahmenplatz zwischen Roßmarkt und Rahmengasse nicht genehmigt. Die evangelische Kirchengemeinde beeilte sich nun, diesen Platz als Baugrund für den geplanten Mittelschulbau zu erwerben und bot dafür einen Kaufpreis von 15.000 Kronen an. Aber in der Sitzung der Stadtvertretung am 23. März 1910 wurde von allen Stadtvertretern einhellig – auch von den Ungarn und Rumänen – beschlossen, den Bauplatz unentgeltlich zu überlassen.

Für den Bauplan wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, dessen Gewinner die Baufirma Beck, Hornberger und Mößner aus Dresden wurde. Der Detailplan wurde danach vom Dresdener Architekten Paul Beck erstellt und unter der Bauleitung der Kronstädter Architekten Albert Schuller und Oskar Goldschmidt von der Baufirma Moritz Wagner und Gustav Bruss der Bau in den Jahren 1911 bis 1913 ausgeführt. Die gesamten Baukosten betrugen 655.000 Kronen.

Die neue Schule hatte einen großen Festsaal mit einer Orgel, der geradezu zum Gemeindesaal für verschiedene Veranstaltungen wurde, drei naturwissenschaftliche Säle, viele Klassenräume, eine Turnhalle, ein astronomisches Observatorium, eine Heizanlage und einen großen Schulhof mit Spielplatz.

Die feierliche Einweihung fand am Sonntag, dem 7. September 1913 statt und wurde um 7 Uhr morgens mit der Großen Glocke der Schwarzen Kirche eingeläutet. Um 9.30 Uhr fand in der Schwarzen Kirche ein Festgottesdienst statt und die Festpredigt hielt der Stadtpfarrer Dr. Franz Herfurth. Nach dem Gottesdienst versammelte sich die Festgemeinde vor dem alten Gymnasium, wo Professor Dr. Oskar Netoliczka ergreifende Abschiedsworte sprach. Dann erfolgte unter Glockengeläute der Festzug zum neuen Gymnasiumsgebäude, wo im vollen Festsaal die Übergabe des Hauses an den Rektor Julius Groß, an die Professoren und Schüler stattfand. Nach dem Festvortrag des Rektors und verschiedenen Ansprachen wurde zum Schluss gemeinsam „Nun danket alle Gott!“ gesungen. Eine größere Feier sollte im Jahre 1914 stattfinden, die aber durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges verhindert wurde.

Im Kriege wurden verschiedene Räume des neuen Gym­nasiums für militärische Zwecke verwendet und zeitweilig waren bis zu 500 Soldaten darin untergebracht. Als die rumänische Armee am 29. August 1916 Kronstadt besetzte, wurden rumänische Truppen im Hause untergebracht, die auch die wertvolle Bibliothek und die Sammlungen bewachten.

Nach der Wiedereroberung Kronstadts durch die Truppen der Mittelmächte wurde im Honterusgymnasium ein Feldlazarett eingerichtet, in dem zeitweilig bis zu 600 Kranke und Verwundete untergebracht waren. Erst nach Kriegsende 1918 konnte der normale Schulbetrieb wieder im Hause aufgenommen werden.

Nach der Pensionierung von Rektor Julius Groß wurden für die Jahre 1916 bis 1926 Dr. Oskar Netoliczka und von 1927 bis 1940 Adolf Meschendörfer Rektoren der Honterusschule. Es war eine Blütezeit der Anstalt, von der aus viele Anregungen für das siebenbürgisch-sächsische Schulwesen ausgingen. Im Jahre 1930 wurde ein Erweiterungsbau geplant, aber wegen der Weltwirtschaftskrise nicht ausgeführt.

In den Jahren 1940 bis 1944 war Dr. Albert Hermann Rektor der Honterusschule, die im Jahre 1941 auf Grund des Gesamtabkommens durch die Deutsche Volksgruppe in Rumänien übernommen wurde.

Diese stellte das Gebäude der Deutschen Wehrmacht zur Verfügung und damit hatte nach weniger als 30 Jahren das Gebäude seine Bestimmung als Schule endgültig verloren. Es wurde wieder als Feldlazarett benützt. Nach dem Abzug der deutschen Truppen im August 1944 übernahmen die Sowjettruppen das Gebäude als Feindgut um ebenfalls ein Militärspital darin einzurichten, das sie bis zu ihrem Abzug im Jahre 1947 unterhielten.

Im Jahre 1947 wurde das Gebäude des Honterusgymnasiums von den städtischen Behörden Kronstadts für die Einrichtung eines städtischen Spitals beansprucht, das die offizielle Bezeichnung Einheitsspital Nr. 1 Ilie Pintilie trug. Im Jahre 1949 wurde das Gebäude als Spital enteignet und verstaatlicht. Seit dem Jahre 1973 ist darin die Geburtenklinik untergebracht. Im Jahre 2008 wurde das Gebäude der Honterusgemeinde wieder übereignet. Die Geburtenklinik – die seit einigen Jahren den Namen des verdienten Geburtshelfer-Arztes Dr. Ioan Aurel Sbârcea (1912-1990) trägt, der selbst auch Schüler des Honterusgymnasiums war – besteht vorläufig weiter im Gebäude, das im Laufe der Jahrzehnte um- und ausgebaut und erweitert wurde.

Bild: Honterus-Gymnasium (Gebäude B) / Quelle: ThE cRaCkErJohannes Honterus School Brasov Building B part 2CC BY 3.0

Gernot Nussbächer