Ereignis vom 1. Januar 1209

Deutsches Jagdwesen in Siebenbürgen

Mittelalterliche Darstellung der Jagd auf den Bären mit Jagdhunden und Bärenspieß

Siebenbürgen war und ist auch heute noch bekannt als das „Traumland des Jägers“. Auch dem außenstehenden Nichtfachmann ist das Siebenbürgische Jägerlied („Ich schieß den Hirsch im wilden Forst, im tiefen Wald das Reh…“), entstanden 1828, geläufig, dessen Text Franz von Schober zugeschrie­ben wird und das durch die Vertonung von Franz Schubert (1797-1828) weite Verbreitung fand. Doch schon der im klassischen Altertum lebende römische Geschichtsschreiber Ammi­anus Marcellinus (um 330-395) beschreibt die jüngste römische Kolonie auf europäischem Boden (das heutige Siebenbürgen) – dieses „Dacia felix“ – als sehr waldreich und nennt es ein wah­res „Bärenland“.

Rund 600 Jahre später und nur zwei Generationen nach der Niederlage des ungarischen Hauptheeres 955 bei Augsburg (Lech­feld) durch König Otto (912-973) werden die Ungarn – durch die Missionierung des Bistums Passau und des Erzbistums Salzburg – christianisiert. Vajk nimmt 1001 unter dem Namen Stephan (970-1038) den Königstitel an. Er ehelicht 996 Gisela (um 985-1060), die Tochter Herzog Heinrichs II. von Bayern (951-995). Der deutsch-bayerische Einfluss sollte unter König Stephan I. – später genannt „der Heilige“ – schier über­mächtig werden. Die gesamte Gesetzgebung Ungarns stützte sich auf das bayerische Vorbild. Schon unter Geisa (Géza, † 997) – Stephans Vater – wurden Deutsche ins Land gerufen, die nicht nur die Streitkräfte reorganisierten, sondern auch das Berg- und Waldwesen prägen sollten. Neben Waldwirtschaft musste die Jagd und Fischerei betreut werden und in grenznahen Gebieten erstreckte sich die Tätigkeit der Körperschaft der so genannten „Königlichen Forstheger“ auch auf die Verteidigung der Landesgrenze. Nachdem im 12. Jahrhundert deutsche Kolonisten in das „Land jenseits der Wälder“ (Transilvanien = Siebenbürgen) kamen, stand die Urbarmachung des Landes im Vordergrund. Die Jagd hatte für die „Hospites“ (Gäste, wie die Ansiedler genannt wurden) insofern Bedeutung, als es galt, das Eigentum (Vieh, Getreide- und Obstland) gegen etwaige Schädigungen durch Großraubwild (Bär, Wolf und Luchs) und Schwarzwild (Wildschweine) zu schützen.

Als in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts sich der Berufsjägerstand auch in dem zu Ungarn gehörenden Landesteil Siebenbürgen herausbildet, werden die ersten Berufsjäger (1209) in den Chroniken erwähnt; diese waren Deutsche, die 1209 bis 1234 in Ipp (heute Nordsiebenbürgen) genannt werden und zwar: Der königliche Wisentjäger Günther, sowie der Dekurion Mert – Oberjäger einer Dekurie Wisentjäger (Berufsjägerabteilung von 10 Mann). Nun entstand auch in diesem Großraum ein für damalige Zeiten nicht unbedeutender Wirtschaftszweig. In dieser Zeit wird auch der Kuvasz (Hunderasse) gezogen, der am ungarischen Königshof für die Jagd auf Rot-, Schwarz- und Bärwild gehalten wurde. Unter dem königlichen Geschlecht der Arpaden (bis 1301) gab es bereits die Berufsjägergruppe der Draucari (Hundeführer), Leporiferi (Windhundführer) und Caniferi (Hundepfleger). Ab dem 12. Jahrhundert entstehen durch gezielte Zucht mehrere wertvolle Jagdhunderassen, wie Siebenbürgischer Windhund (Windspiel, auch Agar genannt), Siebenbürgische Zwergbracke (Teckel oder Tatschko), Siebenbürgische Bracke (auch als Kopo, oder Karpatenbracke bekannt), sowie Packer (Saupacker, Bärenpacker, Bärenbeißer) oder auch als Sau- und Bärenhund bekannt.

Der nun in Siebenbürgen entstandene Berufsjägerstand führte allmählich – wie in der Urheimat Deutschland – auch hier zur Entstehung einer Fachsprache, der so genannten siebenbürgisch-deutschen Weidmannssprache. Mit fortschreitender Kulturentwicklung, erhielt die Jagd auch bei den Siebenbürger Sach­sen allmählich Bedeutung wie in der Urheimat; sie gewann immer mehr ideellen Wert, indem sie als persönliche Liebhaberei von den wohlhabendsten Bürgern ausgeübt wurde. Die Jagd der deutschen Siedler blieb jedoch immer auf ein bescheidenes Maß beschränkt. Bis ins 19. Jahrhundert gab es den Stand der Berufsjäger. Diese entstammten der ärmeren Volksschicht und betrieben überwiegend die freie Raubtierjagd auf Wolf, Bär und Luchs. Seit dem 17. Jahrhundert wurden auf dem Königsboden (terra regalis = Siedlungsgebiet der Deutschen), die so genannten „Amtstreibjagden“ auf Raub- und Schadwild durch die Gemeinden angeordnet; auf dem ungarischen Adelsboden waren diese als „Stuhlrichterjagden“ (Stühle – sedes, im mittelalterlichen Königreich Ungarn bestehendes Verwaltungsforum) bekannt.

Mit Beginn des 17. Jahrhunderts entstand eine Jägerschaft vornehmer Bürger. Den Abschluss dieser Entwicklung markierte die Gründung von deutschen Jagdvereinen (1874 Bistritz, 1883 Kronstadt, 1898 Schässburg, 1899 Jagdgesellschaft Retezat, u.a.m.).

Die Jagd in Siebenbürgen hat verschiedenen Gewerbezweigen (Feinkürschnerei, Futterfellmacherei, Pelzkappenmacherei, Lede­­rer-Gerberei, Schlächterei und Selcherei) stets lohnende Ein­künfte gebracht; auch der Export der Rauchwaren sicherte hohe Einkommen.

Die Entwicklung des Jagdwesens erlebte seit dem Ende des 19. Jahrhunderts einen allgemeinen Aufschwung (Anstellung von Wildhegern, bzw. Berufsjägern, Einführung moderner Jagdwaffen und Jagdausrüstungserzeugnissen, etc.) und sicherte so eine verbesserte Hege und Pflege des Wildes. Das 20. Jahrhundert brachte den Beginn einer rationellen Jagdwirtschaft, die allmählich zur Trophäenjagd (Erbeutung von Spitzentrophäen) führte, die ihren Höhepunkt nach 1948 erreichte. So war die siebenbürgische Jägerschaft mit Trophäen und Präparaten von Karpatenwild schon ab 1910 (Wien) bei zahlreichen internationalen Ausstellungen vertreten (Leipzig 1939, Berlin 1937, Düsseldorf 1954, Neusatz/ Novi Sad 1067, Budapest 1971, Nürnberg 1986, etc.), wo diese durch hohe Qualität bestachen. Das siebenbürgische Wild hält zahlreiche Weltrekorde; so z.B. 1937 den in Berlin aufgestellte Weltrekord für Gamskrucke (141,1 Internationale Punkte), erlegt von A. Hessheimer aus Kronstadt im Fogarascher Gebirge (1934), der bis heute nicht überboten wurde.

In der Zeit vor 1504 (erstes Jagdrecht) fehlen allgemeingültige jagdgesetzliche Vorschriften, jedoch sicherte der „Goldene Freibrief“ Andreas’ II. von 1224 (siehe OGT 1999) auf dem Gebiet der freien Siedlergenossenschaft der Siebenbürger Sach­sen jedem freien, waffenfähigen Mann das Jagdrecht. Erst das 18. Jahrhundert brachte die ersten einschränkenden jagdlichen Verordnungen. So wurde 1724 seitens des damaligen kommandierenden Generals von Siebenbürgen, Graf Königs­egg, das Jagen „dem Herrenlosen Gesindel“ verboten. Ungefähr zur selben Zeit wie in den westlichen Kulturländern (z.B. Deutschland 1722) werden erstmals in Siebenbürgen (Burzen­land) 1740 Jagdpässe erwähnt. Von besonderer Bedeutung war die Verordnung von 1751, welche erstmals Jagd- und Schonzeiten einführte. Es folgten verbesserte Jagdgesetze bis 1802; doch ab diesem Jahr (1802-1883) regelte ein besonderer Gesetzartikel das wachsende Verständnis der Natur gegenüber, war also eine bahnbrechende Neugestaltung. Nach dem Ersten Weltkrieg (Siebenbürgen fiel an Rumänien) wurde nun das rumänische Gesetz zum Schutze des Wildes und zur Regelung der Jagd von 1921 auch für diesen Landesteil gültig.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann die bis heute andauernde Epoche der Jagdbelletristik Siebenbürgens, welcher der hohe Bekanntheitsgrad der Karpaten-Jagdreviere zu verdanken ist. So veröffentlicht Gustav Spinka 1878 unter dem Pseudonym Sylvan das erste Werk unter dem Titel Jagdliches aus Siebenbürgen. Es folgten unsterbliche Jagderlebnisbücher aus der Feder so bekannter Fachschriftsteller wie Eduard von Czynk (1851-1899, siehe OGT 1999), August von Spieß (1864-1953), Andreas Berger (1850-1919), Emil Witting (1880-1952), Otto Alscher (1880-1944, siehe OGT 1980 und OGT 1994), Julius Fröhlich (1881-1957, siehe OGT 2007), Otto Witting (1889-1955, siehe OGT 2006), Richard Jacobi (1901-1972, siehe OGT 2003) u.a.m. Zahlreiche Weidmänner Mitteleuropas jagten schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in den reichen Wildkammern der Karpaten und veröffentlichten ihre Erlebnisse, wie z.B. Ernst Graf Silva-Tarouca, Alexander Florstedt, Walther Fournier, Adolf Frhr. Bachofen von Echt, Erich Kloss, u.a.

Das Jagdwesen und die Jagdbelletristik der Deutschen in Südost-Europa erfuhr in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – nach 1944 (am 23. August erklärt Rumänien dem bisherigen Bündnispartner Deutschland den Krieg) – das gleiche Schicksal wie die deutschsprachige Gesamtliteratur dieses Raumes. Sie wurde zum Teil von Autoren geschaffen, die als Angehörige deutscher Sprachgruppen in Rumänien lebten, zum anderen von aus Rumänien stammenden Autoren, die in Deutschland und Österreich Heimat gefunden hatten.

Im Herbst 1944 hörte das deutsche Jagdwesen Rumäniens auf zu existieren; es war auch der Anfang des allmählichen Ausklingens des Deutschtums nach einem 800-jährigen Bestehen im Karpatenland Siebenbürgen in Rumänien.

Lit.: G. Deutsch, Zur Geschichte der Jagd in den Ländern der Stephanskrone, in: Ungarische Revue, XIII, Heft 10/1893, S. 569-577. – B. Hubensteiner, Bayerische Geschichte. München, 1967, 434 S. – P. Lendvai, Die Ungarn. München, 1999, 634 S. – F. Rolshoven, Siebenbürgen. Reise in ein Traumland des Jägers, in: Die Pirsch, 2, 1975, München, S. 76-79. – R. Rösler, Der Braunbär (Ursus arctos L.) in der siebenbürgischen Weidmannssprache, in: Naturwissenschaftliche Forschungen über Siebenbürgen, IV, 1991, Köln-Weimar-Wien, S. 341-413. – R. Rösler, Siebenbürgische Jagdhunde einst und jetzt, in: Wild und Hund, Hamburg, 21, 1992, S. 79-80. – R. Rösler, Jagdgeschichte Siebenbürgens, in: Lexikon der Siebenbürger Sachsen. Thaur bei Innsbruck, 1993, S. 213-216. – R. Rösler, Das deutsche Jagdschrifttum Rumäniens. Der Karpatenraum zwischen Bukowina, Siebenbürgen und Banat, in: Südostdeutsche Vierteljahresblätter, 4, 1998, München, S. 328-332. – R. Rösler, Zur Forstgeschichte Rumäniens. Ein zusammenfassender Überblick, in: News of Forest History, Wien, 2, 1999, 76 S. – R. Rösler, Wirken bayerischer Forstleute jenseits der weiß-blauen Grenze, in: Kaleidoskop in Grün (Hrsg. H. Bleymüller), München, 2005, S. 95-104. – R. Rösler, Die siebenbürgisch-deutsche Waidmannssprache um den Braunbären der Karpaten im Lichte des Vielvölkersprachraumes Rumänien, in: Beiträge zur Jagd- und Wildforschung, 33, 2008, Staßfurt, S. 299-312. – O. Witting, Die Geschichte der Jagd, in: Das Burzenland, 5, 1929, Kronstadt, S. 41-77. – O. Witting, Betrachtungen über die Entwicklung der Jagd in Siebenbürgen (rum.), in: Carpaţii, 12, 1934, Klausenburg, S. 314-316. – O. Witting, Die Geschichte des Jagdrechtes in Siebenbürgen (rum.), Bukarest, 1936, 123 S.

Bild: Mittelalterliche Darstellung der Jagd auf den Bären mit Jagdhunden und Bärenspieß / Quelle:

Rudolf Rösler (OGT 2009, 329)