Ereignis vom 11. Juni 1157

Die Begründung der Mark Brandenburg

Siegel von Markgraf Albrecht der Bär

Die Stadt Brandenburg an der Havel hat der umliegenden Region ihren Namen gegeben. Wir sprechen von der Mark Brandenburg oder dem Kurfürstentum Brandenburg, von der Provinz Brandenburg oder dem Land Brandenburg. Diese unterschiedlichen Bezeichnungen für ein Territorium spiegeln dessen 850 Jahre deutscher Geschichte wider. Seit 1990 ist als ein Ergebnis der Wiedervereinigung das Land Brandenburg neu entstanden, eines von 16 Ländern der Bundesrepublik Deutschland. Es wird im Wesentlichen in seiner Ost-West-Ausdehnung durch die Flüsse Elbe und Oder begrenzt. Der Begriff Mark wird allerdings bis heute von den Menschen benutzt. Die ehemaligen ostbrandenburgischen Gebiete jenseits von Oder und Lausitzer Neiße der bis 1945 existierenden Provinz Brandenburg sind als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges in den Hoheitsbereich Polens gelangt; es sind dies die Neumark mit den Zentren Küstrin und Landsberg an der Warthe, das Sternberger Land mit Reppen sowie südöstliche Teile der Niederlausitz, dort sind die bekanntesten Orte Guben und Sorau. 1939 hatte dieser Teil Brandenburgs 642.000 Einwohner; es war eine rein deutsche Bevölkerung. Nach Ermittlungen des Statistischen Bundesamtes (1958) sind im Zuge der Vertreibungen 1944, 1945 und 1946 ca. 207.000 Menschen umgekommen. Das sind 35% der Bevölkerung Ostbrandenburgs und der höchste Prozentsatz aus allen Vertreibungsgebieten des Reiches überhaupt. Bei der Aufzählung der Vertreibungsgebiete wird das historische Ostbrandenburg selbst von Vertriebenenpolitikern häufig übergangen, im Schrifttum manchmal Pommern oder Schlesien zugeordnet.

Am 11. Juni 2007 wurde im Dom der Stadt Brandenburg feierlich das 850. Jubiläum begangen. Die Festansprache hielt der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Mathias Platzek. Am 3. Oktober 2007, dem Tag der Deutschen Einheit, fand ein großes Bürgerfest zum Geburtstag der Mark rund um das St. Pauli-Kloster statt.

Am 11. Juni 1157 eroberte der Askanierfürst Albrecht der Bär die zentrale Burg des slawischen Stammes der Heveller Brennabor; daraus leitet sich der Name Brandenburg ab. Die Slawenfeste lag exakt auf der heutigen Dominsel. Unmittelbar nach dieser Eroberung haben Albrecht und auch sein Sohn Otto den Titel Markgraf von Brandenburg angenommen. Somit kann das Jahr 1157 als Geburtstag der Mark Brandenburg bezeichnet werden. Der Raum, in dem sich später die Mark Brandenburg herausbildete, war seit Beendigung der Völkerwanderung Siedlungsgebiet der Elbslawen, die seit dem 8.-10. Jahrhundert Nachbarn des Frankenreiches wurden. Es waren heidnische Stämme, die eindeutig nicht zum polnischen Königreich östlich der Oder zählten. Vornehmlich unter den Sachsenkaisern wurden im 10. Jahrhundert im Ergebnis vergebliche Versuche unternommen, die Reichsgrenze östlich der Elbe auszudehnen. Es wurden sogenannte Marken gebildet; für die Missionierung war das Erzbistum Magdeburg von zentraler Bedeutung neben den Missionsbistümern Havelberg und Brandenburg. Die Erhebung der Slawen 983 bedeutete das Ende des fränkisch-deutschen Einflusses östlich der Elbe bis zum 12. Jahrhundert. Albrecht und seinen Nachfahren gelang es nach 1157 bis ins 13. Jahrhundert, ihren Herrschaftsbereich im gesamten Kerngebiet zwischen Elbe und Oder und über diese hinaus weit nach Osten auszudehnen (marchia transoderana=Neumark); das Gebiet war eine der Keimzellen des späteren preußischen Staates. Zahlreiche Städtegründungen zeugen von dieser Expansion – Berlin, Cölln, Landsberg an der Warthe, Königsberg in der Neumark u.v.a. Es war ein überwiegend friedlicher Prozess im Rahmen der deutschen Ostsiedlung. Menschen aus den Altsiedelländern zwischen Weser und Rhein, aus den sturmgefährdeten Küstenregionen der Nordsee. Holländer und Flamen vermischten sich mit den Slawen und schufen neue Siedlungen in Form von bis heute existierenden Anger- und Straßendörfern. Die Mär von einer Unterdrückung und Ausrottung der Slawen ist nicht haltbar. Vielmehr entstand aus dem Zusammenleben von Deutschen und Slawen der deutsche Neustamm der Brandenburger. Zahlreiche slawische Ortsnamen vor allem im Havelland zeugen von diesem Prozess. Nach dem Aussterben der Askanier zu Beginn des 14. Jahrhunderts beginnt für die Mark eine politisch unruhige Zeit besonders durch die Aktivitäten von Raubrittern; berühmt-berüchtigt wurde das Geschlecht der Quitzows. Ein Ende dieser Zeiten brachte die Ernennung des Nürnberger Burggrafen Friedrich VI. aus dem Hause Hohenzollern 1411 zum obersten Hauptmann und Verweser der Mark durch König Sigismund. Dies leitete die Herrschaft des Hauses Hohenzollern ein, das bis 1918 die Mark Brandenburg und später auch Preußen und das Deutsche Reich regieren sollte.

In den einzelnen Perioden der Geschichte der Mark kamen immer wieder Menschen anderer regionaler und nationaler Herkunft in das Land; im 17. und 18. Jahrhundert Hugenotten aus Frankreich – hier muss das Edikt von Potsdam 1685 genannt werden – und Weberfamilien aus Böhmen, Kolonisten aus anderen deutschen Landen in das urbar gemachte Oder- und Warthebruch. Schließlich blieben im 20. Jahrhundert Hunderttausende von deutschen Flüchtlingen und Vertriebenen aus den östlichen Reichsgebieten, oft aus den benachbarten ostbrandenburgischen Gebieten der Neumark und dem Sternberger Land, hängen. Anfang 1947 waren von ca. 2,5 Millionen Einwohnern Brandenburgs ca 701.000 Flüchtlinge und Vertriebene. Sie alle formten das heutige Bild des Märkers, den Ministerpräsident Platzek in seiner Festrede als bodenständig, fleißig und ein wenig wortkarg charakterisierte. Die Hymne des Landes „Märkische Heide, märkischer Sand, sind des Märkers Freude, sind sein Heimatland …“ besingt diesen Menschenschlag. Geschichte und Kultur Ostbrandenburgs sind untrennbare Bestandteile der gesamten Mark Brandenburg, leider aber bei vielen Menschen in Vergessenheit geraten. Es ist die zen­trale Aufgabe der Stiftung Haus Brandenburg in Fürstenwalde/Spree, dieses Erbe zu bewahren. Die Einrichtung ist das wichtigste Informations- und Dokumentationszentrum über Ostbrandenburg in Deutschland. Hier werden über 800 Jahre deutscher Geschichte und seit 1945 polnischer Gegenwart bewahrt und bearbeitet. Es besteht eine enge und konstruktive Zusammenarbeit mit den polnischen Nachbarn.

1920 wurde der Großraum Berlin als Hauptstadt Deutschlands aus der Provinz Brandenburg gelöst; heute sind Berlin als Stadtstaat und Brandenburg zwei Bundesländer, die in einem langen Prozess wieder fusionieren wollen.

Lit.: Georg Holmsten, Brandenburg, Die Geschichte der Mark, ihrer Städte und Regenten, Berlin 1973. – Lew Hohmann/Johannes Unger, Die Brandenburger, Chronik eines Landes, Berlin 1999. – Klaus Neitmann/Jürgen Theil (Hrsg), Die Herkunft der Brandenburger, Pots­dam 2003. – Christoph Kleßmann u.a. (Hrsg), Vertreibung, Neuanfang, Integration – Erfahrungen in Brandenburg, Potsdam 2001. – Winfried Schich/Jerzy Strzelczyk, Slawen und Deutsche an Havel und Spree – Zu den Anfängen der Mark Brandenburg, Hannover 1997. – Märkische Oderzeitung (MOZ) vom 12.6.2007 und 4.10.2007.

Bild: Siegel von Markgraf Albrecht der Bär.

Karlheinz Lau (OGT 2007, 321)