Die Anstellung einer Frau, Charlotte Melas, als Lehrerin an der evangelisch-sächsischen Schule des Marktfleckens Reps im Jahre 1857 blieb fast ein Jahrhundert ein Einzelfall. Schulmeister und Lehrer waren bloß Männer. Der Ausbildung der Mädchen wurde eine zweitrangige Bedeutung gewährt, obwohl auch für sie 1722 die allgemeine Schulpflicht empfohlen worden war. Trotzdem hieß es am Ende des 18. Jahrhunderts in einer Schulordnung die Mädchen betreffend „Rechnen und Schreiben geht das Geschlecht nichts an.“ Sie sollten also bloß lesen, Kirchenlieder und den Katechismus kennen lernen
Es waren hauptsächlich Frauenvereine, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für eine bessere allgemeine Ausbildung der Mädchen einsetzten und damit im Zusammenhang die Zulassung von Frauen zum Lehrerberuf forderten. Im Jahre 1872 wies der Kronstädter evangelische Frauenverein darauf hin, daß es notwendig sei, eine Anstalt zur Ausbildung von Lehrerinnen zu gründen. Der Vorstoß fand zunächst kein Echo. Erst 1883 griff der Kronstädter Stadtpfarrer Franz Obert den Gedanken auf und unterbreitete der evangelischen Landeskirchenversammlung als dem obersten Schulgremium der Siebenbürger Sachsen einen Vorschlag in diesem Sinne. Die sächsischen Schulbehörden mußten sich nun mit der Frage beschäftigen. Obwohl der Landeskirchenversammlung und dem evangelischen Landeskonsistorium die Elite der Sachsen angehörte, fand die Frage der Gleichstellung und Emanzipation der Frauen kein Verständnis. Die Frage der Anstellbarkeit von Frauen als Lehrerinnen wurde mit den verschiedensten, heute schwer verständlichen Begründungen abgelehnt und ein Beschluß aufgeschoben. Es bestehe für Lehrerinnen kein Bedürfnis, wurde „argumentiert“, Lehrerinnen seinen eine störende Konkurrenz für Männer, die Schule brauche eine „starke männliche Erziehung“, es seien wichtigere Angelegenheiten auf der Tagesordnung, als sich mit der Frage der „Ausbildung und Verwendung weiblicher Lehrkräfte in den Schulanstalten der Landeskirche zu beschäftigen“, die Frauenvereine hätten nicht überzeugend nachgewiesen, daß die Schulen weiblicher Lehrkräfte bedürften. Die Frauenvereine ließen aber nicht locker, so daß 1901 das Landeskonsistorium, nachdem sich inzwischen der Mangel an männlichen Lehrkräften eingestellt hatte, der Landeskirchenversammlung „die Einfügung von Lehrerinnen in den Organismus der Landeskirche“ empfahl. Die Vorlage wurde angenommen und die Eröffnung einer Lehrerinnenbildungsanstalt beschlossen. Als Standort wurde die Stadt Schäßburg gewählt, deren Presbyterium sich bereit erklärt hatte, zum Unterhalt des Seminars, wie die Anstalt allgemein genannt wurde, einen jährlichen Zuschuß beizusteuern. Als Schulgebäude wurde an der südwestlichen Ausfahrt der Stadt, am sogenannten Wiesenberg, eine Kaserne gekauft, in der sowohl die Unterrichtsräume, das Internat und die Direktorwohnung untergebracht wurden. Der Unterricht wurde im September 1904 aufgenommen. Die Anstalt war vierklassig und nahm Bewerberinnen auf, die das 14. Lebensjahr erfüllt und das 20. nicht überschritten hatten und die vierte Bürger- oder Mittelschulklasse abgeschlossen hatten. Später wurden aufgrund von Aufnahmeprüfungen auch Absolventinnen siebenklassiger Volksschulen aufgenommen, wenn sie die geforderten Kenntnisse unter Beweis stellten.
Neben dem seit 1894 bestehenden „Theologisch-pädagogischen Lehrerseminar“ von Hermannstadt gab es nun eine zweite siebenbürgisch-sächsische Anstalt, die Volksschullehrkräfte ausbildete. Die Lehrpläne der beiden Anstalten wurden einander angeglichen. Während aber die Jungen auch als Prediger ausgebildet wurden und auch zu kirchlichen Diensten herangezogen wurden, beschränkte sich der Dienst der Mädchen auf die Schule.
Das Mädchenseminar erfreute sich eines beachtlichen Zuspruchs. Das erste Unterrichtsjahr begann mit 26 Schülerinnen. Am Schluß des Schuljahres 1914 konnte der verdienstvolle Direktor Julius Jakobi, der seit der Gründung die Schule leitete, in seiner Gedenkrede zum zehnjährigen Bestehen feststellen, daß 123 Schülerinnen die Befähigung als Lehrerinnen erhalten hatten und größtenteils an evangelisch-deutschen Volksschulen unterrichteten.
Nach dem Ersten Weltkrieg mußte sich die Schule den neuen rumänischen Lehrplänen anpassen und alle Lehrkräfte, die sich im Schuldienst befanden, einer rumänischen Sprachprüfung unterziehen. In allen Schulen mußte die rumänische Staatssprache als Unterrichtsfach aufgenommen werden und war auch Prüfungsfach für den Erwerb der Lehrerfähigkeit. Der Lehrplan umfaßte allgemeinbildende und berufsspezifische pädagogisch-psychologische Lehrfächer sowie methodische und praktische Unterrichtsanleitungen. Dem Seminar war eine Übungsvolksschule angeschlossen, an der die angehenden Lehrerinnen beim Unterricht hospitierten bzw. selbst Probeunterricht erteilten. In den 1940er Jahren wurde eine dreiwöchige Landschulpraxis in den Gemeinden des Schäßburger Bezirks eingeführt.
Die Schülerzahl nahm nach dem Ersten Weltkrieg stetig zu, so daß das Schulgebäude erweitert werden mußte. Für das Schuljahr 1926/27 wurden in die erste Klasse 20 Schülerinnen aufgenommen, weitere 20 Anwärterinnen mußten abgewiesen werden. Das Seminar wurde nun auch von Mädchen aus dem Banat, der Bukowina und Bessarabien besucht und Absolventinnen der Anstalt fanden in den genannten Provinzen an deutschen Schulen Anstellung. Sie trugen bei zur Entstehung eines Zusammengehörigkeitsgefühls der getrennt von einander wohnenden Volksgruppen der rumäniendeutschen Minderheit. Die Lehrerinnen bewährten sich nicht nur, sondern nahmen allmählich die Stellen der männlichen Volksschullehrer ein, deren Zahl vor allem während des Zweiten Weltkriegs abnahm, als viele zum Militär einberufen wurden.
Seit 1924 bestand in Hermannstadt auch ein deutsches Mädchengymnasium, wodurch dem weiblichen Geschlecht auch der Weg zum Hochschulstudium erleichtert wurde. Mädchen fanden nun nach dem Hochschulstudium als Fachlehrer auch an Gymnasien Anstellung. Damit war der Durchbruch zur Gleichstellung der Frauen im Lehrerberuf gelungen.
Die Schülerinnen des Seminars schlossen sich zu „Schulgemeinden“ oder „Arbeitsgemeinschaften“ zusammen, die das außerunterrichtliche gesellschaftliche und kulturelle Leben organisierten. Am Ende des Schuljahres wurden Reisen veranstaltet, zum Teil auch solche, die nach Deutschland und Österreich führten.
Im Jahre 1942 wurde die Trägerschaft des gesamten deutschen Schulwesens Rumäniens von der „Deutschen Volksgruppe“ übernommen und damit nationalsozialistisch gleichgeschaltet. Glücklicherweise konnte die evangelische Kirche nach dem 23. August 1944, als Rumänien das Waffenbündnis mit Deutschland gekündigt und die Rumäniendeutschen als angebliche Hitlerkollaborateure verfolgt wurden, die Schulen wieder unter ihre Obhut nehmen und so einem möglichen Verbot zuvorkommen.
Das Schulgebäude des Mädchenseminars von Schäßburg war in den letzten Kriegsjahren zunächst von deutschen und dann von sowjetischen Truppen in ein Lazarett umgewandelt worden, so daß der Unterricht in andere Gebäude der Stadt verlegt werden mußte. Ein harter Schlag für die Schule erfolgte im Januar 1945. Schülerinnen, die das 18. Lebensjahr erfüllt hatten, wurden gemeinsam mit den arbeitsfähigen rumäniendeutschen Männern und Frauen zu Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert. Einige konnten nach ihrer Heimkehr ihr Studium beenden.
Das Seminar setzte auch unter den genannten schwierigen Bedingungen seine Tätigkeit fort. Im Zuge der sozialistischen Umgestaltung Rumäniens wurden 1948 die konfessionellen Schulen verstaatlicht und der Unterricht kommunistisch ausgerichtet. Dabei wurde die Hermannstädter Lehrerbildungsanstalt der Jungen aufgelöst und mit dem Schäßburger Mädchenseminar zur „Pädagogischen Mittelschule“ vereinigt und in die Bergschule von Schäßburg verlegt, deren jahrhundertealtes deutsches Gymnasium aufgelöst wurde.
In die vierjährige pädagogische Schule wurden in jeweils zwei Parallelklassen Jungen und Mädchen aufgenommen, wobei sich das Zahlenverhältnis Mädchen-Jungen etwa 5 : 1 zugunsten der Schülerinnen änderte. Das blieb bis heute so. Wenn am Anfang des 20. Jahrhunderts die Mädchen erst zum Schuldienst zugelassen wurden, stellten sie nun in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts den Großteil der Volksschullehrkräfte, „Lehrerin“ wurde gewissermaßen zum Inbegriff für Lehrer der Klassen 1 bis 4.
Die Pädagogische Schule von Schäßburg hat durch ihre Veranstaltungen – Theateraufführungen, Konzerte, Schülerblaskapelle, bunte Abende u. a. – eine bedeutende Rolle im Kulturleben der Stadt gespielt, während die von ihr ausgebildeten Lehrer und Lehrerinnen eine erfolgreiche Tätigkeit bei der Aufrechterhaltung deutscher Schulen und Kultur unter kommunistischer Herrschaft geleistet haben.
Die Schäßburger „Päda“ wurde 1956 aufgelöst und nach Hermannstadt verlegt, wo auch jetzt eine Anstalt zu Ausbildung von Lehrkräften und Kindergärtnerinnen besteht. Da aber die Zahl der Sachsen nach der Aussiedlung in die Bundesrepublik sehr geschrumpft ist, sind etwa 95 Prozent der Anstalt rumänische Schüler, die auf diesem Wege sich die deutsche Sprache aneignen wollen. Die ehemaligen deutschen Schulen der Rumäniendeutschen sind gegenwärtig hauptsächlich deutschsprachige Schulen für rumänische Kinder und Jugendliche, die deutsch lernen möchten.
Die in die Bundesrepublik Deutschland ausgesiedelten rumäniendeutschen Lehrer und ihre Schüler haben sich auch hier gut bewährt.
Lit.: Heinz Brandsch: Die siebenbürgisch-sächsische Lehrerbildung. Schäßburg o. J. – Heinz Brandsch, Heinz Heltmann, Walter Lingner (Hrsg.): Schäßburg. Bild einer siebenbürgischen Stadt. Verlag Rautenberg Leer 1998. – Michael Kroner: Kirche und Schule bei den Siebenbürger Sachsen. Nürnberg 1999. – Ortrun Scola, Annemarie Schiel: Siebenbürgisch-sächsische Frauengestalten. Ihr Leben und Wirken. München 1990. – Oskar Wittstock: Im Kampf um Brot und Geist. Darstellungen aus Leben und Entwicklung der deutschen Frau Siebenbürgens. Hermannstadt 1927.
Bild: Blick auf die Stadt Schässburg / Quelle: Dominik Tefert, Sighisoara Uhrturm, CC BY-SA 3.0 DE
Michael Kroner (OGT 2004, 367)