Ereignis vom 31. Mai 1993

Die Gründung der Diözese Pilsen

Die Bartholomäus-Kathedrale des Bistums Pilsen

Pilsen (Plzeń), das im Jahre 2015 neben Mons in Belgien eine der Kulturhauptstädte Europas war, wurde mit der Gründung der Diözese Pilsen im Jahre 1993 das fünfte Bistum Böhmens. Damit war eine über tausendjährige Entwicklung der Diözesanstruktur Böhmens abgeschlossen. In Tschechien kam für die Mährische Kirchenprovinz in Olmütz (Olomouc) für Nordmähren und Sudetenschlesien 1996 noch das Bistum Ostrau-Troppau (Ostrava-Opava) als Suffraganbistum von Olmütz dazu.

Als im Jahre 973 die Diözese Prag gegründet und ihr Gebiet mit Einwilligung des hl. Bischofs Wolfgang von Regensburg abgetrennt wurde, war Prag bis zur Erhebung zum Erzbistum im Jahre 1344 das einzige Landesbistum für das ganze Königreich Böhmen. Mit der Würde eines Erzbischofs erhielt im Jahre 1344 der Prager Oberhirte neben der mährischen Diözese Olmütz auch das kleine neugegründete ostböhmische Suffraganbistum Leitomischl (Lítomyšl), das Teile Ostböhmens und Westmährens umfasste. Als in den Wirren der Hussitenkriege die Diözese Leitomischl unterging, gehörte wieder ganz Böhmen zum Prager Erzbistum.

Noch vor der Wiederherstellung der Katholischen Kirche in Böhmen nach der Schlacht am Weißen Berg 1620 und der folgenden Rekatholisierung wurde im Jahre 1580 vom Päpstlichen Nuntius Sega eine Aufteilung der Riesendiözese Prag in verschiedene Bistümer gefordert, um eine effizientere Seelsorge zu gewährleisten. In der Korrespondenz des Kaiserlichen Ministers Klesl mit dem damaligen Prager Erzbischof Zbinko Perka tauchen bereits die Namen von vier neuen Bischofsstädten auf: Leitmeritz (Litoměříce), Budweis (České Budějovice), Pilsen und Königgrätz (Hradec Kralové). Zwar dachte auch Wallenstein daran, in seiner Residenzstadt Jitschin (Jičin) ein Bistum zu errichten, doch ist seit den Bemühungen von Erzbischof Harrach um die Rekatholisierung Böhmens nur von diesen vier Städten die Rede: „Episcopatus 4 erigendos esse in 4 urbibus Boemiae videlicet in Pilsen, Budweis, Leitmeritz, Königgrätz“ heißt es in einem Beschluss der römischen Propaganda-Kongregation vom 15. April 1630: Es seien vier Diözesen in vier Städten Böhmen nämlich in Pilsen, Budweis, Leitmeritz und Königgrätz zu errichten. Gegründet wurden dann aber im 17. Jahrhundert nur zwei neue Diözesen, und zwar Leitmeritz in Nordböhmen und Königgrätz in Ostböhmen. Erst im 18. Jahrhundert wurden diese beiden Diözesen unter Maria Theresia und Kaiser Josef II. auf ihre heutigen Grenzen erweitert. Damals sollten auch bereits zwei weitere Diözesen im Königreich Böhmen entstehen, doch kam es nur zur Gründung des südböhmischen Bistums Budweis im Jahre 1785; das vierte Bistum für Westböhmen in Eger (Cheb) ließ sich damals noch nicht verwirklichen. Pläne hierfür gab es auch im 19. Jahrhundert. Eine geringfügige Änderung der Diözesangrenzen Prags erfolgte nach dem Wiener Kongress und infolge des Konkordates mit Bayern, als das bis dahin noch zur Diözese Regensburg gehörige, weil von Kaiser Ludwig dem Bayern an Böhmen verpfändete Eger an die Erzdiözese Prag angeschlossen wurde.

Beim Priestertreffen des Jahres 1848 im Wendischen Seminar auf der Prager Kleinseite forderte der Bolzanist J. Nahlovsky „die Einteilung unseres Vaterlandes in kleinere Diözesen, die etwa die Ausdehnung eines Kreises haben, die jedoch mit möglichster Berücksichtigung der deutschen und tschechischen Ortschaften ausgesteckt werden müßten …“. 1849 griff auch die Wiener Regierung den Plan einer neuen Diözese mit dem geplanten Sitz in Pilsen auf, und als der junge Kaiser Franz Josef I. am 13. Dezember 1849 den Erzbischof von Salzburg, Kardinal Fürst Schwarzenberg, zum Erzbischof von Prag ernannte, fügte er der Ernennung hinzu: „… wobei es mein Wille ist, daß derselbe die Ausscheidung eines Teiles der Erzdiözese zur Errichtung eines fünften Bistums in Böhmen durchführe“. Über diese Pläne und Versuche ihrer Realisierung liegt die Studie von Augustinus K. Huber vor, der darin auch den erneuten Versuch von Bistumsgründungen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts untersucht.

Im Gegensatz zum 17. Jahrhundert, als die als Bischofssitze vorgesehenen Städte noch Einschränkungen ihrer politischen Freiheiten befürchteten und Einwände gegen die Notwendigkeit eines weiteren Bistums vorbrachten, bewarben sich im 19. Jahrhundert neben Pilsen auch Städte wie Klattau (Klatovy)  und Eger in Bittgesuchen an das Wiener Kultusministerium um den Bischofssitz, wobei im Falle der Stadt Eger auch nationale Argumente eine Rolle spielten. Die ihm vom Kaiser mit der Ernennung zum Prager Erzbischof gestellte Aufgabe einer Bistumsneugründung vergaß Kardinal Schwarzenberg nach seinem Amtsantritt in Prag nicht. Da die Dotierung der neu zu schaffenden Diözese eine Hauptschwierigkeit war, wollte er 1868 das deutsche Prämonstratenser-Stift Tepl (Teplá) bei Marienbad (Marianské Lazně) zu einem Bischofssitz machen, aber gleichzeitig auch das tschechische Kloster Seelau (Želiv) des gleichen Ordens in Ostböhmen, so dass Böhmen sechs Diözesen gezählt hätte. Dieser Plan scheiterte aber am Einspruch des Tepler Abtes, der auch Rechtsgutachten angefordert hatte.

Die in Böhmen gegen Ende des Jahrhunderts sich zuspitzenden nationalen Gegensätze zwischen Deutschen und Tschechen warfen auch die Frage nach nationalen Bistümern auf. Solange diese nicht existierten, sollten zwei „nationale“ Weihbischöfe in Prag beiden Völkern gerecht werden.

Der Erste Weltkrieg und die Entstehung der Ersten Tschechoslowakischen Republik jedoch änderten die Ausgangslage jeder Diskussion um nationale Bistümer in Böhmen. Deutsche Bischöfe mussten auf Druck der Prager Regierung in Prag und Olmütz im Jahre 1919 resignieren und die Deutschen in der Tschechoslowakei mussten bangen, ob nach dem Tode von Bischof Dr. Groß in Leitmeritz im Jahre 1931 die Prager Regierung bei der Wiederbesetzung des Bischofsstuhles der deutschen Mehrheit der Diözese überhaupt mit einem deutschen Bischof Rechnung tragen würde. Dies geschah dann doch in der Person von Bischof Alois Anton Weber. Der Gedanke neuer Bistümer nach nationalen Gesichtspunkten wurde aber nach dem Münchner Abkommen und der 1938 erfolgten Abtretung des Sudetenlandes an das Deutsche Reich in einer Schrift Kirche im Sudetenland im Jahre 1939 erneut aufgegriffen. Diese Schrift erschien anonym, doch ist ihr Verfasser ebenso bekannt wie der Autor einer 1902 erschienenen anonymen Broschüre: Zur Frage der deutschen Bistümer. War es 1902 der Moraltheologe der Katholischen Fakultät der Prager deutschen Universität, Dr. Karl Hilgenreiner, gewesen, so war nun der Kirchenrechtler DDr. Adolf Kindermann der Verfasser. Für die sudetendeutschen Gebiete Böhmens, die durch das Münchner Abkommen an das Deutsche Reich gekommen waren, schlug er neue Bischofssitze in Braunau (Broumov) oder Trautenau (Trutnov), Reichenberg (Liberec), Eger und Krumau (Český Krumlov) vor. Der nun im Deutschen Reich liegende Bischofssitz Leitmeritz sollte Metropolitan-Sitz einer eigenen sudetendeutschen Kirchenprovinz werden.

Die Nationalsozialisten waren aber an einer Vermehrung kirchliche Institutionen nicht interessiert. So konnte die katholische Kirche nur versuchen, durch eigene Generalvikariate in Schlackenwerth (für die nun im Deutschen Reich liegenden Gebiete der Erzdiözese Prag) und Trautenau (für die deutschen Gebiet der Diözese Königgrätz) und die Unterstellung der sudetendeutschen Gebiete des Bistums Budweis unter die Nachbardiözesen Regensburg, Passau, Linz und St. Pölten den Erfordernissen der Seelsorge Rechung zu tragen. Die Vertreibung praktisch aller deutschen Katholiken Böhmens nach dem Zweiten Weltkrieg und der seit 1949 einsetzende kommunistische Kirchenkampf veränderten die Lage in Böhmen völlig. Da über 90% der mehr als drei Millionen Sudetendeutschen der Katholischen Kirche angehörten und der Prozentsatz der Deutschen an der Katholikenzahl in allen Diözesen wesentlich höher lag als der Anteil an der Gesamtbevölkerung, wurden nun die Grenzgebiete nach der Vertreibung der Sudetendeutschen pastorale Ruinenfelder.

Nachdem einige Diözesen Böhmens seit 1950 Jahrzehnte ohne Bischof waren, zeigte sich nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft 1989 in der Tschechoslowakei die pastorale Notwendigkeit einer eigenen Diözese in Westböhmen ebenso wie in Nordmähren-Schlesien.

Außer ungefähr 240 Pfarreien im Westen der Prager Erzdiözese sollte die neue Diözese in Böhmen etwa 90 weitere Pfarreien des Bistums Budweis erhalten, die wirtschaftlich, kulturell und politisch mehr auf Westböhmen denn auf Budweis ausgerichtet waren. Dazu sollten 11 Pfarreien von Leitmeritz kommen. Sitz der neuen Diözese sollte Pilsen sein. Auf dem Gebiet dieser zukünftigen Diözese wirkten noch etwa 100 Priester. Nach langer Vorarbeiten war es 1993 soweit: Am 31. Mai 1993 wurde die Diözese Pilsen errichtet.

Nach der Gründungsurkunde erhielt das neue Bistum von der Erzdiözese Prag die Dekanate Pilsen, Pilsen-Nord, Rokitzan (Rokicany), Rakonitz (Rakonice), Tachau (Tachov), Eger, Falkenau (Sokolov) und Karlsbad (Karlovy Vary). Aus dem Gefüge des Bistums Budweis kamen zu Pilsen die Dekanate Taus (Domažlice), Klattau und ein Teil von Nepomuk. Leitmeritz trat die Dekanate Saaz (Žatec) und Komotau (Chomutov) ab.

Erster Bischof der neuen Diözese wurde František Radkovský, der am 3. Oktober 1939 in Triesch in der Diözese Brünn geboren wurde. Am 27. Juni 1970 erhielt er nach dem Studium in Leitmeritz die Priesterweihe und am 7. April 1990 als Weihbischof von Prag und Titularbischof von Aggar die Bischofsweihe. Zum Bischof von Pilsen wurde er am 31. Mai 1993 ernannt. Sein Nachfolger ist seit 2016 Tomáš Holub.

Der Anteil der Katholiken an der Gesamtbevölkerung lag bei der Gründung in einzelnen Dekanaten unter dem Landesdurchschnitt von 31,3% für Böhmen, den die erste Volkszählung nach der Wende ergab. Über dem Landesdurchschnitt lag er klar in den Dekanaten Taus und Klattau, die zur Diözese Budweis gehörten und wo nur relativ wenige Gemeinden mit ehemals deutscher Bevölkerung liegen. In den übrigen Dekanaten ist der niedrige Prozentsatz der Katholiken auf zwei Gründe zurückzuführen: In Rokitzan und Pilsen hatte es bereits 1920 eine große Bewegung weg von der Katholischen Kirche hin zur Tschechoslowakischen Nationalkirche gegeben. In den Dekanaten Falkenau, Tachau, Karlsbad und Eger verschwand mit der Vertreibung der sudetendeutschen Bevölkerung praktisch die ganze ehemalige katholische Einwohnerschaft. Die Sudetendeutschen waren zu über 90% katholisch gewesen. Da unter den Neuansiedlern auch viele Angehörige der Tschechoslowakischen und Orthodoxen Kirche waren, änderte sich nicht nur das nationale, sondern auch das konfessionelle Bild der sogenannten Grenzgebiete.

Wie sehr der Anteil der Nichtkatholiken an der Gesamtbevölkerung bereits im Jahre 1948 gestiegen war, zeigen die Angaben des Prager Schematismus von 1948. Unter den tschechischen Neusiedlern nach dem Zweiten Weltkrieg waren auch repatriierte Tschechen aus Rumänien. Von der ehemals sudetendeutschen Bevölkerung sind nur wenige geblieben. Deutsche Gottesdienste gibt es noch in Orten wie Weipert (Vejprty), Maria Kulm (Chlum Svaté Maří) und Falkenau.

Kathedralkirche der Diözese ist die gotische Bartholomäuskirche in Pilsen im Herzen der Stadt, Schutzpatron des Bistums ist der selige Hroznata, der Gründer des Stiftes Tepl, der 1217 in Altkinsberg (Starý Hroznatov) bei Eger im Kerker starb und 1898 seliggesprochen wurde. Das Prämonstratenserstift Tepl war bei der Gründung des Bistums auch das einzige Kloster der Diözese, unter deren 90 Priestern damals 20 Ordenspriester waren, davon die Hälfte Prämonstratenser. Die übrigen Ordensleute verteilten sich auf Salesianer, Dominikaner, Augustiner, Redemptoristen, Jesuiten, Franziskaner und Petriner, die alle in der Seelsorge tätig sind und über keine Konvente in der Diözese verfügen. Bischof Radkovský gelang aber die Errichtung eines Klosters der Trappisten in Nový Dvůr (Neuhof).

Am 11. Juli 2002 wurde dort unweit von Tepl mit einer feierlichen Vesper das Gelände dieser neuen Trappistenabtei der Öffentlichkeit vorgestellt.

An Schwesterngemeinschaften sind im Bistum Pilsen die Armen Schulschwestern vertreten, die Notre-Dame-Schwestern und die Schwestern von der Tröstung, eine rein tschechische Kongregation. Katholische Schulen sind in Form eines Gymnasiums in Pilsen und einer Familien-Schule in Brenn-Poritschen entstanden.

Größter Wallfahrtsort ist Maria Kulm im Egerland, doch nehmen auch die Wallfahrten wie nach St. Anna in Plan (Planá)  und nach Maria Stock (Skoky) zu, vor allem auch von Seiten der vertriebenen Sudetendeutschen.

Quellen und Lit.: Rudolf Grulich, Das Bistum Pilsen. Zur Gründung der jüngsten Diözese in Böhmen, in: AKBMS 13 (1996), S. 123-148.

Bild: Die Bartholomäus-Kathedrale des Bistums Pilsen / Quelle: Von Tmv23 – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16392058

Rudolf Grulich