Am 6. Oktober 1904 wurde die Technische Hochschule Danzig im Beisein und unter der Mitwirkung Kaiser Wilhelm II. feierlich eröffnet. In der kurzen Zeit ihres 40-jährigen Wirkens war sie von überragender Bedeutung für die Stadt Danzig, für die damalige Provinz Westpreußen und die anderen umliegenden ostdeutschen Provinzen, war sie doch zwischen Berlin, Breslau, Königsberg und Dorpat die einzige hohe Schule im Osten.
Dabei war ihre Gründung durchaus nicht unumstritten, da die Universität Königsberg gegen die Neugründung einer Universität in unmittelbarer Nähe eintrat, und die Mitbewerber um die Neugründung einer Technischen Hochschule zahlreich waren, da die technischen Wissenschaften und die aufstrebende Industrie weitere Bildungsstätten unbedingt benötigten. Zu einem weiteren Argument für die Neugründung einer Hohen Schule entwickelte sich immer mehr eine nationale und kulturpolitische Komponente, nämlich Forderungen zur Stärkung der deutschen Ostprovinzen im damals sogenannten Volkstumskampf.
Als sich im Oktober 1896 der Königsberger Professor für Geologie Karl Alfred Jentzsch in einem Artikel „Die westpreußische Hochschule der Zukunft“ in der „Danziger Zeitung“ wohlbegründet und mit Nachdruck für Danzig als Standort einer neu zu gründenden Technischen Hochschule aussprach, schwenkten auch der Oberpräsident von Goßler, der liberale Abgeordnete Heinrich Rickert, gleichzeitig Inhaber der „Danziger Zeitung“, und der Danziger Oberbürgermeister Delbrück und die Naturforschende Gesellschaft in Danzig auf diese Argumentationslinie für eine Technische Hochschule ein. Tatsächlich fiel dann nach persönlichem Einsatz von Kaiser Wilhelm II. im Frühjahr 1898 in Berlin die Entscheidung für eine – genau wie erstmals in Aachen 1875 – von Anfang an mit allen Abteilungen voll ausgebaute Technische Hochschule in Danzig.
Schon am 2. März 1899 legten der Kultus- und der Finanzminister dem preußischen Abgeordnetenhaus eine „Denkschrift betreffend die Begründung einer Technischen Hochschule in Danzig“ vor, in der zunächst die Argumente für die Notwendigkeit der Errichtung einer neuen Technischen Hochschule, insbesondere wegen des Mangels weiterer Studien- und Laborplätze, dargelegt, dann aber die Vorteile Danzigs herausgestellt werden. Es ist aus heutiger Sicht interessant, vor allem für Danziger, einige dieser Vorteile aufzuzählen: zu ihnen gehören die vorhandenen großen Kapazitäten im Schiffbau ebenso wie die Bauten der Stadt selbst als Architekturdenkmal und schließlich das Angebot der Stadt, ein Grundstück von fast 64.000 qm unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
Zum besseren Verständnis sollte vielleicht in Erinnerung gerufen werden, daß Danzig um 1900 schon etwa 130.000 Einwohner besaß, dazu umfangreiche Hafen- und Strombauten an Weichsel und Mottlau und für den Großschiffbau geeignete Werften. Die Kaiserliche Werft war um 1890 gerade vergrößert worden, und die Schichau -Werft beschäftigte rund 10.000 Arbeiter im Schiffbau für die Kriegsmarine, die Handels- und die Passagierschiffahrt; sie wurde bekannt durch die Entwicklung moderner Torpedoboote und lieferte die schnellsten Kreuzer der Welt an zahlreiche Seemächte.
Die Denkschrift formulierte aber auch die Erwartung, daß eine Technische Hochschule in Danzig die Wirtschaft der gesamten Region entscheidend fördern könne (nur 15% der Beschäftigten in der Provinz Westpreußen waren um das Jahr 1900 in Industrie und Gewerbe tätig, 7% in Handel und Verkehr, der restliche Teil fast ausschließlich in der Landwirtschaft). Weiterhin enthielt die Denkschrift finanzielle, bautechnische und organisatorische Planungen für die Gebäude und die Gartenanlagen, sowie auf Wunsch des Kaisers selbst Ausführungen darüber, daß der Bau zwar praktisch und sparsam, aber doch in Anlehnung an die Danziger Renaissance-Bauten, insbesondere an die Zeughausfassade, in Ziegelbauweise mit Haustein-Verzierungen und Giebeldächern auszuführen sei.
Bereits ein Jahr früher – 1898 – war ein Organisationsplan erstellt worden, der für die Hochschule sechs Fach-Abteilungen vorsah:
- Architektur
- Bauingenieurwesen
- Maschinenbau und Elektrotechnik
- Schiff- und Schiffsmaschinenbau
- Chemie
- Allgemeine Wissenschaften.
Die eingeworbenen finanziellen Mittel und der Gründungsplan wurden bereits am 16. März 1899 durch das Abgeordnetenhaus bewilligt, so daß im August des Jahres 1900 in Danzig mit dem Bau begonnen werden konnte. Nach relativ kurzer Planungs- und Bauzeit wurde die Technische Hochschule Danzig am 6. Oktober 1904 feierlich eröffnet. Kaiser Wilhelm II. betonte dabei in seiner Festrede erneut die besondere staatspolitische und kulturpolitische Aufgabe der Hochschule und charakterisierte ihre künftige Bedeutung mit den oft zitierten Worten als „Schutz- und Trutzburg deutscher Kultur im Osten auf der Wacht an der Weichsel“.
In dem Straßendreieck zwischen Großer Allee, St. Michaelis-Weg und Heiligenbrunner Weg in Langfuhr entstanden im Laufe von etwa vier Jahren die Gebäude der Technischen Hochschule für einen Finanzaufwand von insgesamt 4 Millionen Mark. Die Endbearbeitung der Baupläne und die Bauleitung erhielt der Landbauinspektor Albert Carsten aus Berlin, der 1904 dann auch den Lehrstuhl für Architektur übernahm.
Im wesentlichen entstanden zunächst vier Gebäudekomplexe:
- Das Haupthaus mit dem später erweiterten Physikalischen Institut. Seine 109 m lange Fassade war mit dem Hauptportal zur Goßler-Allee hinausgerichtet. Es umfaßte auf drei Stockwerken über dem Erdgeschoß eine Ehrenhalle und zwei Lichthöfe, die Räume für das Lektorat, Hör- und Zeichensäle auf einer Fläche von 5.400 qm.
- Das Chemische Institut.
- Das Elektrotechnische Institut.
- Das Maschinenlaboratorium mit dem Heizkraftwerk.
Später entstanden erhebliche Erweiterungen, so z. B.:
- Das Festigkeitslabor mit Materialprüfungsanstalt am St. Michaelis-Weg im Jahre 1909.
- Die Versuchsanstalt für Wasserbau mit einem Strömungslabor 1912.
- Ein Sportplatz in Gemeinschaftsarbeit aller deutschen Studenten.
- Im Jahre 1928 ein Studentenhaus für alle deutschen Studenten.
Schon im Wintersemester 1904 / 1905 nahm die Technische Hochschule Danzig mit 246 Studenten und sehr modernen Labor- und Forschungseinrichtungen ihren Lehrbetrieb auf, im darauffolgenden Sommersemester betreute sie bereits 540 Studenten. Sie war für etwa 600 Studenten geplant, und die gute Entwicklung der Hochschule läßt sich auch daran ablesen, daß es 1914 schon rund 700 (etwa die Hälfte aus den deutschen Ostprovinzen), im Wintersemester 1928 / 1929 bereits 1650 Studenten nach Danzig zog, darunter immer auch ausländische, insbesondere polnische Studenten. Als Gründungsrektor konnte der Mathematiker und Geheime Regierungsrat Prof. Dr. Hans von Mangoldt aus Aachen gewonnen werden (er schrieb in Danzig-Langfuhr ein dreibändiges Mathematikwerk, das in zahlreichen Auflagen erschien, nach seinem Tode weitergeführt wurde und den Verfasser noch 50 Jahre später in Hamburg durch sein Mathematikstudium begleitete). Dem Rektor standen etwa 60 Lehrpersonen zur Seite, darunter 28 ordentliche, also etatmäßige Professoren. Durch kaiserlichen Erlaß standen der jungen Hochschule von Anfang an alle akademischen Rechte zu.
Als Besonderheiten verdienen erwähnt zu werden, daß die Lehrgebiete Wasser- und Strombau mit den Richtungen Fluß- und Kanalbau, landwirtschaftlicher Wasserbau mit der neuen Richtung Seehafenbau vertreten waren. Im Jahre 1907 wurde der erste Lehrstuhl für Geschichte an einer deutschen Technischen Hochschule innerhalb der Abteilung für Allgemeine Wissenschaften eingerichtet, 1909 der erste deutsche Lehrstuhl für Schiffsturbinenbau.
Bis zum Jahre 1914 waren 690 Diplomprüfungen abgenommen und 60 Doktordiplome vergeben worden. Natürlich erfuhr die auch durch diese Zahlen zu belegende positive Entwicklung im Ersten Weltkrieg einen erheblichen Rückgang. Ein Teil der Räume diente als Behelfslazarett, Studenten und Dozenten wurden zum Heeresdienst eingezogen.
Die Zeit nach Beendigung der Kampfhandlungen des Ersten Weltkrieges war für Danzig und seine Technische Hochschule außerordentlich schwer. Mit einem Zuschuß aus der Industrie von 2 Mio. Mark konnte der Lehrbetrieb zunächst für zwei Jahre aufrecht erhalten werden. Doch zeigten die Verhandlungen in Versailles immer deutlicher, daß Danzig gegen den Willen seiner Bevölkerung vom Deutschen Reich abgetrennt werden sollte. Nachdem Danzig schließlich zu einem eigenen Staat – Freie Stadt Danzig – bestimmt worden war, übernahmen die alliierten Mächte allen Reichsbesitz in Danzig, der dann durch eine internationale Verteilungskommission zwischen Polen und Danzig aufgeteilt werden sollte. Diese Kommission entschied endlich am 28. Juli 1921, daß die Technische Hochschule an Danzig fallen sollte, nachdem in einem Vertrag zwischen Polen und Danzig die Rechte der polnischen Studenten (z.B. ein Lektorat für polnische Sprache und Literatur) festgelegt worden waren. Und nun geschah wohl ein kleines Wunder: alle Professoren und Beamten blieben in Danzig. Diese Entscheidung einzelner Menschen war charakteristisch für die stets außerordentlich guten und engen Beziehungen zwischen den Danzigern und ihrer Hochschule einerseits, aber auch für die zwischen den Hochschullehrern und ihren Studenten andererseits.
Bereits im Jahre 1920 erfolgte in Halle die Gründung des Verbandes deutscher Hochschulen. Danzig gehörte von Anfang an dazu, und die Technische Hochschule war ebenfalls Mitglied der jährlich stattfindenden deutschen und preußischen Rektorenkonferenzen. Überhaupt erfolgte die Unterstützung aus dem Reich auf unterschiedlichen Gebieten, z.B. auch dadurch, daß an den Hochschulen im Reichsgebiet regelrecht für ein zumindest einsemestriges Studium in Danzig aus nationalen Gründen geworben wurde. Solche Aufrufe wurden befolgt, und oft zog die schöne Stadt Danzig diese Studenten derart in ihren Bann, daß aus einem Semester die gesamte Studiendauer, die Eheschließung mit einer der Töchter Danzigs und noch viele Jahre beruflicher Tätigkeit wurden.
Durch einen Erlaß des Senats der Freien Stadt Danzig erfolgte 1922 eine organisatorische Umstrukturierung: aus den sechs Fachabteilungen wurden drei Fakultäten
– die Fakultät für Allgemeine Wissenschaften,
– die Fakultät für Bauwesen und
– die Fakultät für Maschinenwesen.
1923 übergab die im Jahre 1743 gegründete Naturforschende Gesellschaft in Danzig einen Teil ihrer wertvollsten und ältesten Bibliotheksbestände (ca. 30.000 Bände) an die Technische Hochschule. Dieser wahre Selbstlosigkeit und echten Gemeinsinn zeigende Akt war in einer Art Leihvertrag mit der Freien Stadt Danzig geregelt worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren 853 Bände aus diesem Bestand – durch rechtzeitige Auslagerung gerettet – ebenfalls vertraglich geregelt der Staatsbibliothek Bremen zur Verwahrung übergeben worden. Diese hat die Bücher im Jahre 2000 trotz Einspruchs der neu gegründeten Danziger Naturforschenden Gesellschaft nach Danzig gegeben.
Weitere Entwicklungslinien der Technischen Hochschule:
Im Oktober 1925 wurde ein landwirtschaftliches Institut und ein Versuchsgut von 86 ha Größe in Praust eingerichtet, 1927 entstand der Lehrstuhl für Flugtechnik mit einem kleinen Institut, 1928 erfolgte die Eröffnung des Romanischen und des Englischen Seminars, 1929 konnte der Erweiterungsbau des Physikalischen Instituts und des mit ihm verbundenen Auditoriums Maximum eingeweiht werden, 1933 erhielt die Hochschule das Recht, die Promotion zum Dr. phil. und die Staatsprüfung für das Höhere Lehramt vorzunehmen, 1937 wurde das Institut für Werkstoffkunde und Festigkeitsforschung eingerichtet und 1938 das Institut für Verfahrenstechnik und Wärmewirtschaft.
Trotz mancher zeitbedingter nationaler Gegensätze zwischen Deutschen und Polen urteilte Prof. Dr. Erich Keyser (1964) über diese Zeit an der Technischen Hochschule Danzig: „Die Hochschule bot zum ersten Male ein Beispiel dafür, daß es möglich ist, Studierende verschiedener Staatsangehörigkeit und verschiedenen Volkstums im europäischen Sinne zu gemeinsamer fachlicher Arbeit zu vereinigen.“
Am 29. April 1941 erfolgte dann die feierliche Übernahme der Technischen Hochschule Danzig in die Verwaltung des Deutschen Reiches.
Das Studentenleben in Danzig charakterisiert der Satz: „Die „Deutsche Studentenschaft Danzig“ ist und bleibt eine Gemeinschaft über alle Korporationen hinaus, die sich eng verbunden fühlt“ (Dipl. Ing. Hans Speerschneider). Zu diesem Studentenleben gehören die Einrichtung einer Studentenkompanie unter Führung des Hauptmanns der Reserve Prof. Dr. Ing. Otto Lienau in den Jahren 1919/ 1920 in den Kasernen und Kasematten auf dem Hagelsberg ebenso, wie der spätere Umbau dieser Räumlichkeiten zu Studentenwohnheimen und Korporationsräumen. Dabei ist anzumerken, daß die Korporationen im Danziger Studentenleben der damaligen Zeit eine fast einmalige Rolle spielten, es gab hier sogar ausländische, farbentragende – darunter auch sieben polnische – Verbindungen. Ein von den deutschen Korporationen durchgeführtes Hochschulfest zu wohltätigen Zwecken in allen Räumen der Hochschule erbrachte von 10.000 zahlenden Danziger Gästen einen Reingewinn von 100.000 Danziger Gulden. Dieser Erlös machte es möglich, solche Studenten in Danzig zu unterstützen, die nach der Einführung der selbständigen Danziger Gulden-Währung ohne jede finanzielle Hilfe durch ihre Eltern im Reich blieben, bis der Geldtransfer aus dem Reich in der neuen Rentenmark nach Danzig wieder geregelt war.
Die Hochschulwirtschaftsgenossenschaft richtete in zwei Baracken auf dem Hochschulgelände eine erste „Mensa“ ein, in der ein Barkassenkessel und die Dampfkombüse eines ausgedienten Kreuzers verwendet wurden. Unter ihrer Leitung stand ebenfalls das Studentenhaus am Sportplatz (das fünfte in Deutschland), das im Sommer 1928 nach dem Plan und unter der Aufsicht des beliebten Prof. Dr. Ing. Hermann Phleps aus Siebenbürgen fertiggestellt worden war. Es besaß einen Wappensaal, in dem u.a. die Wappen der im Ersten Weltkrieg verlorenen Gebiete gezeigt wurden, und Paukböden für die schlagenden Studentenverbindungen im Dachgeschoß.
Erwähnt werden soll hier auch der aus internationalen politischen Zusammenhängen resultierende Streik der Danziger Hafenarbeiter im Oktober 1931. Um der Danziger Wirtschaft aus einer Zwangslage zu helfen, erklärten sich die Studenten bereit, bei der für Studenten nicht eben einfachen Entladung von Stückgut-, Kohle- und Erzfrachtern zu helfen.
Zu den angenehmeren Seiten des Studentenlebens gehörte der geheimnisvolle „Orden der Heiligen Frau Latte“, eine Vereinigung der Schiffbauer, mit seinen Regeln und Ämtern und die oft wiederholten Wanderungen an den ausgedehnten Stränden der Danziger Bucht oder in den Wäldern um Oliva, Ausflugsfahrten auf der Mottlau, der Weichsel oder auf der Danziger Bucht bis zur Halbinsel Hela und zahlreiche Feste im Laufe des Jahres. In Danzig entstandene Gedichte und Studentenlieder, wie z. B. das weit bekannt gewordene „Student sein, wenn die Veilchen blühen…“, von Josef Buchhorn 1906 geschaffen, oder „Danzig teure alma mater…“ belegen ganz eindeutig, wie gerne in Danzig studiert wurde. Es ist immer wieder überraschend und kaum zu glauben, wenn man hört oder liest, wie außerordentlich eng die Bindungen der ehemaligen Studenten an Danzig und seine Hochschule waren und auch nach dem Kriege geblieben sind.
Zahlreiche Hochschullehrer wurden durch ihr langjähriges Wirken in Danzig besonders bekannt:
Willi Drost (1892-1964) aus Danzig als Kunsthistoriker und Museumsdirektor,
Erich Keyser (1893-1968) aus Danzig als Historiker und Museumsleiter,
Otto Kloeppel (1873-1942) aus Köln als Architekt (Kasinohotel in Zoppot ),
Paul Kumm (1866-1927) aus Danzig als Botaniker und Museumsdirektor,
Fritz Pfuhle (1878-1969) aus Berlin als Künstler und
Walther Recke (1887-1962) aus Essen als Historiker und Staatsarchivdirektor.
Weit über Danzig hinaus angesehen waren:
Heinz Kindermann aus Wien, der von 1927 bis 1937 o. Prof. für Deutsche Sprache und Literatur in Danzig war und hier sein Buch über „Danziger Barockdichtung“ schrieb,
Wolfgang La Baume, der seit 1910 als Archäologe in Danzig arbeitete,
Theodor Oberländer, der spätere Bundesvertriebenenminister, der 1934 und 1935 als a.o. Professor für Agrarpolitik in Danzig wirkte,
Max Wien aus Königsberg, der von 1904 bis 1911 o. Prof. für Physik war, und die bekannten Physiker Carl Ramsauer und Eberhard Buchwald,
die gebürtigen Hamburger Johannes Hansen und Wilhelm Gütschow, die beide schon in Danzig studiert hatten, wirkten in Danzig als Schiffbauer,
Ernst Brüche als Physiker,
der Geograph Nikolaus Creutzburg aus der Provinz Posen, der 1936 den „Atlas der Freien Stadt Danzig“ herausgab und
Albert von Brunn, der als Astronom Direktor der Sternwarte der Naturforschenden Gesellschaft und Vorsteher des Astronomisch-meteorologisch-nautischen Observatoriums der Stadt Danzig war,
vor allem aber Adolf Butenandt, geb. 1903 in Bremerhaven, der von 1933 bis 1936 o. Prof. für organische Chemie in Danzig war und kurze Zeit später den Nobelpreis für Chemie des Jahres 1939 erhielt, also für Arbeiten, die in wesentlichen Teilen in Danzig entstanden waren. Diese und zahlreiche andere Hochschullehrer trugen dazu bei, das wissenschaftliche Ansehen der jungen Danziger Hochschule weit über Danzig hinaus bekannt zu machen.
Das Ende der Technischen Hochschule Danzig beschreibt Egon Martyrer, der letzte Rektor der Technischen Hochschule und von 1938 bis 1945 o. Prof. für Maschinenelemente und hydraulische Strömungsmaschinen im Jahre 1953: „Mit der Erkenntnis des Ernstes der Lage setzten auch die notwendigen Maßnahmen der Hochschule für eine Verlagerung ein. Der Lehrbetrieb wurde unterbrochen. In den einzelnen Instituten wurden die wichtigsten Forschungseinrichtungen in Kisten verpackt. Im Rektorat wurden sämtliche Akten, vor allem die gesamten studentischen Akten, die Immatrikulationslisten und die Prüfungsbücher eingepackt und zur Verlagerung vorbereitet, so daß es später möglich sein mußte, jede Angabe über das Studium eines Studenten seit Gründung der Hochschule rekonstruieren zu können. Die Beschaffung des nötigen Kistenmaterials war eine besonders schwierige Aufgabe, aber immerhin gelang es, binnen zwei Tagen 500 Kisten in dem Bauch des Schnelldampfers „Deutschland“ zu verstauen.“
Am 26. März kam dann das Ende für die Technische Hochschule und für Danzig:
„Unheimlich viele Gerüchte laufen um, ein klares Bild hat keiner mehr. Verlassen kann man sich nur noch auf das, was die eigenen Sinne wahrnehmen. Das ist am 24. 3. der Luftgroßangriff auf Danzig, das ist das Gewehrfeuer von der Frontlinie, die sich schon am Straßenbahndepot Langfuhr und am Flugplatz entlangzieht. Das ist mein letzter Gang, oder besser gesagt Lauf, durch Langfuhr in der Nacht vom 25. zum 26. 3. 1945. Bombentrichter auf Bombentrichter in der Hauptstraße, die Straßenbahndrähte und aufgerissenen Straßenbahnschienen versperren den Weg, an vielen Stellen brennt es.
Das ist das Ende, die nächste Nacht dürfte die Hochschule kaum noch deutsch sein und ein weiteres Verbleiben wäre sinnlos. Was wir haben tun können in den letzten Tagen, hatten wir getan, jetzt ist unsere Betätigungsmöglichkeit zu Ende. Eine kurze Beratung, ein Fortkommen in größeren Gruppen erscheint aussichtslos, hier kann nur jeder für sich versuchen, aus diesem Chaos herauszukommen. Ein letzter Händedruck an die in der Nacht anwesenden Männer, mit denen uns die Ereignisse der letzten Tage zusammengeführt hatten, und am 26.3., morgens gegen 3 Uhr, verlassen wir die Hochschule in Richtung Neufahrwasser, da ein Weg durch die brennende Stadt Danzig unmöglich erschein … Mit Einbruch der Dunkelheit legten wir (mit einem Fischdampfer von Plehnendorf) ab und nahmen Kurs auf Hela. Es war der ergreifendste Augenblick in meinem Leben. In lodernden Flammen stand die ganze Stadt Danzig und in der Mitte als Wahrzeichen, unberührt, die Marienkirche. Eine dunkle Rauchwolke stand über der Stadt und hüllte allmählich das grausige Bild in einen dichter und dichter werdenden Schleier, der durch die zuckenden Flammen gespenstisch angeleuchtet wurde. Immer mehr wurde es nur ein roter Schein, der versank und mit ihm versank unser schönes deutsches Danzig, mit ihm versank unsere Stadt, die uns unvergessene Heimat gewesen ist.“
So schrieb ein Mann, der nicht in Danzig, nicht einmal in Ostdeutschland geboren wurde!
Das Hauptgebäude der Hochschule ist in den letzten Märztagen noch Notkrankenhaus für verwundete Soldaten und in den letzten Stunden des Krieges noch stark zerstört worden – mit grausamen Auswirkungen für die Verletzten. Die Polen haben den Gebäudekomplex wieder aufgebaut, in ihm eine Universität eingerichtet und diese auch in die Danziger Vororte ausgeweitet. Prof. Dr. Erich Keyser schrieb dazu 1964: „Manche Lehrende sind einst unsere Schüler gewesen. Manche Einrichtung ist noch erhalten, und einige von uns sind an früherer Stätte mit Anstand begrüßt worden; aber der Abstand ist nicht zu überwinden …“
In der Bundesrepublik Deutschland sammelten sich die Studenten und die Dozenten und Professoren der Hochschule nach und nach und zunächst unter großen Schwierigkeiten. Sie stellten fest, daß die im Schloß von Schmalkalden in Thüringen ausgelagerten Forschungsmaterialien zum größten Teil von den Alliierten aus Ost und West als Kriegsbeute betrachtet wurden, von den restlichen Akten gelangte der größte Teil schließlich zurück nach Danzig. Sie gründeten die „Traditionsgemeinschaft der Technischen Hochschulen Breslau und Danzig“ und die „Gesellschaft der Freunde der Technischen Hochschule Danzig“. Ehemalige Angehörige der Danziger Korporationen schlossen sich mit solchen an bundesdeutschen Hochschulen und Universitäten zusammen und führten ihre Traditionen fort. Aus diesen Vereinigungen bildeten sich Stammtische, vor allem in Duisburg, München und Hamburg, mit regelmäßigen oder gezielt geladenen Zusammenkünften. Der 50. Gründungstag der Technischen Hochschule Danzig im Jahre 1954 wurde in Duisburg und Wuppertal feierlich begangen. Als die Technische Hochschule Hannover die Patenschaft für die Danziger Hochschule übernahm, konnte in Hannover ein eigenes Archiv eingerichtet werden, in dem sämtliche Unterlagen über die Danziger Hochschule gesammelt werden.
Im Jahre 1961 erschien in Heidelberg ein Buch mit dem für die engen Bindungen der Angehörigen der Danziger Hochschule so charakteristischen Titel „Vom geistigen Fortleben der Technischen Hochschule Danzig“. Es wurde herausgegeben von Prof. Dr. Ing. Otto Eiselin, der von 1933 bis 1945 o. Prof. für Brücken- und Stahlbau in Danzig war, und enthält vorwiegend fachlich geprägte Aufsätze, die vom Fortwirken der Danziger Hochschule noch weit nach ihrer Auflösung und Zerstörung künden.
Für die gemeinsame Arbeit aller Menschen an der Technischen Hochschule Danzig von den Studenten bis hin zu den ordentlichen Professoren und für die Rückwirkung dieser altehrwürdigen Stadt, ihrer landschaftlich so schönen Umgebung und ihrer modernen Technischen Hochschule auf diese Menschen treffen – wie die begeisterten und begeisternden Erinnerungen vieler ehemaliger Studenten es belegen – die Worte aus den ersten Versen des Gedichtes „Erinnerung und Hoffnung“ von Karl Förster ( 1784 – 1841 ) zu:
Was vergangen, kehrt nicht wieder;
Aber ging es leuchtend nieder,
Leuchtet’s lange noch zurück!
Lit.: Danziger Hochschulführer – hrsg. von Wolfgang Liebe im Auftrage der Deutschen Studentenschaft der Technischen Hochschule. 1935. 6. Ausgabe, im Selbstverlag, – Technische Hochschule Danzig 1904 – 1954. Hrsg. vom „Vorbereitenden Ausschuß für die 50-Jahr-Feier der Technischen Hochschule Danzig“. (Verantwortlich für den Inhalt: Dir. Werner Zierau, Delmenhorst.) Gedruckt bei J. H. Born, Wuppertal-Elberfeld, – Technische Hochschule Danzig. Teil II. 1904 – 1954. Hrsg. wie oben. Verantwortlich für den Inhalt: Dipl. Ing. Friedrich Löhr, Duisburg, Baurat a.D. Hans Rohse, Arnsberg, – Vom geistigen Fortleben der Technischen Hochschule Danzig. Hrsg. Otto Eiselin. Verlag Brausdruck GmbH Heidelberg. 1961, – Beiträge und Dokumente zur Geschichte der Technischen Hochschule Danzig 1904-1945. Zum 75. Gründungstag hrsg. von der Gesellschaft der Freunde der Technischen Hochschule Danzig (von Albert Wangerin). Hannover 1979, – Rüdiger Ruhnau: Technische Hochschule Danzig 1904-1984. Danziger Berichte Heft 4. Hrsg. vom Wissenschaftlichen Archiv der Freien und Hansestadt Danzig, Stuttgart, – Hans Speerschneider: Die Danziger Technische Hochschule im Lichte der heutigen Zeit. Festvortrag aus Anlaß der Jahrestagung der Gesellschaft der Freunde der Technischen Hochschule Danzig vom 14. bis 16. Oktober 1986 in Goslar. Wolfenbüttel 1988, – Anekdoten und Geschichten von der Technischen Hochschule Danzig und drum herum. Zwei Bände. Zusammengetragen und bearbeitet von Werner Schmitz-Steger. Rhein-Ruhr Druck Sander, Dortmund, ca. 1990, – Danziger Goldwasser. Mitteilungsblatt der Altherren-Vereinigung der Landsmannschaft im CC „Preußen-Danzig“ e.V.. Hannover. Diverse Jahrgänge: – Hans-Jürgen Kämpfert: Die Gründung der Technischen Hochschule Danzig vor 100 Jahre, in: Westpreußen-Jahrbuch 2004, Band 54, Münster 2004.
Bild: Technische Hochschule Danzig / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.
Hans-Jürgen Schuch (OGT 2004, 355)