Ereignis vom 29. Oktober 1762

Die Schlacht bei Freiberg

Die Freiberger Schlacht am 29. Oktober 1762

Durch den zweifachen Thronwechsel in Russland, den Regierungsantritt Peters III. am 5. Januar 1762 nach dem Tode der Zarin Elisabeth, einer erbitterten Gegnerin Preußens im allgemeinen und Friedrichs des Großen im besonderen, und den Katharinas II. am 17. Juli des gleichen Jahres nach der zumindest mit Duldung der Nachfolgerin geschehenen Ermordung ihres Gatten und dem damit erfolgten Ausscheiden des Zarenreiches aus dem Siebenjährigen Krieg, waren die Chancen auf eine militärische Lösung des Konfliktes, insbesondere die Rückgewinnung Schlesiens durch Österreich, deutlich gesunken. Zwar gelang es der anti-preußischen Allianz noch am 15. August 1761 im III. Bourbonischen Familientraktat Spanien zum Eintritt in die Koalition zu bewegen, doch richtete sich diese Maßnahme weniger gegen Preußen als vielmehr gegen Großbritannien, das durch militärische Erfolge v. a. in Übersee sein Ziel der kolonialen Verdrängung Frankreichs weitgehend erreicht hatte und nunmehr seinerseits unter dem neuen Premierminister Lord Bute, eines Vertrauten des seit 1760 amtierenden Königs Georg III., der 1761 William Pitt, einen der Architekten des „renversement des alliances“ von 1756 abgelöst hatte, auf einen Ausgleich in Europa hinzuarbeiten begann.

Der Sommer 1762 schien daher für Österreich, das als nahezu einzige Macht noch an die Möglichkeit eines „Siegfriedens“ glaubte und stets von Seiten Großbritanniens oder Preußens ausgehende Friedensangebote auf der Basis einer Beibehaltung des status quo ante bellum abgelehnt hatte, die letzte Chance zu bieten, wenn nicht gar eine militärische Entscheidung herbeizuführen, so doch für die im Winter zu erwartenden allgemeinen Friedensverhandlungen wichtige Positionen zu besetzen, da an eine Fortdauer des Kampfes zwischen Preußen und Österreich ohne die jeweiligen europäischen Bündnispartner ernsthaft nicht gedacht werden konnte.

Auf dem schlesischen Kriegsschauplatz freilich waren die Kampfhandlungen nach der Eroberung der Festung Schweid­nitz durch Friedrich den Großen nach dessen Sieg bei Bur­kersdorf am 21. Juli 1762 und der infolgedessen vollzogenen Einschließung der Festung, die dann am 9. Oktober kapitulieren musste, weitgehend zum Erliegen gekommen. Beide Seiten richteten daher nunmehr ihr Hauptaugenmerk auf den sächsischen Kriegsschauplatz, wo es allein noch militärischen Spielraum für größere Operationen gab.

Der österreichische Befehlshaber, General Andreas Graf Hadik, zielte darauf ab, die unter dem Kommando des Prinzen Heinrich von Preußen, des Bruders Friedrichs des Großen, stehenden Truppen durch eine großangelegte Operation im Raum Freiberg aus ihren Stellungen zu verdrängen und zumindest deutlich günstigere Stellungen für die anstehenden Winterquartiere zu besetzen als im Vorjahr. Prinz Heinrich hingegen verfolgte die Absicht, sich in Sachsen zu behaupten, und war damit um einiges realistischer als sein königlicher Bruder, der nach der eigenen erfolgreich verlaufenen Kampagne gar an eine mögliche Wiedereroberung Dresdens durch preußische Einheiten dachte.

Der beginnende österreichische Angriff am 14. Oktober 1762 konnte zunächst noch abgewehrt werden, doch mussten in der Nacht vom 15. zum 16. Oktober Truppen des besonders stark gefährdeten rechten preußischen Flügels, um der Gefahr einer Vernichtung zu entgehen, zurückgezogen und das preußische Hauptquartier nach Schlettau verlegt werden. Freiberg und Brand wurden aufgegeben. Durch mehrere taktische Bewegungen konnte Prinz Heinrich am 16. Oktober seine Stellungen behaupten, doch drangen die Österreicher schon am 17. Oktober weiter vor.

Beide Seiten bereiteten sich nun auf die Aufnahme vom schlesischen Kriegsschauplatz her ausgesandter Detachements vor. Da Prinz Heinrich in richtiger Einschätzung der Lage jedoch voraussah, dass das österreichische Kontingent schneller als das preußische auf dem sächsischen Kampfplatz eintreffen würde, entschloss er sich, eine Entscheidung im Tal der Mulde noch vor dem Eintreffen der beiden Abteilungen anzustreben. Dieses Konzept, das vorsah, den Feind mit der geballten Macht der gesamten Streitkraft zurückzuwerfen und dem König als dem Oberkommandieren von Prinz Heinrichs Adjutanten, dem Grafen Victor Amadeus Henckel von Donnersmarck, am 22. Oktober 1762 in dessen Hauptquartier in Peterswaldau zur Genehmigung vorgelegt und von diesem schließlich auch für gut befunden wurde, sollte den preußischen Einheiten nicht nur die Initiative zurückgeben, sondern den Wiener Hof schließlich auch für einen allgemeinen Friedensschluss geneigt machen.

Bereits seit dem 25. Oktober mit den Vorbereitungen zur geplanten Aktion beschäftigt, leitete Prinz Heinrich in der Nacht vom 28. auf den 29. Oktober 1762 die Operationen ein, die zur dann letzten Schlacht des Siebenjährigen Krieges führten. Die Österreicher hatten sich in festen Stellungen bei Freiberg verschanzt, nördlich dem Zentrum vorgelagert der Spittelwald, östlich die Mulde.

Ihnen näherten sich die preußischen Einheiten in vier Marschkolonnen von Norden her. Der rechte Flügel, also die westlichste der Marschkolonnen unter dem Befehl des Generalleutnants Friedrich Wilhelm Freiherr von Seydlitz, dem sich auch Prinz Heinrich anschloss, hatte die Aufgabe, als stärkste der preußischen Truppen den Hauptstoß zu führen und dazu die gegnerischen Einheiten unter dem Prinzen Christian Karl von Stolberg nördlich zu umgehen, ihn also vom Rücken her zu attackieren. Das Zentrum, befehligt von Generalmajor Otto Lud­wig von Stutternheim (genannt „Jung-Stutternheim“), soll­te in einem großangelegten Scheinangriff die österreichischen Einheiten frontal vom Spittelwald her angehen, während der linke Flügel unter Generalmajor Johann Friedrich von Stut­ternheim („Alt-Stutternheim“) zu versuchen hatte, im schmalen Zwischenraum zwischen der Mulde und den angrenzenden Höhenzügen vorzudringen und den Prinzen von Stolberg von Osten her anzugreifen. Die vierte Marschsäule, kommandiert von General Friedrich Wilhelm von Forcade, blieb als Reserve und zur Beobachtung einer möglichen Annäherung des schlesischen Entsatzkorps des Feindes in rückwärtiger Stellung.

Im Zuge des Umgehungsmarsches stellte sich nun heraus, dass einige österreichische Einheiten Stellungen auf einer Höhe bei Brand südwestlich Freibergs eingenommen hatten, von wo es möglich wäre, dem preußischen rechten Flügel in den Rücken zu fallen und so von etwaigen Rückzugslinien abzuschneiden. Somit musste ein Detachement zur Beobachtung des Gegners abgezogen und damit die Schwächung des Angriffsvorstoßes der Marschsäule gegen den Prinzen von Stolberg wohl oder übel in Kauf genommen werden.

Um 5.00 Uhr am 29. Oktober 1762 setzten die Kämpfe mit der Erstürmung der Höhen aus südlicher Richtung durch den preußischen rechten Flügel ein. Nachdem auch das preußische Zentrum und der linke Flügel in den Kampf eingegriffen hatten, wurden die Österreicher Schritt für Schritt in südöstlicher Richtung aus ihren Stellen verdrängt und leiteten um 8.00 Uhr den Rückzug über die Mulde ein. Hätte die Reserve die zurückweichenden Feinde beim Flußübergang attackiert, wären dessen Verluste noch höher gewesen, doch blieb auch so der Tag ein Erfolg für die preußischen Einheiten unter dem Befehl des Bruders des Königs.

An eigenen Verlusten hatte man 1.400 Tote und Verwundete zu beklagen, der Feind hingegen musste 2.800 Mann auf dem Schlachtfeld lassen, hinzu kamen 4.340 gefangengenommene Soldaten mit 79 Offizieren und der Verlust von 28 Geschützen und 11 Fahnen. Sofort nach Beendigung der Kämpfe sandte Prinz Heinrich zwei Abteilungen zur Verfolgung der abziehenden Einheiten aus, die diese jedoch nicht mehr fassen konnten.

Der Sieg brachte nicht nur die Wiedereinnahme des neben Dresden zweiten wichtigen Platzes in Sachsen, Freibergs, sondern löste bei der österreichischen militärischen Leitung in Wien große Bestürzung aus. Die Pläne zur weitgehenden Vernichtung der preußischen Einheiten in Sachsen waren gescheitert, ja selbst an Winterquartiere im Lande war angesichts der nunmehr eingeklemmten Stellung zwischen Dresden und Dippoldiswalde nicht mehr zu denken. Für eine künftige Kampagne war mit dem Verlust Dresdens und der völligen Verdrängung aus Sachsen zu rechnen, darüber hinaus drohte ein preußischer Vorstoß bis nach Prag.

Wichtiger als diese militärstrategischen Aspekte waren jedoch die psychologischen Auswirkungen. Selbst eine zahlenmäßig unterlegene preußische Armee konnte über die aus österreichischen und Reichstruppen bestehende Streitmacht, die zudem in günstigeren Stellungen und in Erwartung von Verstärkung stand und bis dahin das Heft in der Hand hielt, einen Erfolg in offener Feldschlacht erringen, noch dazu unter dem Kommando eines eher als Stellungskämpfer denn als Niederwerfungsstratege bekannten Befehlshabers. Somit erschien nun auch dem Wiener Hof der Zeitpunkt gekommen, von den Maximalforderungen abgehend, einen Ausgleich mit Preußen zu suchen.

Die Schlacht bei Freiberg ist daher, zwar weniger in militärischer, dafür aber in politischer Hinsicht, als eine der wichtigsten Kämpfe des Siebenjährigen Krieges anzusehen, die entscheidend die Friedensbereitschaft des Wiener Hofes gefördert und so zu den Friedensschlüssen des Jahres 1763 geführt hat.

Lit.: Adam Dietrich Heinrich von Bülow, Prinz Heinrich von Preußen. Kritische Geschichte seiner Feldzüge. Von dem Verfasser des Geistes des neuern Kriegssystems, 2 Teile Berlin 1805. – Günter Dorn/Joachim Engelmann, Die Schlachten Friedrichs des Großen. Verlauf, Gefechts-Szenen, Gliederungen, Karten, Friedberg 1991. – Theodor Hirsch, Die letzten Jahre des siebenjährigen Krieges, in: His­to­rische Zeitschrift 37 (1877), S. 417-450. – Eberhard Kessel, Die Schlacht bei Freiberg am 29. Oktober 1762, in: Johannes Kunisch (Hrsg.), Eberhard Kessel: Militärgeschichte und Kriegstheorie in neuerer Zeit. Ausgewählte Aufsätze (= Historische Forschungen, Band 33), Berlin 1987, S. 303-326. – Arnold Schäfer, Geschichte des siebenjährigen Krieges, 2 Bände Berlin 1867-1874. – Richard Schmitt, Prinz Heinrich von Preußen als Feldherr im siebenjährigen Kriege, 2 Teile Greifswald 1885-1897.

Bild: Die Freiberger Schlacht am 29. Oktober 1762 / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Bernhard Mundt