Das Renversement des Alliances des Jahres 1756 sah sich Preußen, verbündet mit einigen deutschen Mittelmächten und Großbritannien, einer großen Koalition aus Österreich, Frankreich und Rußland gegenüber. Der Entschluss Friedrichs des Großen, durch einen raschen Vorstoß nach Sachsen nicht nur dieses kriegsökonomisch wichtige Territorium als Faustpfand in die Hand zu bekommen, sondern das Bündnis der Gegner vielleicht, wenn schon nicht zu sprengen, so doch von weitergehenden Operationen, die für das Frühjahr 1757 geplant und letztendlich auf eine Zurückstufung Preußens in den Rang einer mittleren Macht abzielten, abzuhalten, scheiterte jedoch, indem sich die feindlichen Mächte nun erst recht fester zusammenschlossen.
Da die französischen Truppen nur langsam von Westen heranrückten und die Einheiten der Zarin aufgrund logistischer Probleme zunächst nur in begrenztem Umfang einsatzbereit waren, sah der preußische Feldzugsplan für das Jahr 1757 vor, sich Böhmens zu bemächtigen, um dadurch eine Ausgangsbasis für weitere Operationen zu gewinnen. Prinz Karl von Lothringen, als Bruder Kaiser Franz Stephans Oberbefehlshaber der österreichischen Streitkräfte im betreffenden Raum, zog sich jedoch in das stark befestigte Prag zurück, das daraufhin von der preußischen Armee, die die Stellungen im Sturmangriff zu nehmen nicht in der Lage war, belagert werden mußte.
Als sich unter dem Kommando Leopold Graf Dauns eine österreichische Entsatzarmee Prag zu nähern begann, entschloss sich Friedrich der Große, zuerst diese in offener Feldschlacht zu vernichten und dann Prag zur Übergabe zu zwingen. Das Aufeinandertreffen der Verbände bei Kolin am 17. Juni 1757 endete jedoch mit einer preußischen Niederlage, woraufhin nicht nur die Belagerung Prags abgebrochen, sondern auch der Rückzug aus Böhmen angetreten werden musste. Man verstand sich zu einer defensiven Fortsetzung des Feldzuges, wobei besonderes Augenmerk auf die Verhinderung der Vereinigung der von Westen herankommenden französischen Truppen mit der österreichischen und der Reichsarmee in Sachsen gerichtet werden musste.
So teilte Friedrich der Große seine Streitmacht und zog, unter Zurücklassung einer 41.000 Mann starken Armee unter dem Befehl des Herzogs August Wilhelm von Braunschweig-Bevern, der von der Lausitz aus Schlesien und die Mark vor den Österreichern decken sollte, mit 25.000 Mann nach Westen, um der drohenden Vereinigung der Franzosen unter Charles de Rohan, Prinz von Soubise, mit der unter dem Kommando des Prinzen Joseph-Friedrich von Sachsen-Hildburgshausen stehenden Reichsexekutionsarmee zu begegnen. Bei Rossbach gelang am 5. November 1757 ein glänzender Sieg, der nicht nur militärisch freie Hand in Schlesien ermöglichte, sondern auch Großbritannien enger an Preußen band. Die unter dem Befehl des Prinzen Ferdinand von Braunschweig neu aufgestellten britisch-braunschweigischen Truppen sollten in der Folgezeit durch die Bindung starker französischer Kräfte maßgeblich zur Entlastung Preußens auf dem sächsisch-schlesischen Kriegsschauplatz beitragen.
Gleich nach Rossbach rückte Friedrich der Große am 13. November 1757 mit einer ansehnlichen Streitmacht nach Schlesien ab, nicht ohne vorher seinen Feldmarschall Jacob Keith ein Ablenkungsmanöver in Nordböhmen durchführen zu lassen, durch welches sich der Feind dann auch tatsächlich täuschen ließ und die Lausitz räumte. Damit war der Druck von Sachsen genommen und der König konnte sich ganz auf die Lage in Schlesien konzentrieren.
Hier hatten sich die Dinge freilich in der Zwischenzeit zuungunsten der Preußen entwickelt. Der für besagten Bereich zuständige Herzog von Braunschweig-Bevern hatte die wichtige Festung Schweidnitz verloren, war am 22. November bei Breslau geschlagen und schließlich sogar gefangengenommen worden. Die eingeschlossene Festungsstadt musste am 25. November bei freiem Abzug der Besatzung vor Prinz Karl von Lothringen kapitulieren.
Friedrich der Große langte in Eilmärschen am 28. November in Parchwitz an und vollzog am 2. Dezember die Vereinigung mit den Resten der Breslauer Garnison. Sofort formierte er die Einheiten in der Absicht, die Österreicher anzugreifen, und marschierte am 4. Dezember in vier Kolonnen in Richtung Breslau. Als er Neumarkt erreicht hatte, erfuhr er, Prinz Karl stehe bereits westlich von Weistitz, und beschloss, dessen 65.000 Mann mit den eigenen 39.000 Soldaten am nächsten Morgen bei Leuthen anzugreifen.
Bereits um vier Uhr früh brachen die Truppen von ihren Nachtlagern auf und formierten sich in Kolonnen, wobei jedem Flügel der Infanterie jeweils eine Abteilung Kavallerie beigegeben wurde. Vor dieser Hauptstreitmacht marschierte die Avantgarde, noch davor die Freibataillone, das Jägerkorps und die Husaren. Bei Borne gelang es diesen Vorausabteilungen, eine gegnerische Kavallerielinie zu werfen, die Friedrich der Große richtig als Vorhut der gegnerischen Streitmacht identifizierte. Borne wurde von den Freibataillonen besetzt und der Marsch der Armee fortgesetzt.
Der König ließ nun die Österreicher im Glauben, er wolle den Vormarsch über Borne hinaus nach Osten fortsetzen, um den rechten österreichischen Flügel direkt anzugreifen. In Wahrheit hatte er jedoch erkannt, dass der linke, südliche Flügel der Truppen Prinz Karls in schlechter Deckung aufgestellt war und zudem umgangen werden konnte. So schwenkten die preußischen Kolonnen am späten Vormittag nach Süden, wobei die Flügel in komplizierten Bewegungen zu Linien entfaltet wurden.
Gegen ein Uhr gingen die preußischen Einheiten zum Angriff vor. Die Infanterie stürmte nach Norden in Richtung auf das Dorf Leuthen vor, während es der Reiterei unter Hans Joachim von Zieten auf dem rechten Flügel gelang, die feindlichen Kavallerieeinheiten unter Graf Franz Leopold von Nadasdy völlig zu zersprengen und in die Flucht zu schlagen. Nachdem Prinz Karl von Lothringen zunächst versucht hatte, dem preußischen Angriff mit einzelnen Umgruppierungen zu begegnen, musste er einsehen, dass nur eine Neuausrichtung seiner kompletten Streitkräfte mit einer Schwenkung, die dann eine Front nach Süden bildete, noch Aussicht auf Erfolg haben würde.
Gegen halb vier begann dann die zweite, entscheidende Phase der Schlacht mit dem Angriff der Preußen auf die durch gezieltes Geschützfeuer von den umliegenden Hügeln bereits stark dezimierte neue Front der Österreicher. Nach halbstündigen, harten Gefechten konnte das Dorf Leuthen genommen werden, die Österreicher errichteten aber unmittelbar dahinter weitere Stellungen. Hätte die Masse der österreichischen Infanterie nun die offene Flanke der Preußen auf deren linkem Flügel angegriffen, wäre die Situation noch einmal kritisch geworden, doch Generalleutnant Georg Wilhelm von Driesen, der Befehlshaber des linken preußischen Kavallerieflügels, erkannte die Gefahr und ließ seine Einheiten gegen die vorstürmende rechte Flanke der feindlichen Reiterei vorrücken. Infolge dieses Gefechtes gerieten Tausende von Reitern in die nördlich Leuthens stehende österreichische Infanterie, was zur Folge hatte, dass sich deren Linie im Getümmel völlig auflöste.
Friedrich der Große musste nun verhindern, dass der zurückweichende Feind sich über eine Brücke bei Lissa auf das andere Ufer des Striegauer Wassers retten und neu in Schlachtformation aufstellen konnte. Reiterei, in deren Mitte sich der König selbst befand, und nachrückende Grenadiere erledigten diese Aufgabe bis zum Hereinbrechen der Nacht. Damit konnten die preußischen Einheiten das Schlachtfeld behaupten und Prinz Karl von Lothringen musste sich über Schweidnitz und Landshut zurückziehen und schließlich Schlesien räumen. Am 20. Dezember eroberten die preußischen Einheiten Breslau, am 28. Dezember Liegnitz zurück und konnten, bis auf die Festung Schweidnitz, die allerdings eingeschlossen wurde, ganz Schlesien vom Feind säubern und Winterquartiere beziehen.
Die preußischen Verluste in der Schlacht beliefen sich auf ungefähr 6.400 Mann, von denen die Mehrzahl aber nur leicht verwundet war. Die Österreicher hingegen hatten Verluste in Höhe von 22.000 Mann zu beklagen, darunter allein 12.000 von den Preußen gemachte Gefangene, was ungefähr einem Drittel ihrer Effektivstärke entsprach.
Die Schlacht bei Leuthen gestaltete sich als ein Musterbeispiel der schiefen Schlachtordnung. Anstatt den Gegner frontal anzugehen, wurden dessen Einheiten mit einem verstärkten Flügel umgangen und dann von der Flanke her angegriffen und aufgerollt. Geschickt postierte Artillerie konnte dabei dem Gegner in der Phase der dieser Art von Überflügelungsangriff notwendigerweise folgenden Umgruppierung, die zwangsläufig zu einer Truppenmassierung führen musste, durch gezieltes Feuer schweren Schaden zufügen. Somit war auch in Unterzahl unter guter Geländeausnutzung der Sieg in einer offenen Feldschlacht möglich.
Ebenso wichtig wie die strategischen Auswirkungen der Schlacht waren deren psychologische Folgen. Auch in Überzahl war es den Österreichern nicht gelungen, Schlesien zurückzuerobern. Darüber hinaus zeigten sich die preußischen Truppen von einer in zahlreichen Anekdoten überlieferten, für eine Armee des 18. Jahrhunderts überragenden Kampfmoral. Berühmt wurde der Choral von Leuthen, das Lied Nun danket alle Gott …, das die unter der Kälte leidenden und von den Anstrengungen des Tages erschöpften Truppen am Abend nach der Schlacht noch gemeinsam anstimmten und sich damit nicht nur ihrer Gemeinschaft versicherten, sondern auch neue Kraft gewannen.
Lit.: Günther Dorn/Joachim Engelmann, Die Schlachten Friedrichs des Großen. Führung, Verlauf, Gefechts-Szenen, Gliederungen, Karten, Friedberg 1991. – Paul Gerber, Die Schlacht bei Leuthen (= Historische Studien, Heft XXVIII), ND Vaduz 1965 der Ausgabe Berlin 1901. – Carl Grawe, Die Entwicklung des preußischen Feldzugsplanes im Frühjahr 1757, Diss. Berlin 1903. – Otto Herrmann, Prinz Ferdinand von Preußen über den Feldzug vom Jahre 1757, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 31 (1919), S. 85-105 (= 31,1 S. 85-105). – Friedrich Wilhelm Joseph Ferdinand Stanislaus von Leszczynski, Breslau und Leuthen. Vortrag, gehalten in der Militairischen Gesellschaft zu Berlin am Friedrichstage, dem 24. Januar 1898, in: Militär- Wochenblatt, Beiheft 1900, S. 291- 320. – Adolf Müller, Die Schlacht bei Leuthen. Eine Jubelschrift, Berlin 1857. – Gustav Berthold Volz, Kriegführung und Politik König Friedrichs des Grossen in den ersten Jahren des Siebenjährigen Krieges, Berlin 1896.
Bild: Der Choral am Abend der Schlacht bei Leuthen von Wilhelm Camphausen / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.
Bernhard Mundt (OGT 2007, 351)