Ereignis vom 1. Januar 1456

Die Schlacht von Belgrad

Belagerung von Belgrad 1456, Cosmographia von Sebastian Münster (1545)

Kaum jemand weiß heute, daß das Mittagsläuten 1456 als Dank nach einem Sieg über die Türken bei Belgrad auf Empfehlung des Papstes Calixtus III. eingeführt wurde.

Das christliche Europa sah sich damals vor der islamischen Welt, vor allem von den osmanischen Türken, bedroht. Sie hatten in der zweiten Hälfte des 14. und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts fast den ganzen Balkan, im Jahre 1453 unter Sultan Mohammed (Mehmed) II. sogar Konstantinopel (Byzanz) erobert und die Donau erreicht, von wo aus sie Ungarn bedrohten. Seit 1395 hatten ihre verheerenden Überfälle im das zu Ungarn gehörende Sie­benbürgen Schrecken und Tod gebracht, wobei Tausende von Menschen in die Sklaverei verschleppt wurden. Damals bauten die Siebenbürger Sachsen ihre Gotteshäuser zu den bis heute die Landschaft prägenden Kirchenburgen aus und umgaben ihre Städte mit Ringmauern und Wehrtürmen.

Die unter der Führung der ungarischen Könige organisierten Kreuzzüge des christlichen Europas konnten die osmanische Expansion nicht aufhalten. In der Schlacht von Warna in Bulgarien (1444) fiel sogar der ungarische König Władisław I. Jagiello, zugleich König von Polen. An Stelle seines noch minderjährigen Nachfolgers Ladislaus wurde der siebenbürgische Wojewode Johann Hunyadi zum Reichsverweser ernannt. Die Wahl fiel damit auf einen in den Türkenkriegen erprobten Mann, in den man große Hoffnungen setzte. Nach dem Fall von Konstantinopel erfaßte Wehgeschrei das Abendland, das auch im humanistischen Schrifttum Widerhall fand. Das Thema der Türkenkriege beherrschte die gelehrten Gespräche; man bemühte sich durch Mahnrufe, das Gewissen der Christenheit gegen die Türken wachzurufen, um sich der islamischen Gefahr bewußt zu werden. Dabei rückte Ungarn in den Mittelpunkt; es wurde als Bollwerk der Christenheit gepriesen. Einer der wirkungsvollsten Verbreiter dieses Gedankens war Aeneas Silvius Piccolomni (als Papst Pius II. 1458 bis 1464). Dieser verurteilte in Sendschreiben und in Reden auf Reichsversammlungen die Trägheit und den Eigensinn des Abendlandes: würde dieses Ungarn hilfsbereit zur Seite stehen, könnte die ganze Christenheit vor der osmanischen Bedrohung gerettet werden. Die Ungarn hätten bisher als Schutzmauer der Christenheit verhindert, daß der Türke nach Westen vorgedrungen sei. Es sei aber zu befürchten, daß Ungarn gegenüber den kräftemäßig überlegenen Türken nicht bestehe, falls ihm nicht Hilfe gewährt würde. Die Türken stellte er als die Verkörperung des Bösen dar. Den schönen Reden folgten indes nicht die erhofften Taten. Das christliche Abendland war zu sehr zerstritten, um eine einheitliche Front zu bilden. So tobte zwischen Frankreich und England der Hundertjährige Krieg, so daß mit der Hilfe dieser Staaten nicht gerechnet werden konnte.

Zunächst galt es, die Grenzfestung Belgrad, die als Tor zu Ungarn betrachtet wurde, zu verteidigen. Belgrad bestand im Wesentlichen aus der Festungsanlage „Kalemegdan“ (türkisch „Festungsplatz“) auf dem 50 Meter hohen Kalkstock im Mündungswinkel zwischen Save und der Donau und war mit der Ober- und Unterstadt zu einer Zitadelle ausgebaut. Gegen das nach der westlichen Seite hin flache Plateau war die Zitadelle mit einer hohen Mauer und einem tiefen Graben, die Festung mit einer doppelten Mauer geschützt. Außerhalb der Ringmauer erstreckte ich eine östliche und eine westliche Vorstadt.

Im März 1456 erfuhren die Ungarn von ihren Kundschaftern auf dem Balkan, daß sich ein großes türkisches Heer unter der Führung des berüchtigten Sultans Mohammed II. in Bewegung gesetzt und die Bombarden vorausgeschickt habe. Es hieß in zeitgenössischen Berichten, zwölf derselben hätten „in der Lenng XXXII Spann und an der Weyt siben Spann.“ Sie nahmen Aufstellung vor Belgrad. Bald erschien auch das eigentliche Heer, bestehend aus Janitschaen (Fußvolk) und Spahis (Reitern).

In der Festung befanden sich nur wenige Verteidiger. Johann Hunyadi lagerte mit seinem Heer von etwa 3.000 Fußleuten und etwa 100 Büchsenschützen jenseits der Donau in Peterwardein. Dort stieß zu ihm ein Kreuzheer von einer Stärke, mit der er nicht gerechnet hatte. Es waren einfache Leute „gemeines Volk aus Dorffern und Merkten“, wie es in einer zeitgenössischen Nachricht heißt, aber auch Mönche und Ritter besonders aus Ungarn, dann auch aus Böhmen, dem Deutschen Reich, Siebenbürgen, etliche aus Italien u. a. Sie waren alle durch die feurige und volkstümliche Beredsamkeit des siebzigjährigen Franziskanermönchs aus den Abruzzen, Giovanni di Capistrano, geworben worden. Er hatte 1455 von Spanien aus mehrere Länder durchreist und zum Kreuzzug gegen die Türken aufgerufen. Es regten sich keine gekrönten Häupter, dafür aber viele einfache Menschen. Der Papst vertraute Capistrano das Kreuz an und schickte ihm eine Fahne mit dem Bilde des hl. Bernhard von Clairvaux, das in der Schlacht Wunder wirken sollte.

Am 16. Juli, als die Bombarden Mohammeds das Zerstörungswerk an den Festungsanlagen bereits begonnen hatten, rückten auf etwa 200 Boten auf der Donau die Heere Hunyadis und Capistanos an, zerstörten die viel kleinere Flußflotte der Türken und drangen unter dem Schutz der Dunkelheit in Belgrad ein. An den folgenden Tagen konnten weitere Transporte mit Truppen und Lebensmitteln auf dem Wasser herangeführt wer­den.

In der Nacht vom 21. auf den 22. Juli befahl Mohammed den Sturm auf Belgrad, und seine Truppen drangen in die die Stadt ein, wurden aber von dem Aufgebot Hunyadis, das aus der Festung ausbrach, zurückgeschlagen. Zwei weitere Angriffe der Osmanen konnten desgleichen zurückgeworfen werden. Die Menge der „einfälltigen Leute“ des Kreuzfahrerheeres Capi­staronos, die in der sie beseelenden Schwärmerei ihr Leben nicht scheuten, trugen wesentlich zum Erfolg bei. Als die Türken sich das dritte Mal zurückziehen mußten, folgten ihnen die Belagerten bis zu den Bombarden und metzelten alles nieder, was ihnen entgegen trat. Mohammed sah sich gezwungen, den Rückzug anzutreten und seine Geschütze auf dem Schlachtfeld zurückzulassen. Für die Verfolgung Mohammeds reichten die Kräfte jedoch nicht aus, und für eine Vertreibung der Türken aus Europa, wie einige nach dem Sieg hofften, brachte die christliche Welt nicht die erforderliche Geschlossenheit auf. Doch auch der Erfolg von Belgrad wurde bereits ein großes Wunder betrachtet. Mehr Erfolg hatten die „Reconquista“ der Spanier und Portugiesen im Kampf gegen die Araber, auch Mauern genannt, auf der Iberischen Halbinsel.

Von Papst Calixtus III. ergingen mehre Bullen mit Aufrufen zum heiligen Krieg der gesamten Christenheit, und alle Gemeinden sollen hinfort als Dank für den errungenen Sieg einmal am Tag die Glocke läuten, um ihre Gebete zur Befreiung von den Türken zum Himmel zu begleiten. Es kam zu keinem neuen Kreuzzug, zumal sowohl Johann Hunyadi als auch Capistrano nach der Schlacht von der Pest dahingerafft wurden.

Es sollte für längere Zeit einer der letzten Siege im Abwehrkampf gegen den Halbmond bleiben. Es folgte zwar eine etwas ruhigere Zeit, in der kleinere Überfälle der Janitscharen und Spahis abgewehrt werden konnten. Die Gefahr war aber nicht gebannt. Aufrufe von Papst Pius II., einen Kreuzzug gegen die Osmanen zu organisieren, verhalten ohne Wirkung. Weder der „Türkenkongreß“ des christlichen Abendlandes in Mantua (1460) noch der anschließende Reichstag der deutschen Fürsten zu Wien erbrachten einen Entschluß zu einem gemeinsamen Aufbruch. Der Dichte Michael Behaim schrieb damals:

Die österriecher sprechen: wann
Der türk kummt gen pressburg, dann
Wollen sie sich weren.
Ach sprechen die pairen also:
Wann dy türken sein in passa(u),
So wollen sie fürkeren.
Desgleichen die swaben sprechen:
Wann sie kummen gegen auspurg hin,
so wollen sy dann gegen hin.

Angesichts seines Mißerfolgs bemühte sich der Papst um einen Friedensschluß mit dem Sultan, ja er dachte sogar daran, Mohammed II. zum Christentum zu bekehren mit dem Versprechen, ihm als Gegenleistung den Balkan zu überlassen. Daraus wurde natürlich nichts und die Türken drangen weiter vor. 1521 eroberten sie Belgrad, brachten dem ungarischen Heer bei Mohacs 1526 eine vernichtende Niederlage bei, in der wiederum der König auf dem Schlachtfeld endete, erschienen 1529 erstmals sogar vor Wien, besetzen 1541 Ofen und Zentralungarn, während Siebenbürgen ein der Hohen Pforte tributpflichtiges Vasallenfürstentum wurde. Eine Wende trat erst 1683 ein, als das türkische Heer vor Wien am Kahlenberg geschlagen wurde und die Österreicher unter Prinz Eugen von Savoyen die Türken aus Ungarn, dem Banat, Siebenbürgen, einem Teil Serbiens und Bosniens vertrieben. Damit begann der Niedergang des Osmanischen Reiches, der sich allerdings bis nach dem Ersten Weltkrieg hinauszog. Um das Erbe des „kranken Mannes“ am Bosporus, wie die Türkei genannt wurde, sollten noch viele Kriege geführt werden, bei denen die europäischen Großmächte mitmischten. Die Völker des Balkans und Griechenland haben größtenteils im 19. Jahrhundert ihre Unabhängigkeit erzielt. Belgrad verließ eine letzte türkische Besetzung erst 1876. Die Türken haben indes überall ein starkes muslimisches Erbe hinterlassen, das bis in unsere Tage nachwirkt.

Lit.: Friedrich Babinger, Der Quellenwert der Berichte über den Ersatz von Belgrad am 21./22 Juli 1456, in: Sitzungsberichte der Bayrischen Akademien der Wissenschaften, München, Heft 6, 1957. – Carl Göllner, Turcica. Die Türkenfrage in der öffentlichen Meinung Europas im 16. Jahrhundert, Bd. I-III, Bukarest, Baden-Baden 1977. – Gustav Gündisch, Siebenbürgen in der Türkenabwehr 1395-1526, in: Revue Roumaine d’Histoire, Bukarest 1964. – H. J. Kissling, Türkenfurcht und Türkenhoffnung im 15. und 16. Jahrhundert. Zur Geschichte eines Komplexes, in: Südostforschungen, München, Bd. XXIII, 1964. – Nicolae Jorga, Geschichte des Osmanischen Reiches, Bd. II, Gotha, 1909, Reprint Darmstadt 1997. – Camil Muresan, Iancu de Hunedoara (Johann Hunyadi), Bukarest 1968.

Bild: Belagerung von Belgrad 1456, Cosmographia von Sebastian Münster (aus dem Jahr 1545) / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Michael Kroner (OGT 2006, 209)