Ereignis vom 1. Januar 1621

DIE SELIGSPRECHUNG VON JOHANNES VON NEPOMUK MACHT IHN IN ALLER WELT BEKANNT

Kein Heiliger war so beliebt und wurde nach der Madonna auf Brücken, in Kirchen, an Häusern und auf Plätzen so häufig dargestellt wie der Heilige Johannes von Nepomuk. Nicht nur seiner Heimat Böhmen und in allen Ländern des alten Österreich und in Süddeutschland wird er seit seiner 1621 in Rom erfolgten Seligsprechung verehrt, denn auch im Rheinland und in Westfalen findet man Statuen von ihm. Verehrt wird er sogar buchstäblich in aller Welt.

Als Papst Benedikt XIII. 1729 Johannes von Nepomuk heiligsprach, hatten die in Übersee wirkenden deutschen und insbesondere böhmischen Jesuitenmissionare den Kult dieses Heiligen, den Innozenz XIII. acht Jahre vorher seliggesprochen hatte, bereits in ihren Missionsgebieten verbreitet. Yves Lasfargues stellte in seinem Beitrag für den Katalog der großen Ausstellung des Adalbert-Stifter-Vereins 1971 zur 250-Jahrfeier der Seligsprechung fest: „Die rasche Verbreitung erklärt sich im Wesentlichen aus seiner Verehrung als Wundertäter“. Das gilt auch für die Verbreitung des Kultes in den Missionen. So schrieb man am kaiserlichen Hof in Sinoa in Indochina die Heilung des erkrank­ten Vizekönigs dem Prager Brückenheiligen zu. In einem uns erhaltenen Brief des Iglauer Paters Johann Siebert vom 30. August 1741 berichtet dieser über seinen allzu früh verstorbenen Landsmann und Mitbruder Johann Grueber aus Nimburg und schreibt, dass auch der Vizekönig „… tödlich erkrankte; in welchen Umständen sein ganzes Verlangen nicht nach dem Leib-Arzten, son­dern dem Missionario“ war. Der Vizekönig wollte keine Arzneien haben, sondern erbat „einige Stäublein“ vom Grab des wundertätigen Märtyrers. Das Ergebnis war überra­schend: „Er hatte kaum die hl. Erde genossen und Gott das Gelübd, das Christentum an­zunehmen, gethan, als er sich vollkommen hergestellt sah …“ Des Weiteren schreibt Siebert, dass die von der Grabstätte des heiligen Nepomuk herbeigebrachte Erde „hier fast täglich wunderliche Heilungen“ bewirkt.

Begünstigt wurde die Verbreitung der Verehrung auch, weil Johannes von Nepomuk als Schutzpatron für eine glückliche Reise, vor allem zu Wasser angerufen wurde. Dies geschah meist unter dem Titel „Nageur admirable dans la Moldau“ bzw. „der Du so wunderbar in der Moldau geschwommen bist“. So schildert der in der Reduktion San Luis am Uruguay-Fluss in Südamerika tätige Jesuit Adolf von Skal, der aus dem schlesischen Großkunzendorf stammte, eine gefährliche Flussreise mit kleinen Booten, die er in Begleitung mehrerer Indianer durchführte. Dass er die Reise ohne Menschenverluste überstehen konnte, führt er auf die Fürsprache des hl. Johannes Nepomuk zurück.

In Chile erhielt eine Missionsstation an der Grenze im Gebiet von Concepción den Namen des böhmischen Heiligen, im heutigen Argentinien trug eine Reduktion bei den Chana-Indios den gleichen Namen. Hier war es insbesondere der Schlesier P. Florian Paucke, der den Schutz-Patron propagierte. In Mexiko wurde Johannes Nepomuk zum Patron der Universität in der mexikanischen Hauptstadt ernannt und eine kleine Insel im Golf von Kalifornien erhielt seinen Namen.

Auch auf den Philippinen lässt sich schon 1737, also 16 Jahre nach der Seligsprechung und acht Jahre nach der Heiligspre­chung, seine Verehrung nachweisen: Vom 28. Februar 1737 ist uns ein Brief des in Prag gebürtigen P. Anton Xaver Malinsky erhalte, den er in Palom­pong auf der Insel Leyte schrieb und in dem wir über den dortigen Kirchenbau lesen: „… In gemeldeter Kirch seynd, unter anderen, sehenswürdig, vier nach Europaeischen Ge­schmack von hiesigen Künstlern artig geschnittene Seiten-Altäre, deren einer dem gro­ßen Pragerischen Martyrer, dem hl. Joanni Nepomuceno, gewidmet ist. Das Leben dieses Wunder-Manns ist in einem kurzen Begriff von einem seiner Verehrer schon zu Papier gesetzt worden …“ Mit der Biographie kann nur jene von Emanuel Joseph Arendano ge­meint sein, der 1741 ein Werk in Spanisch und Tagalog, der Eingeborenensprache und heutigen Staatssprache der Philippinen, heraus­gegeben hatte.

Verstärkt wurde die Verbreitung des Kultes noch dadurch, dass der aus Prag stammende Ordensgeneral Franz von Retz 1732 Johannes von Nepomuk zum zweiten Patron des Or­dens, zum Beschützer gegen die Lästerer und falschen Beschuldiger des Ordens wählte. Während des Ritenstreites in China wurde Johannes Nepomuk deshalb auch im Apostolischen Vikariat Nanking als zweiter Patron verehrt. Ein Leben dieses Heiligen entstand damals auch in chinesischer Sprache. Unter den Jesuiten, die in Peking am Kaiserhof tätig waren, befand sich der Schlesier Florian Bahr, der neben anderen uns erhaltenen Schriften auch eine chi­nesische Nepomuk-Biographie veröffentlichte. Unter dem Titel Cheng Jo-Wan Nie-pomo Tscho­au wurde sie 1871 in Zikawai und 1917 in Sienhsien neu gedruckt.

An diesen einzelnen Beispielen können wir sehen, dass bereits im 18. Jahrhundert Johannes von Nepomuk in der gesamten katholischen Welt bekannt war und durch diesen Heiligen Böhmen und Prag überall ein Begriff gewor­den war. Es gab damals auch viele Lieder zu seinen Ehren, von denen leider das Gotteslob keines aufnahm.

Im leider vergriffenen Beiheft zum Gotteslob mit Kirchenliedern aus den Diözesen Böhmens und Mähren-Schlesiens und aus den deutschen Sprachgebieten der Karpaten und des Südostens, das vom Sudetendeutschen Priesterwerk 1981 herausgege­ben wurde, finden sich zwei Nepomuklieder mit Noten. Das erste ist ein altes Wallfahrtslied aus Südböhmen und Südmähren. Es besingt den Heiligen so:

Johann von Nepomuk

ein Zier der Prager Brück;

der du hast müssen

hier dein Leben schließen

im Moldaufluß!

Das zweite Nepomuklied ist ein neueres Lied. Der Text stammt von dem bekannten sudetendeutschen Publizisten Franz Lorenz, die Melodie von Fritz Kernich:

  1. Ein Kranz der Sterne um dein Haupt

               wie Feuer in der kalten Nacht;

               wenn Satans List uns alles raubt,

               hat Gottes Hand uns Gnad gebracht;

               Sankt Johann von Nepomuk,

               du Gottes Zeuge auf der Bruck!

  1. Du treuer Sohn vom Böhmerwald,

               du starbst um Gottes Wort und Eid.

               Wir leiden Arglist und Gewalt;

               führ unser Schifflein durch die Zeit.

               Sankt Johann …

  1. Viel Brücken stehn im weiten Land,

               viel Brücken wurden dir zum Thron!

               Zeig uns die Brück zum sichern Strand,

               trag unser Leid vor Gottes Sohn.

               Sankt Johann …

In der alten Heimat gab es kaum ein Gesang- oder Orgelbuch in den böhmischen Ländern, das nicht zahlreiche Lieder und Gebete zu Ehren des Brückenheiligen enthielt. Der Hinweis „Nach einem altböhmischen Lied aus dem Prager Kancional“ zeigt, dass manche dieser Lieder auch in tschechischer Sprache existieren und wie viele andere Lieder bei gleicher Melodie von beiden Völkern in ihrer Sprache gesungen wurden.

Das gilt auch für die Gebete, in denen Johannes von Nepomuk um Fürsprache angefleht wurde. Besonders viele Nepomuk-Gebete hat das alte Gebetbuch Schatzkammer einer herzlichen Andacht zu Gott, Maria der unbefleckten Jungfrau und besonderen Heiligen, mit kostbaren Kleinodien, kräftigen Morgen-, Abend-, Beicht-, Kommunion- und Meßgebeten versehen. Zur täglichen Seelenbereicherung aller frommen Christen eröffnet. Es wurde 1774 „mit Genehmigung der k. k. Censur gedruckt bei Sophia Johanna Clauserin, kön. Hofdruckerin“. Da gibt es ein besonderes „Gebet bei dem Grabe des hl. Johannes zu sprechen“, ein „Zufluchtsgebet in Trübsal und Kleinmütigkeit“, sowie ein „Gebet wegen Beängstigung der heiligen Beicht“ und ein weiteres „Gebet einer wegen der Seligkeit betrübten Seele“.

Das am weitesten verbreitete Gesangbuch in Böhmen war das Manna. Katholisches Gebet- und Gesangbuch für Böhmen. Verfaßt im Auftrag und mit Gutheißung der hochwürdigen Bischöfe Böhmens, (also der Bischöfe von Prag, Leitmeritz, Königgrätz und Budweis).

Es enthält zwei weitere Nepomuk- Lieder. Das Lied Der Held des Herrn steht ungebeugt finden wir auch im Leitmeritzer Gesangbuch. Dieses Lied geht auf den lateinischen Hymnus Invictus heros numinis zurück und ist auch im Teschener Gesangbuch zu finden.

Der Held des Herrn steht ungebeugt,

Als sich der Martertod ihm zeigt;

Nichts wird von ihm geoffenbart,

Was in der Beicht entdeckt ihm ward.

Das zweite Nepomuklied im Manna ist ein altböhmisches Lied aus dem Prager Kancional. Blicken wir in die beiden mährischen Diözesen Olmütz und Brünn, so finden wir ebenfalls Nepomuk­lieder, als ältestes eines von Johann Leisentritt, der 1527 in Olmütz geboren wurde und als Dekan des Kollegiatsstiftes Bautzen die Katholische Kirche der Lausitz in der Reformation rettete. Aus Leisentritts schon Nepomuks Seligsprechung 1567 erschienenen Geistlichen Liedern und Psalmen stammt ein Nepomuk-Lied, das wir auch aus oberschlesischen Gesang- und Orgelbüchern kennen:

 

Mit unbesiegter Liebesglut

Schaut todesmutig in die Flut

Johannes, der als Glaubensheld

Das Beichtgeheimnis heilig hält.

Bild: Nepomuk-Statue im Hartmann-Spital, Wien-Margareten, www.austriaforum.org / Quelle: Wikipedia Commons

Rudolf Grulich