1950 als „Banater Schrifttum“ in Temeswar gegründet, seit 1956 in Bukarest als „Neue Literatur“ herausgegeben, war die Zeitschrift, deren Auflage in den siebziger Jahren auf 2000 Exemplare geschätzt wurde, eine der langlebigsten deutschen Literaturzeitschriften außerhalb des deutschen Sprachraums. Die Zeitschrift paßte in das Angebot einer vielsprachigen Minderheitenpresse in Rumänien, das sowohl vor als auch nach 1945 vorhanden war. In der Zwischenkriegszeit gab es in Rumänien zeitweise gleichzeitig 18 deutsche Tageszeitungen, ebenso zwei Literaturzeitschriften mit längerer Laufzeit („Klingsor“ in Kronstadt, 1924-1939, und „Banater Monatshefte“, 1933-1939). Nach 1945 gab es zwei deutsche Tageszeitungen („Neuer Weg“ in Bukarest, Auflage 65.000 bzw. „Neue Banater Zeitung“ in Temeswar Auflage 18.000), eine Wochenschrift („Karpatenrundschau“ in Kronstadt), eine Zeitung mit zwei Wochenausgaben („Hermannstädter Zeitung“), dazu die Monatsschrift „Volk und Kultur“ in Bukarest und die wissenschaftliche Halbjahresschrift „Beiträge zur Volks- und Landeskunde“ in Hermannstadt. Hinzu kamen die Universitätsjahrbücher in Bukarest, Jassy und Klausenburg, die auch Beiträge in deutscher Sprache publizierten und der Kriterion-Verlag in Bukarest, der Bücher in den Minderheitensprachen herausgab, ebenso Verlagsabteilungen für deutsche Bücher beim Facla-Verlag in Temeswar, dem Dacia-Verlag in Klausenburg, dem Kinderbuchverlag und dem Albatros-Verlag in Bukarest.
Die Bukarester (bis 1955: Temeswarer) Literaturzeitschrift war gegründet worden, um die zeitgenössische deutsche Literatur des Landes zu fördern. Außerdem war ihr von Anfang an auferlegt, Übersetzungen aus dem rumänischen und sowjetischen Schrifttum zu publizieren und die Literaturen der sozialistischen Bruderländer nicht aus den Augen zu verlieren. In den sechziger Jahren, eine Zeit relativer Entspannung und Öffnung, mehrten sich die Beiträge aus der bundesdeutschen und den westeuropäischen Literaturen, ebenso die Berichte aus dem landesweiten Kulturangebot in deutscher Sprache (Musik, Theater, bildende Kunst). In den siebziger Jahren war das Literatur- und Kulturangebot sehr vielfältig, in den achtzigern wurde es auf ideologisch opportune Texte beschränkt, als die Zensur – 1977 vorgeblich abgeschafft – sich in den letzten Jahren der Ceauşescu-Diktatur erheblich verschärfte. Da ein beträchtlicher Teil der Zeitschrift ins deutschsprachige Ausland verschickt wurde, konnten in den siebziger und achtziger Jahren nicht alle Privilegien der späten sechziger Jahre abgeschafft werden. Die „Neue Literatur“ blieb ein Beispiel des Oszillierens zwischen verordneten und versucht eigenständigen Positionen. Die Autoren der Zeitschrift konnten, weil sie schon in Rumänien Ansichten vertreten waren, die mit manchen Meinungsäußerungen des bundesdeutschen oder des DDR-Buchmarktes deckungsgleich waren, leicht Anschluß an den deutschen Literaturbetrieb finden.
Von 1950 bis 1955 wird kein Redaktionskollegium und kein Chefredakteur des „Banater Schrifttums“ genannt, dessen frühe Nummern sich als „Sammlung“ von literarischen Beiträgen aus dem Banat bezeichnen, seit der Nummer 4-5/1951 als „Almanach des Schriftstellerverbandes der RVR [Rumänischen Volksrepublik], Zweigstelle Temesvar“. Bekannt ist, daß Robert Reiter (Pseudonym Franz Liebhard), Andreas A. Lillin und Michael Pfaff die Herausgeber waren. Es überwogen literarische Beiträge von Banater Autoren (Franz Liebhard, Bernhard Thorhoffen = Lillin, Peter Andres = Hans Mokka, Grete Gross = Irene Mokka, Hans Kehrer), aber das in den ersten beiden Nummern geäußerte Ziel, vor allem Banater Schriftstellern die Möglichkeit zu bieten, Beispiele des „neuen Lebens“ zu präsentieren, wurde früh ausgeweitet: aus Bukarest (Heinrich Simonis, Paul Langfelder, Alfred Margul-Sperber, Ewald Ruprecht Korn, Lotte Berg), Siebenbürgen (Werner Bossert, Herta Ligeti) wurden Beiträge publiziert. Modelle lieferten sowjetische Ideologen (Lenin, Stalin, Shdanow), auch Mao, Marx und Engels. Es gibt bis 1953 zahlreiche Stalingedichte, literarische Beiträge über die Oktoberrevolution 1917, Zustimmung zur rumänischen Verfassung 1952 und dergleichen. Thematisch forderte man Werke gegen die „nationale Einheit“, das bedeutete die Homogenität der Deutschen in Rumänien, außerdem Kritik an Tito, Umerziehung aller „Werktätigen“ im Geiste der Marxismus-Leninismus. Mit der Nummer 4-5/1951 gibt es erstmals den Ansatz zu einem Themenheft (es wurden mehrere Lenau gewidmete Beiträge veröffentlicht). Der sozialistische Realismus wurde eingefordert, und wie einfach man sich die mimetische Darstellung einer geschönten neuen gesellschaftlichen Wirklichkeit vorstellte, konnte man einzelnen Beiträgen entnehmen (Thorhoffen: Zum literarischen Schaffen der Gegenwart, Nr. 4-5/1951; István Dimeny: Wie widerspiegeln die literarischen Originalbeiträge des Banater Schrifttums die Vaterlandsliebe der Werktätigen und die Wirklichkeit des Klassenkampfes, Nr. 1/1952).
Andreas A. Lillin, von 1952-1955 Abteilungsleiter des Bukarester Literaturverlags, gab an, seit 1952 das „Banater Schrifttum“ herausgegeben zu haben. Tatsächlich war er von1956 bis 1958 verantwortlicher Redakteur der „Neuen Literatur“ (so wurde das „Banater Schrifttum“ 1956 umbenannt), deren Redaktion 1956 in Temeswar blieb, deren Verwaltung aber im gleichen Jahr schon in Bukarest ansässig war. In der Nummer 7/1957 erschien zum ersten Mal ein Impressum, das Lillin als Chef und Franz Liebhard und Joseph Fuchs als Redaktionsmitglieder auswies. In der Ära Lillin gab es mehrere Veränderungen: es wurden zwei Themenhefte zusammengestellt, ein Goethe- und ein Adolf-Meschendörfer-Heft. Bemerkenswert war, daß der verbissene Ideologe Lillin die bis dahin verfemten „bürgerlichen“ Autoren reaktivierte (Bernhard Capesius, Wolf Aichelburg, Oscar Walter Cisek, Adolf Meschendörfer, Erwin Wittstock, Ernst Maria Flinker, Otto Seidmann, ebenso die Germanisten Hans Weresch, Rudolf Hollinger, Harald Krasser, die alle das deutschsprachige Schrifttum in Rumänien in der Zwischenkriegszeit geprägt hatten und die vor 1945 auch in Deutschland bekannt gewesen waren. Außerdem förderte Lillin Debütanten wie Oskar Pastior, Hans Bergel, Andreas Birkner, Georg Scherg (die letzten drei wurden 1959 Opfer eines ominösen Politprozesses und siedelten nach ihrer Freilassung in die Bundesrepublik aus). Dieser Rückgriff auf Traditionen, der durch die Wiederentdeckung rumänischer Dichter (Alexandrescu, Arghezi, Bacovia) untermauert wurde, die große Zahl der bis dahin als nicht zeitgemäß betrachteten Mitarbeiter führten ebenso wie persönliche Fehden dazu, daß Lillin im Herbst 1958 seines Amtes enthoben wurde.
Nummer 1/1959 stellt das neue Redaktionskollegium vor: Emmerich Stoffel (Chefredakteur), Arnold Hauser (stellv. Chefredakteur), Hans Liebhard, Andreas A. Lillin, Paul Schuster, Alfred Margul-Sperber (Mitglieder). Der Altkommunist Emmerich Stoffel war zuvor in Ministerien und im diplomatischen Dienst tätig gewesen. Er leitete die „Neue Literatur“ von 1959 bis 1984, war aber äußerst selten mit Wortmeldungen in der Zeitschrift vertreten (z. B. Nr. 3-4/1968: Schuster Dutz zum Gedenken, Nr. 1/1978: Ein beispielhaftes Leben/Nicolae Ceauşescu, Nr. 8/1984: Das Leuchten in ihren Augen [zum Nationalfeiertag]). Unter seiner Ägide kann man drei Entwicklungsetappen feststellen, die in Abhängigkeit von den jeweiligen Redaktionsmitgliedern gestaltet wurden:
1959-1970: In dieser Zeit gelang es, die Zeitschrift zu stabilisieren. Wenn bis dahin ein bis zwei, manchmal vier Nummern pro Jahrgang erschienen waren (bis einschließlich 1959), begann man 1960, die „Neue Literatur“ als Zweimonatsschrift herauszugeben. Auch feste Rubriken wurden eingeführt: seit der Nr. 1/1959 gab es die Rubriken: Zeitschriftenschau, Neue Bücher, Kleine Bücherschau, Chronik und Kulturspiegel, die mit wechselnden Inhalten bis in die späten achtziger Jahre beibehalten wurden. Der Anteil der Übersetzungen nahm zu, und fast in jeder Nummer wurden Verdeutschungen aus der zeitgenössischen rumänischen Literatur vorgelegt. Nicht nur in der „Chronik“ nahmen Berichte über Musik und bildende Kunst zu, sondern auch in den einzelnen Zeitschriftenheften: Franz Ferch, Helfried Weiß, die Maler, die Komponisten Norbert Petri, Andreas Porfetye kamen zu Wort, und auch die Zahl der Abdrucke von Theaterstücken nahm beträchtlich zu (Nr. 1/1960 Hans Kehrer: Versunkene Äcker; Nr. 3/1960 Christian Maurer: Die Heiligen von Belleschdorf; Nr. 4/1962 Alfons Kolowrat: Susi, unsere Kuh; Nr. 6/1963; Grete Gross: Ausgehverbot, Patienten; Nr. 6/1965 Kehrer: Großvaters schöne Augen). Man trachtete danach, die beiden produktivsten Literaturregionen, Siebenbürgen und das Banat, gleich aufmerksam wahrzunehmen, und in Nr. 2/1959 erschien erstmals ein Interview mit einem DDR-Autor, mit dem aus Siebenbürgen stammenden Georg Maurer. Die Interviews mit DDR- später auch mit bundesdeutschen Schriftstellern wurden allerdings erst in den siebziger Jahren fester Bestandteil der Zeitschrift. Nach 1960 wurden regelmäßig Aufsätze über und Texte der jeweiligen Nobelpreisträger veröffentlicht (Beginn in Nr.1/1960 mit Salvatore Quasimodo). Dies bot die Gelegenheit, Literatur aus den nichtsozialistischen Staaten zu integrieren. Da man in den sechziger Jahren – wie in der Sowjetunion – keine Rücksicht auf das Copyright nahm, wurden zahlreiche westliche Autoren nach der Liberalisierung der 1964er Jahre nachgedruckt: Maurois (Nr. 4/1962), Hemingway (Nr. 3/1964), Böll (Nr. 2/1964: Hauptstädtisches Journal), Saint-Exupery (Nr. 5/1964: Der kleine Prinz), Alfred Andersch (Nr. 2/1965; Weltreise auf deutsche Art), Romain Rolland (Nr. 3-4/1965). Auch brachte man Textmontagen, die neueste Literaturproduktion (meist Lyrik) aus Lateinamerika (Nr. 1/1962), Polen (Nr. 3-4/1967), der Tschechoslowakei (Nr. 10/1968), der DDR (Nr. 4/1969), der Bundesrepublik (Nr. 6/1969). In vielen Fällen handelte es sich dabei um junge Autoren. Diese wurden auch im eigenen Land gefördert. Seit der Nr. 2/1962 gab es die Rubrik „Erste Versuche“ (ab Nr. 1-2/1967: „Neue Namen“), in der später renommierte Autoren debütierten (Nr. 9-10/1966 Franz Hodjak). Außerdem gab es in dem Jahrzehnt der Rundtischgespräche zwei Mal Begegnungen mit jungen Lyrikern (Nr. 1/1961: NL-Gespräch mit jungen Autoren [Franz Storch, Franz Marschang, Arno Hauser, Oskar Pastior, Hans Schuller]; Nr 4/1964 Junge Lyriker haben das Wort [Oskar Pastior, Christian Maurer, János Szász, Ion Gheorghe, Claus Stephani]). Dabei standen deutsche Autoren einträchtig neben rumänischen und ungarischen, denn mit „junger rumänischer Lyrik“ (Nr. 12/1969) beschäftigte man sich ebenso wie mit „junger (deutscher) Lyrik“ zum Jahr der Landschaft 1 (Nr. 6/1964). Man versuchte, den Literaturbegriff zu erweitern und neben den traditionellen lyrischen, epischen und dramatischen Belegen Kinderliteratur (Nr. 5/1963), Kindergedichte (Nr. 5/1964), humoristische Literatur (mit Beiträgen von Erich Kästner, Heinrich Böll, Bulgakow, Ionesco, Biermann, Nr. 1/1969), Reportagen (ab Nr. 6/1969 die Serie „Einmal zwischen sieben und zehn“) zu berücksichtigen. Man übersetzte aus der rumänischen Literatur (Sonderheft Mihai Eminescu, Nr. 3/1964; ein Arghezi-Schwerpunkt in Nr. 2/1960), aber auch aus der ausländischen Literatur: Taras Schewtschenko, Jewtuschenko, William Saroyan, Guillaume Apollinaire, Endre Ady, Paul Valéry (eine Ausnahme blieb die Übernahme jiddischer Lyrik aus einem Auswahlband des Reclam-Verlags Leizpig). Zu den veröffentlichten Texten gesellten sich immer häufiger literarhistorische und literaturkritische Untersuchungen zur deutschen Regionalliteratur in Rumänien, zur rumänischen und zur internationalen Literatur. In den Rundtischgesprächen ging es um die Rolle der Literaturkritik (Nr. 1-2/1968 mit Viktor Theiß, Heinz Stănescu, Emmerich Reichrath, Hans Mokka, Franz Liebhard); um „die Neubewertung des deutschsprachigen literarischen Erbes in unserem Vaterland“ (Nr. 3-4/1966). Daß die Zensur auch literarische Textmontagen zum IX. Parteitag der KPR (Nr. 4/1965), zum Nationalfeiertag am 23. August (Nr. 7-8/1966; Nr. 8/1969), zum 50. Jahrestag der „Großen Vereinigung“ (Nr. 12/1968), zu den Märzwahlen (Nr. 2/1969), zum X. Parteitag der RKP (Nr. 7/1969), zu Lenin (Nr. 4/1970) veranlaßte, zu denen die meisten Mitarbeiter der Zeitschrift Beiträge beisteuerten, gehörte zu den unvermeidlichen literaturpolitischen Widersprüchen der Zeit.
1970 bis 1977: Seit 1968 hatte die Zeitschrift auf einen Monatsrhythmus umgestellt und den Umfang einer Nummer auf 120 Seiten erhöht. Die zuvor begonnene Stabilisierung wurde weitergeführt. 1970 und 1971 hatte es jedoch Veränderungen in der Redaktion gegeben, nachdem Dieter Schlesak und Paul Schuster Rumänien verlassen hatten und die neuen Redakteure (Claus Stephani, Anemone Latzina, Gerhard Csejka) nach ihrem Universitätsstudium die Gesamtverantwortung übernahmen. Da diese meist germanistisch ausgebildeten Redakteure mit dem Strukturalismus, der neuen Subjektivität, mit der DDR- ebenso wie der bundesdeutschen Literatur bestens vertraut waren, wurde die Vielfalt des literarischen Angebots erhöht. Die neuen Mitarbeiter ersetzten nach und nach die literarischen Autodidakten und trugen dazu bei, daß Literaturkritik und -geschichte einen zunehmend größeren Stellenwert in der Zeitschrift einnahmen. Zahlreiche Impulse kamen aus den Universitätsstädten Klausenburg (Franz Hodjak, Peter Motzan, Bernd Kolf, Werner Söllner, Stefan Sienerth), Temeswar (die sog. Aktionsgruppe Banat: Richard Wagner, Johann Lippet, Werner Kremm, Anton Sterbling, Ernest Wichner, außerdem von Herta Müller, Horst Samson), Bukarest und Jassy. Es begannen die Vorabdrucke von Staatsexamens- und Promotionsarbeiten (ab 1973 Peter Motzans Beiträge zur rumäniendeutschen Lyrik nach 1945, ebenfalls 1973 Bernd Kolfs Arbeit über die Dramatik Tiecks, 1975 Söllners Untersuchung zur Lyrik Celans). Die bestehenden Rubriken wurden ausgebaut (Kleine Bücherschau, Chronik) oder fortgeführt (Neue Namen). Neu waren die von Csejka begonnenen Interviews mit bekannten DDR-Autoren (Nr. 1 und 7/1973 Volker Braun, Nr. 8/1973 Wulf Kirsten), die von Bernd Kolf fortgesetzt wurden (Nr. 4/1975 Reiner Kunze; Nr. 6/Rainer Kirsch; Nr. 7/1975 Adolf Endler; Nr. 9/1975 Sarah Kirsch; Nr. 6/1976 Bernd Jentsch). Die Interviewten steuerten Beiträge – oft mit Rumänienbezug – bei, und der unmittelbare Kontakt zum DDR-Literaturbetrieb führte auch dazu, daß umgehend Neuerscheinungen aus der DDR in Rumänien präsentiert wurden (Nr. 8/1972 Hermann Kants „Impressum“, Nr. 10/1972 Plenzdorf „Die neuen Leiden des jungen W.“, Nr. 7/1973 Christa Wolfs „Selbstversuch“). Diese unmittelbare Rezeption unterschied sich von den Kontakten zur bundesdeutscher Literaturszene: Celan wurde erst 1970, Günter Eich und Peter Handke, Karl Krolow wurden 1973 eingehender präsentiert, Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ 1974 abgedruckt. Während Bühnenwerke selten erschienen (Nr.7/1974 Hans Kehrer: Heidestadt) nahm die Lyrik beträchtlich zu, wobei außer der jungen Dichtergeneration Rumäniens (Schwerpunkte mit Beiträgen der Banater Aktionsgruppe: Nr. 11/1972, Nr. 7/1973 und 4/1974) auch die internationale Poesie nach 1974 mit zahlreichen Beiträgen vertreten ist. Die Vielfalt des Angebots aus der rumänischen Literatur nahm zu (oft übersetzten die Redakteure Csejka und Latzina die Texte), ebenso wurde die internationale Literatur regelmäßig vorgestellt: US-Autor Frank O’Hara, die „San Francisco Poets“, indische, slowenische, makedonische, polnische, holländische, japanische Lyriker wurden 1973-1974 von Anemone Latzina (meist aus dem Englischen) übertragen. Auch den ungarischen Autoren Rumäniens wurde jetzt mehr Aufmerksamkeit geschenkt (Nr. 9/1972). Das Interesse an unterschiedlichen literarischen Genres war weiterhin vorhanden (Nr. 12/1971 Sonderheft über Kriminalerzählungen: Conan Doyle, Dürrenmatt, Brecht; Nr. 3/1977 Reportagen über das Erdbeben in Rumänien). Eine Reportagenserie, von Claus Stephani angeregt (Stationen 77), brachte in jeder Nummer des Jahrgangs zahlreiche Beiträge. Der Heimatbezug sollte dadurch kurz vor dem Exodus gestärkt werden. Die (deutsche Regionalliteratur Rumäniens wurde in historischen Rückblicken und in literaturkritischen Beiträgen gesichtet, und die rumänischen Partei- und Nationalfeiertage überließ man jetzt meist rumänischsprachigen Autoren, deren Texte man ins Deutsche übertrug.
1978-1984: Die Redaktionsmitarbeiter hatten in diesem Abschnitt mit den Folgen der Aussiedlung aus Rumänien zu kämpfen, die aufgrund einer Absprache zwischen Helmut Schmidt und Nicolae Ceauşescu erheblich zunahm (12.000 bis 16.000 Rumäniendeutsche pro Jahr). Diejenigen, die Ausreiseanträge gestellt hatten, verschwanden aus der Zeitschrift, die anderen veröffentlichten weiter, während die Zensur strenger, die Sparmaßnahmen drastischer wurden. Der Umfang der Zeitschrift wurde ab 1982 reduziert. Die Möglichkeit, ausländische – vor allem westliche – Literatur abzudrucken, entsprach nicht mehr den Feizügigkeiten der siebziger Jahre. Wie überall im Land nahmen die Willfährigkeitsbekundungen für den Staatschef zu; dessen Personenkult verschonte auch die „Neue Literatur“ nicht. Die Zahl der Autoren, die nach ihrem Debüt weitermachten, nahm ab. Deshalb hieß die Rubrik fortab „Junge Autoren“ (statt: Neue Namen) und konnte jetzt die Eintagsfliegen ebenso berücksichtigen oder den gleichen Autor mehrmals abdrucken. Die Reportagenserie „Stationen 77“ wurde durch „Stationen 78“ weitergeführt. Die Bedeutung der Rückblicke nahm zu, was sich nicht nur in zahlreichen Aufsätzen zu früheren deutschen Autoren Rumäniens äußerte sondern vor allem durch die einzige Rubrik, die sich bis nach der Wende behauptete, die von Stephani initiierte Rubrik „Manuscriptum“ (von Nr. 1/1078 bis Nr. 5-6/1991). Zahlreiche Neuentdeckungen von literarischen Texten und von Dokumenten zu einzelnen Autoren wurden dadurch vor dem Vergessen gerettet. Nachdrucke aus der Bundesrepublik erschienen regelmäßig, die Übersetzungen aus dem Rumänischen nahmen – auf Anordnung – zu, westliche Autoren erschienen immer seltener.
Nach 1984: Arnold Hauser wurde Chefredakteur und blieb es bis zu seinem Tod im Jahre 1988. Bis zur Wende blieb Claus Stephani stellvertretender Redakteur. In den Jahren bis 1990 ging es ums Überleben der Schriftsteller, die noch in Rumänien geblieben waren. Es ist deren Verdienst, daß man die Traditionen fortzusetzen versuchte: Nr. 8/1985 war ein Themenheft über Science Fiction, die Rubrik „Junge Autoren“ wurde, wenn auch mit Unterbrechungen, weitergeführt, auch die Bemühungen um besondere Literaturgenres gingen weiter (Nr. 12/1985 Horst Schuller-Anger über Mundartliteratur in Siebenbürgen). Neben den jüngeren Autoren tauchen wieder opportunistische Autoren aus den fünfziger und sechziger Jahren häufiger auf (Hans Mokka, Hans Schuller).
Von 1990-1991: Trotz des anhaltenden Exodus der deutschen Bevölkerung versuchten die Redakteure, die Zeitschrift weiterzuführen. Dies gelang 1990-1991, als Einzelnummern mit einem Umfang von knapp 200 Seiten erschienen, allerdings in unregelmäßiger Folge und herausgegeben von einem Redaktionsstab, aus dem nur bei der Nr. 5-6/1991 Helmut Britz als Herausgeber herausgehoben wurde. Man beachtete jetzt die ungarn- und sowjetdeutsche Literatur, das Schrifttum der aus Rumänien ausgesiedelten Schriftsteller, man publizierte literaturgeschichtliche Beiträge aus der Bundesrepublik und versuchte die deutsche Regionalliteratur des Landes als „Brückenkopf zur rumänischen Literatur zu etablieren.
1992-1999: Gerhard Csejka, der in Frankfurt/M. lebte, gab seit 1992 die Zeitschrift mit dem Titel „Neue Literatur. Zeitschrift für Querverbindungen“ mit Unterstützung der Gesellschaft zur Förderung der deutschen Literatur in Rumänien heraus. Mit dem ursprünglichen Periodikum hatte diese Publikation nur zum Teil zu tun. Sie veröffentlichte im Westen lebende Autoren, von denen manche (Gerhard Ortinau, Herta Müller, Richard Wagner) aus Rumänien stammten, setzte Themenschwerpunkte (serbische, slowakische, bulgarische, russische Autoren aus der Ukraine und aus Russland, albanische Lyriker, Lyrik und Prosa aus Bosnien-Herzegowina) und beachtete „Rumäniens Literatur im Orientexpreß“ (Nr. 1/1998). Selten vertreten waren die in Rumänien lebenden deutschsprachigen Autoren, und daß namhafte Schriftsteller (Dalos, Enzensberger) zu den Beiträgern gehörten, änderte daran nichts, daß diese „Neue Literatur“ mit dem Literaturleben Rumäniens kaum etwas zu tun hatte. Die letzten acht Jahre der Zeitschrift waren ein Aufbruch in eine europäische Literatur, für die in Ost- und Südosteuropa die Voraussetzungen trotz der Wende nicht gegeben waren.
Die Zeitschrift „Neue Literatur“ hat, wie dies die unvollständigen Aufzählungen zeigten, ein in sich differenziertes, vielfältiges Literaturleben in deutscher Sprache in Rumänien widerspiegelt, dessen Schwierigkeiten im Umgang mit Zensur und politischer Knebelung sowie dessen Verbindungen zu den landeseigenen Kulturen der Rumänen, Ungarn, Juden, Serben usw. Aus dieser Vielfalt nahm die deutschsprachige Regionalliteratur Rumäniens ihre Impulse, daraus ergab sich in den sechziger und siebziger Jahren deren Vitalität, die allerdings in den achtziger Jahren einen Abgesang nicht verhindern konnten, der von der jüngeren Autorengeneration im bundesdeutschen Literaturbetrieb weiter angestimmt wird, nachdem die rumänische Diktatur ebenso wie andere europäische Diktaturen längst verschwunden sind.
Lit.: Popa, Marian, Dicţionar de literatură română contemporană (Wörterbuch der zeitgenössischen rumänischen Literatur), Bucureşti: Albatros 1971, 408-411. – 25 Jahre Neue Literatur, in: Neue Literatur, 25 (1974), Nr. 12. – die zeit in der zeitung. beiträge zur rumäniendeutschen politischen publizistik, hrsg. von Eduard Eisenburg und Michael Kroner, Cluj-Napoca: Dacia 1977. – Hangiu, Ion, Dicţionar al presei literare româneşti (1790-1982), Bucureşti 1996, S. 305. – Motzan, Peter, Sieben schillernde Jahre. Rumäniendeutsche Lyrik in der Zeitschrift „Neue Literatur“, Bukarest (1965-1971), in: Methodologische und literarhistorische Studien zur deutschen Literatur Ostmittel- und Südosteuropas, hrsg. von Anton Schwob, München 1994 (Südostdt. Kulturwerk, Reihe: B, 67), S. 175-194. – Sienerth, Stefan: “Denn man bekommt davon eine gewaltige Begeisterung, eine Freude zum Weiterschaffen“. Autorenbriefe und Texte an die Redaktion der „Neuen Literatur“, Bukarest, in: Südostdeutsche Vierteljahresblätter, 1997/1, S. 36-48.
Bild: Die schwarze Kirche (Biserica Neagră) in Brașov/ Kronstadt als ein repräsentatives Wahrzeichen der deutschen Gemeinde in Rumänien / Quelle: By Angelbo at English Wikipedia, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2354562
Horst Fassel (OGT 2006, 252)