Ereignis vom 1. Januar 1947

Ende der Hohenzollern-Dynastie und der Monarchie in Rumänien

Burg Hohenzollern bei Hechingen

Den wenigsten Deutschen ist bekannt, dass die schwäbische Sigmaringen Linie der Hohenzollern den rumänischen Königs-thron innehatte und das deutsche Kaiserreich der Hohenzollern um fast 40 Jahre überlebt hat. Mehr noch, als Kaiser Wilhelm II. im Jahre 1918 zur Abdankung gezwungen wurde, feierte der rumänische König Ferdinand I. von Hohenzollern-Sigmaringen den größten Triumph der rumänischen Geschichte, konnte sein Gebiet beträchtlich erweitern und den großrumänischen Traum verwirklichen. Ferdinands Enkel, König Michael I., vermochte sich als Monarch sogar hinter dem ”Eisernen Vorhang”, mit der höchsten sowjetischen Auszeichnung bedacht, bis 1947 im mittlerweile sowjetisierten und kommunistischen Rumänien auf dem Thron zu halten.

Seit König Michaels erzwungener Abdankung sind 50 Jahre vergangen, was uns veranlasst, an das Ende der Hohenzollern in Rumänien zu erinnern. Es endete damit ein Kapitel rumänischer Geschichte, das 1866 mit Karl I. von Hohenzollern-Sigmaringen begonnen hatte. Der deutsche Prinz war durch Volksbegehren zum rumänischen Fürsten gewählt worden, nachdem sein Vorgänger Alexandru Ioan Cuza, unter dem die Walachei und Moldau vereinigt worden waren, nach einem Komplott zurückgetreten war und das Land hatte verlassen müssen. Man entschied sich in Rumänien, wie auch in anderen Balkanländern, die sich im 19. Jahrhundert von der Türkenherrschaft befreiten, für einen fremden Fürsten aus einer angesehenen europäischen Dynastie, weil man den Thronstreitigkeiten der einheimischen Fürstengeschlechter ein Ende setzen und gleichzeitig das internationale Ansehen des Landes heben wollte.

Prinz Karl war 27 Jahre alt und Leutnant der preußischen Armee beim 2. Gardedragonerregiment in Berlin, als ihn die Nachricht von der Wahl zum Fürsten Rumäniens erreichte. Als Karl I. (1866-1914) leistete er am 10. Mai 1866 den Eid vor dem rumänischen Parlament in Bukarest. Er gilt als der Schöpfer des modernen Rumänien, und es war ihm die längste Herrschaft in der Geschichte des Landes beschieden. Im Jahre 1877/78 errang Rumänien nach jahrhundertelanger türkischer Oberhoheit seine Unabhängigkeit und wurde 1881 zum König-reich erhoben. In den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts begann die Industrialisierung des Landes, vor allem die Erdölförderung mit fremdem Kapital. Für die Entwicklung der nationalen Kultur wurde in verschiedenen Bereichen der institutionelle Rahmen geschaffen.

Karl I. war verheiratet mit der deutschen Prinzessin Elisabeth zu Wied. Unter dem Pseudonym Carmen Sylva ist die rumänische Königin als eine nicht unbedeutende, äußerst produktive Dichterin bekannt. Da das einzige Kind ihrer Ehe, eine Tochter, im Alter von drei Jahren an Scharlach starb, wurde ein Neffe des Königs, Prinz Ferdinand, zum Thronfolger bestimmt.

Das deutsche Königspaar auf dem rumänischen Thron war ihrem Wahlvaterland in Treue verbunden und hat alles vermieden, was die Verwurzelung im Lande hätte in Frage stellen können. In ihrem Herzen blieben beide aber Deutsche und hatten oft Heimweh. Sie waren immer froh, wenn sie Urlaubstage in Deutschland verbringen konnten.

Karl I. hatte 1883 einen Beistandsvertrag mit dem Dreibund geschlossen und war aufs tiefste enttäuscht, als 1914 die rumänische Regierung im soeben ausgebrochenen Weltkrieg die Neutralität des Landes erklärte. Sein Nachfolger Ferdinand I. (1914-1927), mit weniger Durchsetzungsvermögen auf der politischen Bühne begabt, fühlte sich zudem weniger deutsch-dynastisch gebunden, wobei er sehr stark unter dem Einfluss seiner anglophilen Ehefrau Maria stand. Sie war die Tochter des Prinzen Alfred von Edinburgh, des zweiten Sohnes der englischen Königin Victoria, und der Zarentochter Maria Alexandrowa. Ferdinand stimmte 1916 dem Kriegseintritt Rumäniens an Seite der Entente zu. Obwohl das rumänische Heer geschlagen, die Walachei samt der Hauptstadt Bukarest von deutschen und österreichischen Truppen be¬setzt wurde, der Königshof mit der Regierung nach Jassy floh und einen ernie-dri¬genden Sepa¬ratfrieden mit den Mittelmächten abschließen mußte, gehörte Rumänien als Bündnispartner der Entente doch zu den glücklichen ”Siegern” des Ersten Weltkrieges. Es konn¬te sein Gebiet durch den An¬schluß von Siebenbürgen, des Banats, der Bukowina und Bessarabiens mehr als verdoppeln. Ferdinand ließ sich als König von Großrumänien krönen.

Ferdinands Sohn Karl, der Thronfolger, sorgte durch Affären mit Frauen für Schlagzeilen. Derentwegen verzichtete er drei-mal auf die Krone. Von seiner Frau, der griechischen Prinzessin Helene, die er 1921 geheiratet hatte, trennte er sich bald und lebte ab 1925 mit seiner Mätresse Elena Lupescu im Ausland. Als Ferdinand 1927 starb, wurde Michael, der minderjährige Sohn Karls, zum Thronfolger ernannt. Im Jahre 1930 landete Karl jedoch nach einem abenteuerlichen Flug in Bukarest und beanspruchte den Thron. Als Karl II. regierte er bis 1940. Es war dies eine sehr bewegte Zeit, in der Rumänien im Innern unter den Druck der rechtsextremen ”Eisernen Garde” geriet und außenpolitisch sich mit revisionistischen Forderungen der Nachbarstaaten konfrontiert sah. Der Status quo konnte so lange gehalten werden, als die Garantiemächte Rumäniens – Frankreich und England – ihre Schutzfunktion wahrzunehmen in der Lage waren. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und nach den Anfangserfolgen Deutschlands war Rumänien plötzlich außenpolitisch so isoliert, daß es sich den Diktaten Deutschlands und Italiens und einem Ultimatum der Sowjetunion beugen und Nordsiebenbürgen an Ungarn, Bessarabien und die Nordbukowina an die UdSSR und die Süddobrudscha an Bulgarien abtreten musste. Diese territoriale Verstümmelung Großrumäniens führte zu einer Staatskrise, die Karl II. zwar nicht allein zu verantworten hatte, der er aber zum Opfer fiel und den Thron räumen musste. Fluchtartig verließ er mit seiner Mätresse Lupescu, der meistgehaßten Frau Rumäniens, das Land. Das Kesseltreiben gegen die sonst charmante und intelligente Frau wurde insonderheit von der auf Antisemitismus eingestimmten und Deutschland nahestehenden ”Eisernen Garde” veranstaltet, da Elena Lupescu Jüdin war sowie in allerlei fragwürdigen Geschäften und in der Politik die Hand im Spiel hatte. Während Karls Herrschaft hatte sich Rumänien wirtschaftlich zwar entwickelt, die Hofkamarilla dabei aber das große Geschäft gemacht, wobei Korruptions-affären sowie die zügellosen Ausschweifungen Karl II. immer wieder für Schlagzeilen sorgten und den König kompromittierten.

Den Thron bestieg 1940 im Alter von 18 Jahren Michael I. Die Staatsführung lag aber bei dem autoritären General und späte-ren Marschall Ion Antonescu, der als Verbündeter Deutsch-lands am, wie die Rumänen ihn nannten, ”Heiligen Krieg” gegen die Sowjetunion teilnahm, um Bessarabien und die Nordbukowina zu befreien. Zwischen dem Königshof und dem ”Conducator” (Führer) Antonescu gab es Spannungen, da der Marschall den jungen Monarchen und die Königin-Mutter Helene herablassend behandelte.

Die erste und letzte effektive politische Handlung des Königs erfolgte am 23. August 1944, als er Antonescu und dessen Regierung verhaften ließ, mit den Alliierten einen Waffenstillstand abschloss und Deutschland den Krieg erklärte. Das bewirk¬te für das deutsche Heer an der Südostfront ein zweites Stalingrad und den Zusammenbruch der Balkanfront.

Für Rumänien erbrachte der erwähnte Putsch nicht die erhoffte Befreiung, sondern leitete die Sowjetisierung und kommunistische Machtergreifung ein. König Michael konnte sich zwar noch mehr als drei Jahre auf dem Thron halten, besaß aber keine reale Macht. Als er sich Ende Februar 1945 gegenüber der ultimativen Forderung des stellvertretenden sowjetischen Außenministers Wyschinski weigerte, mit der Regierungsbildung den kommunistenfreundlichen Dr. Petru Groza zu beauftragen und sich dabei auf das Jaltaer Abkommen berief, das die Einsetzung von demokratischen Regierungen und Wahlen gefordert hatte, entgegnete ihm der Abgesandte Stalins in scharfem Ton: ”Jalta, das bin ich!” und er verließ ”verärgert”, die Türe zuschlagend, den Raum.

Gegen die am 6. März 1945 eingesetzte Regierung unter Groza versuchte Michael I. vergeblich zu ”streiken”. Er musste schließlich feststellen, daß die westlichen Alliierten Rumänien zugunsten der Sowjets aufgegeben hatten. Die gefälschten Parlamentswahlen von 1946 brachten dem kommunistischen Wahlblock rund 80 Prozent der Stimmen. Es folgte nach stalinistischer Manier das große politische Aufräumen. Die letzten bürgerlichen Alibivertreter in der Regierung wurden entlassen, die bürgerlichen Parteien verboten, ihre Führer und namhafte Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur verhaftet und in Schauprozessen zu hohen Kerkerstrafen verurteilt. Der König stand auf einsamem Posten und akzeptierte am 30. Dezember 1947 den ihm abgerungenen Thronverzicht. Rumänien wurde Volksrepublik.

Seither lebt der Ex-König im Exil, zur Zeit in der Schweiz. Er hat sich während der kommunistischen Diktatur gelegentlich in der Öffentlichkeit zu Worte gemeldet und auf die Zustände in Rumänien hingewiesen. Nach der Wende von 1989 bildete sich in Rumänien eine nicht zu übersehende monarchistische Bewegung, die für die Rückkehr des Königs kämpft. Die neuen postkommunistischen Machthaber haben wiederholte Male eine Besuchsreise des Monarchen vereitelt. Ebenso lehnen sie ein Referendum über die Restauration der Monarchie ab. Als Ex-König Michael dennoch zu Ostern 1992 auf Einladung des orthodoxen Bischofs der Moldau Rumänien besuchte, jubelten ihm überall Menschen zu, in Bukarest etwa 100.000. In dem Monarchen sehen seine Anhänger den Erretter aus dem politischen Chaos und der wirtschaftlichen Misere, eine Vertrauens-person für den Westen, auf dessen Aufbauhilfe das Land angewiesen ist, im Gegensatz zu der aus der Nomenklatura hervorgegangenen postkommunistischen Staatsführung, der man eine radikale Reformpolitik nicht zutraut. In den letzten Jahren ist in Rumänien eine Reihe von Büchern erschienen, die sich darum bemühen, die Bedeutung der Monarchie ins rechte Licht zu stellen.

Lit.: Walter Bernhardt, Rudolf Seigel: Bibliographie der Hohenzollerngeschichte. Sigmaringen 1975, S. 468-471 (hier die wichtigsten, bis 1975 erschienenen Arbeiten über die Hohenzollern Rumäniens). – (Mite Kremnitz): Aus dem Leben des Königs Karl von Rumänien. 4 Bde., Stuttgart 1894-1900. – Karl Peters: Carmen Sylva als lyrische Dichterin (Inauguraldissertation), Marburg (Lahn) 1925. – Michael Kroner: Carmen Sylva * Königin und Dichterin. 150 Jahre seit ihrer Geburt. In: Südostdeutsche Vierteljahresblätter. München, 42. Jg., Folge 4, 1993, S. 331-340. – Eugen Wolbe: Ferdinand I. der Begründer Großrumäniens. Locarno, Leipzig 1938. – Joachim von Kürenberg: Carol II. und Madame Lupescu. Bonn 1952. – Michael Kroner: Der letzte Hohenzollern-König, 40 Jahre seit der Abdankung Michael I. von Rumänien. In: Südosteuropa-Mitteilungen, 27. Jg., Nr. 2, 1987, S. 128-134. – Mircea Ciobanu: Convorbiri cu Mihai I. al Romaniei * Noi convorbiri… (Gespräche mit Michael I. von Rumänien * Neue Gespräche mit…). 2 Bde., Bukarest 1992. – România şi monarhia. Puncte de vedere [Rumänien und die Monarchie. Standpunkte], in: Lumea. Supliment [Die Welt. Beilage]. Bukarest, Mai 1996.

Bild: Burg Hohenzollern bei Hechingen / Quelle: Von A. Kniesel (= User:-donald-), Lauffen – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1387383

Michael Kroner