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Der Name Pommern wird zum ersten Male in einer niederbayerischen Quelle verwandt. Die Annalen des auf einer Donauinsel unterhalb der Isarmündung gelegenen Benediktinerklosters Altaha erwähnen den Pommernnamen zum Jahre 1046. Die Annales Altahenses maiores – auch als Niederalteicher Annalen, so benannt nach dem vom Kloster Altaha angelegten Ort, bekannt – sind zwar erst nach 1050 entstanden, dennoch für 1046 als glaubwürdig anzusehen. Sie berichten, daß der Pommernherzog (dux „Bomeraniorum“) Zemuzil im Juni 1046 nach Merseburg kam und König Heinrich III. unter Überbringung geziemender Geschenke seine Aufwartung machte. Gleiches taten Herzog Kasimir I. von Polen und Herzog Bretislav I. von Böhmen, die ebenfalls in Merseburg erschienen waren. Die drei slavischen Herzöge begleiteten König Heinrich III. auf seiner Reise nach Meißen, wo dieser Ende Juni 1046 die unter den Herzögen herrschenden Streitigkeiten beendete.
Der Name der Pomoranen leitet sich vom slavischen Pomorjane ab, das „die am Meer Wohnenden“ heißt. Der Pommernname ist wahrscheinlich einige Jahrzehnte vor seiner ersten überlieferten schriftlichen Fixierung entstanden, und zwar im Zusammenhang mit dem Aufkommen des Namens Polen, der am Anfang des 11. Jahrhunderts von den Quedlinburger Annalen und Thietmar von Merseburg erstmalig verwendet wird. Der Name der Polen hat die Bedeutung „Feldbewohner“.
Die naheliegende Frage nach dem Siedlungsgebiet der Pomerani beantworten die Niederalteicher Annalen nicht. Man kann jedoch im großen und ganzen die Grenzen des von den Pomoranen bewohnten Raumes für das 11. Jahrhundert angeben. Im Westen bildeten die Oder, das Stettiner Haff und die Dievenow die Grenzlinie zu den Lutizen und zu Jumme, dem großen Handelsplatz an der Stelle des späteren Wollin, der 1043 von König Magnus dem Guten von Dänemark erobert wurde. Im Süden trennten der Unterlauf der Warthe, die Netze und die Sümpfe zwischen diesem Fluß und dem Weichselknie die Pomoranen von den Polen. Die östliche Begrenzung des pomoranischen Siedlungsgebietes stellte die Weichsel dar, östlich derer die Prußen zu Hause waren. Allerdings gab es verschiedene prußische Ortschaften auch westlich der Weichsel. Wie weit sich die Herrschaft Herzog Zemuzils im pomoranischen Siedlungsraum erstreckte, ist nicht gesagt. Zemuzil selber wird nur dieses eine Mal genannt. Ob er ein Vorfahr Herzog Wartislaws I., des ein Dreivierteljahrhundert später regierenden und als Stammvater des Greifengeschlechts angesehenen Pommernherrschers, ist, ist nicht geklärt.
Eindeutig ist jedoch die Aussage der Niederalteicher Annalen, die überhaupt eine der wichtigsten Quellen für die Zeit Kaiser Heinrichs III. ist, über die Gleichrangigkeit des Pommernherzogs mit dem Herzog von Polen und auch mit dem Herzog von Böhmen: zwischen den drei Fürsten wird nicht der geringste Unterschied gemacht. Alle drei Slavenherrscher standen bzw. stellten sich 1046 in eine politische Abhängigkeit vom deutschen König. Für die Pomoranen war die unmittelbare politische Beziehung zum zwar mächtigen, aber doch entfernten Deutschen Reich auf jeden Fall besser als der Zustand um die Jahrtausendwende, als sie unter der Oberhoheit des benachbarten Herzogs von Polen gestanden hatten und ihr Bistum Kolberg der Erzdiözese Gnesen zugeordnet worden war.
Das Deutsche Reich hatte in den 1 1/3 Jahrhunderten seines Bestehens bis zum Jahre 1046 sein Ansehen und seine Macht erheblich gesteigert. Der Träger der deutschen Königskrone gebot seit Otto dem Großen über das Königreich Italien und seit 1033 auch über das Königreich Burgund, war seit 962 römischer Kaiser bzw. hatte den Anspruch auf die Kaiserwürde. So trat auch König Heinrich III. bereits im ersten Herrschaftsjahr als „König der Römer“ auf, hielt im Dezember 1046 seine berühmte Synode von Sutri ab und ließ sich und seine Gemahlin am Weihnachtsfest jenes Jahres zum Kaiser krönen. Die Begründung eines Abhängigkeitsverhältnisses zu diesem mächtigsten abendländischen Herrscher seiner Zeit im Jahre 1046 – kurz vor dessen triumphalem Romzug – brachte dem Herzog der in diesem Jahr zum ersten Male erwähnten Pomoranen wahrscheinlich einen besseren Schutz seiner Herr-
schaft gegen die Polen, als ihn ein unflexibles Verharren in der Unabhängigkeit geboten hätte, und wies Pommern damit den Weg, den es durch die kommenden Jahrhunderte gehen sollte.
Lit.: Gerhard Renn: Die Bedeutung des Namens „Pommern“ und die Bezeichnungen für das heutige Pommern in der Geschichte. Greifswald 1937, S. 10-14. – Adolf Hofmeister: Genealogische Untersuchungen zur Geschichte des pommerschen Herzogshauses. Greifswald 1938, S. 8 f., 11 f., 19 u. 21. – Jürgen Petersohn: Der südliche Ostseeraum im kirchlich-politischen Kräftespiel des Reichs, Polens und Dänemarks vom 10. bis 13. Jahrhundert. Köln/Wien 1979, S. 41-45. – Wilhelm Reinhold Brauer: Baltisch-prussische Siedlungen westlich der Weichsel. Münster 1988.
Bild: Pommern im 17. Jahrhundert, aus dem Atlas Blaeu (1662) / Quelle: Von Eilhard Lubin – Willem & Joan Blaeu, Atlas Blaeu (later Atlas Maior), 1662, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=327212
Dietmar Lucht