Ereignis vom 1. Januar 1235

Erste schriftlich Erwähnung von Kronstadt

Illustration der ummauerten Stadt Kronstadt vor dem Brand von 1689

Das Jahr 2010 stand im Zeichen der 775-Jahrfeier seit der ersten bekannten urkundlichen Erwähnung von Kronstadt als „Corona“ im Jahre 1235. Den Auftakt zu diesem Jubiläum bildete das von den Organisten Eckart Schlandt und Steffen Schlandt gestaltete Konzert zur Jahreswende am 31. Dezember 2009 in der Schwarzen Kirche, wobei Stadtpfarrer Christian Plajer zu historischen Daten aus der Kronstädter Geschichte sprach. Das Bürgermeisteramt und die Kreiskulturdirektion wid­meten diesem Jubiläum lobenswerterweise ebenfalls verschiedene Veranstaltungen.

Eine erste uns bekannte Jubläumsaktion wurde im Jahre 1971 vom Kronstädter Kreismuseum gestartet, um das 700-jährige Bestehen von Kronstadt auf Grund einer Urkunde von 1271 zu feiern. Da aber von mehreren Fachleuten nachgewiesen werden konnte, dass die Urkunde sich nicht auf Kronstadt, sondern auf das Burzenland bezog, verzichteten die Behörden auf das Jubiläum.

Eine neue Initiative für ein Stadtjubiläum von Kronstadt gab es im Jahre 1985. 750 Jahre waren seit der ersten urkundlichen Erwähnung von 1235 vergangen. Diesmal erschien den Behörden die Feier jedoch als unangebracht, da sich diese Erwähnung auf die Sachsen bezog und nicht auf die Rumänen oder die Daken, wie bei den Jubiläen von Klausenburg, Karlsburg oder Turnu Severin. Dennoch versuchten die Kronstädter sächsischen Historiker Dr. Maja Philippi und Gernot Nussbächer mit mehreren Artikeln in der deutschsprachigen Lokalpresse, dieses Jubiläum in das Bewußtsein der Leserschaft zu bringen. Den Auftakt dazu hatte schon im Jahre 1984 der stattliche Band Beiträge zur Geschichte von Kronstadt in Siebenbürgen gemacht, herausgegeben als Band 17 des Siebenbürgischen Archivs von Dr. Paul Philippi, der damals aber nur wenigen Kronstädtern bekannt und zugänglich war.

Die erste heute bekannte schriftliche Erwähnung von Kronstadt aus dem Jahre 1235 lautet: „Claustra sororum … In Hungaria / assignata est paternitas / dyocesis cumanie: Corona. Dyocesis ultra silvane: Villa Hermanni.“ Übersetzt heißt dies: „Schwesternklöster … In Ungarn ist zugeschrieben die Vaterschaft (solcher Klöster) im Bistum Kumanien: Corona. Im Bistum Siebenbürgen: Hermannsdorf (heute Hermannstadt). Dieses Zitat stammt aus dem Catalogus Ninivensis, einem Verzeichnis der Klöster des Prämonstratenserordens vom Anfang des 13. Jahrhunderts, das im Kloster Ninove bei Mecheln in Belgien gefunden wurde. Es ist jedoch nur in einer Abschrift des Bruders Marcus Annaert aus dem Jahre 1498 – dem Geburtsjahr von Honterus – erhalten geblieben, die sich heute im erzbischöflichen Archiv in Mecheln befindet.

Der Catalogus Ninivensis wurde breiteren Kreisen erst bekannt, als am Jahre 1949 P. Norbert Backmund mit der Veröffentlichung seines Werkes Monasticon Praemonstatense (Die Klöster des Prämonstratenserordens) begann, in dessen drittem Band im Jahre 1956 dann auch der volle Wortlaut des Catalogus Ninivensis veröffentlicht wurde.

Die Prämonstratenser sind ein Orden regulierter Chorherren, der im Jahre 1120 vom hl. Norbert von Xanten gestiftet wurde. Eine dem Stifter vom Himmel gezeigte Wiese im Walde („pratum monstratum“) in der Nähe von Reims in Frankreich war der erste Versammlungsort des Ordens, der 1121 dort auch das erste Kloster errichtete, das den französischen Namen Prémontré erhielt. Der Orden wuchs sehr schnell und so erklärt sich auch, dass er nach einem Jahrhundert auch in den südöstlichsten Gebieten des katholischen Abendlandes – in Siebenbürgen – seine Niederlassungen, auch Schwesternkonvente hatte.

In der ungarischen Forschung erschien auf Grund des Werkes von Backmund erstmals im Jahre 1957 – im Kunstgeschichtlichen Anzeiger – ein Hinweis auf die erste Erwähnung von Corona im Jahre 1234, der von dem verdienstvollen Geo­gra­phie­historiker György Györffy in seinem großen Werk über die Geschichtliche Geographie Ungarns in der Arpadenzeit im Jahre 1963 aufgegriffen wurde. So gelangte dieser Hinweis auch zur Kenntnis der siebenbürgischen Forscher. Der Kron­städter Geographiehistoriker Dr. Paul Binder (1935-1995) war der erste, der darüber im Jahre 1964 eine umfassende Arbeit veröffentlichte: Etimologia, sensul initial si evolutia numelui topic „Brasov“, im dem Sammelband Limba si literatura VIII.

Erst später brachte der damalige Direktor des Kronstädter Staatsarchives Tiberiu Coliban das vollständige dreibändige Werk von Backmund nach Kronstadt und erst dann konnte der volle Wortlaut des Catalogus Ninivensis untersucht werden. Dabei wurde festgestellt, dass die Jahreszahl 1234 tatsächlich im Verzeichnis vorkommt, die Angaben über Kronstadt und Hermannstadt aber eigentlich aus dem Jahre 1235 stammen. Im Jahre 1235 reiste der Prämonstratenserabt Fredericus de Hamborn (bei Duisburg) nach Ungarn und Siebenbürgen, um die dortigen Klöster seines Ordens zu visitieren. Nach seiner Rückkehr verfasste er über die Anzahl und die Lage der Prämon­stratenserklöster einen Bericht, der jedoch nicht erhalten geblieben ist. Auf Grund dieses und anderer Berichte wurde ein Verzeichnis der Ordensklöster angelegt, das der oben genannte Bruder Marcus Annaert 1498 abschrieb.

Interessant ist, dass laut dem Catalogus Ninivensis Corona in dem Kumanischen Bistum liegt. Dieses wurde nach der Vertreibung des Deutschen Ordens aus dem Burzenland (1225) im Jahre 1228 gegründet und umfasste Gebiete am Außenrand des Karpatenbogens und auch das Burzenland, aus dem mehrere Pässe in diese Gebiete führten.

Die erste Erwähnung von Kronstadt wurde bald darauf auch in der Arbeit des Kronstädter Geschichtsprofessors Franz Killyen (1903-1974) über die Bildung des Kronstädter Komitats (Studii si articole de istorie, VII, 1965) erwähnt und wenig später von dem aus Hermannstadt stammenden Kirchenhistoriker Karl Reinerth untersucht (Archiv für Kirchengeschichte, 1966).

Eine umfassende Arbeit über Einige Probleme betreffend die erste urkundliche Erwähnung Kronstadts veröffentlichte dann der schon oben genannte Forscher Dr. Paul Binder im Jahrbuch des Kronstädter Kreismuseums (Cumidava III, 1969). Er wies nach, daß dieses „Schwesternkloster in Corona“ neben der Katharinenkapelle südwestlich der heutigen Schwarzen Kirche lag. Die heilige Katharina von Alexandrien, eine frühchristliche Märtyrerin, die am 25. November 307 auf Befehl des römischen Kaisers Maximinus hingerichtet wurde, war die Schutzheilige der sogenannten Beginen, der Witwen und unverheirateten Frauen, die sich zu einem andächtigen Leben verbunden mit Arbeit und Wohltätigkeit in sogenannte Beginenhöfe zurückzogen, ohne eigentliche Nonnen zu sein, und die vom Prä­monstratenserorden geistlich betreut wurden. Möglicherweise wurde der Kronstädter Beginenhof noch bis Ende des 13. Jahrhunderts von den Prämonstratensern betreut, doch mit dem Niedergang des Ordens besonders nach dem Mongolensturm von 1241 übernahm später der Zisterzienserorden die Betreuung der Beginen in Siebenbürgen. So wurde die Kronstädter Katharinenkapelle der Zisterzienserabtei von Kerz unterstellt.

Die Fundamente der Katharinenkapelle wurden zuerst 1976 im Keller des C-Gebäudes des heutigen Honterus-Lyzems festgestellt. Im Jahre 1559 war an dieser Stelle die sogenannte „kleine Schule“ errichtet worden. Anstelle des östlich davon gelegenen dazugehörigen Klosters hatte man schon im Jahre 1541 auf Anregung von Johannes Honterus ein neues Schulgebäude errichtet, die „große Schule“, wo heute das B-Gebäude des Honterus-Lyzeums steht.

Westlich der Katharinenkapelle gab es später den „Katha­rinenhof“, einen Gebäudekomplex mit zwanzig Wohneinheiten (Zimmern). Das älteste erhaltene Steuerverzeichnis von 1480 verzeichnet im „Sent Katrinen Hoff“ fast ausschließlich weibliche Bewohner. Wahrscheinlich lag diese Wohnanlage westlich der Katharinenkapelle, etwa dort, wo sich heute der Gebäudekomplex mit der Adresse Paul-Richter-Straße Nr. 5 befindet, das frühere „Alumnat“ und spätere „Honterushaus“, wie jetzt noch auf der Marmortafel über dem Eingangstor zu lesen ist. Die Bezeichnung „Katharinenhof“ wurde im späteren Mittelalter dem westlichen Teil des Kirchhofs gegeben und bei Anlegung des neuen Grundbuchs im Jahre 1872 wurde sogar das heutige Haus Marktplatz Nr. 17 auf der Ostseite der Schwarzen Kirche als auf dem Katharinenhofe gelegen verzeichnet, während das Adressen-Buch der Stadt Kronstadt für 1873 das gleiche Haus als am Apfelmarkt stehend anführt, nur der eigentliche Kirchhof wird als Katharinenhof bezeichnet.

So ist also heute genau bekannt, auf welche Stelle sich die erste bekannte schriftliche Erwähnung von Kronstadt aus dem Jahre 1235 bezieht, und zwar auf die heutige Adresse Honterushof Nr. 3, das B-Gebäude des Honterus-Lyzeums. Dürfen wir den zuständigen Stellen vorschlagen, im Jahre 775 „ab urbe Coro­nae prima documentatione“ am Gebäude im Rahmen der geplanten Jubiläumsfeierlichkeiten eine entsprechende Inschrift anzubringen? Es gibt da einige blinde Fensternischen, wo diese Inschrift sehr wohl ihren Platz finden könnte.

Bild: Illustration der ummauerten Stadt Kronstadt vor dem Brand von 1689 / Quelle: By XVIIth century engraving, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2378066

Gernot Nussbächer (OGT 2010, 283)