Ereignis vom 1. Januar 1523

Erwerb des Fürstentums Jägerndorf durch die Markgrafen von Ansbach

Markgraf Georg der Fromme von Brandenburg-Ansbach

Der Begründer der fränkischen Linie der Hohenzollern Friedrich VI. (1460-1536) der Ältere, Markgraf von Ansbach und Kulmbach-Bayreuth, hatte von seinen 17 Kindern 13, die älter als 6 Jahre wurden, standesgemäß zu versorgen. Da eine Landesteilung zufolge einer Verfügung seines Vaters Albrecht Achilles (1414-1486) nicht in Frage kam, mußte das Ziel durch Erbverbrüderungen, kirchliche Ämter, Käufe und vor allem durch Heiraten erreicht werden. Friedrich, selbst mit der polnischen Königstochter Sophia verheiratet, knüpfte u. a. mit den böhmischen und ungarischen Jagiellonen und deren habsburgischen Erben Beziehungen an. Durch Verheiratung seiner damals achtjährigen Schwester Barbara mit Herzog Heinrich von Glogau waren Ansprüche auf Crossen in Schlesien verbunden.

Sohn Georg wurde, nachdem er sich für den geistlichen Stand nicht geeignet fühlte und dies auch durch Zechgelage im Kloster Heilsbronn zum Ausdruck brachte, an den Hof des Königs Wladislaus von Ungarn und Böhmen gesandt, wo sich der Prinz allgemeiner Beliebtheit erfreute. 1509 heiratete er die reichste Witwe Ungarns, die 28jährige Beatrix von Frangepan. Als sie 1510 starb, veräußerte Georg, auch der herannahenden Türken wegen, den umfangreichen ungarischen Besitz und kaufte Herrschaften in Schlesien, das in dieser Zeit zu Böhmen gehörte (vgl. S. 311f.). 1512 handelte er mit Herzog Johann von Oppeln und danach mit Herzog Valentin von Ratibor in Erbverbrüderungen deren Nach¬folge aus. Sodann kaufte Georg 1523 für 58.900 ungarische Goldgulden von Georg von Schellenberg das Fürstentum Jägerndorf mit Leobschütz, Lobenstein und vielen weiteren Orten und wurde so schlesischer Fürst. Und damit begann auch das Ringen der Häuser Habsburg und Hohenzollern auf schlesischem Boden.

Seinen Aufenthalt in Schlesien 1525 nutzte der 41jährige Witwer, sich mit Hedwig, der anmutigen 15jäh¬ri¬gen Tochter des Landeshauptmanns Herzog Karl von Münsterberg zu vermählen, um endlich zu männlichen Nachkommen zu gelangen.

1526 übernahm der Markgraf die Herrschaften Oderberg und Beuthen. Mit Zustimmung König Ludwigs II. von Böhmen und Ungarn führte er noch den Titel „Herzog von Ratibor“. Weitere Gebiete, so auch die kleine Herrschaft Swierklenitz, suchte er durch Verhandlungen zu erwerben, um ein noch größeres als das fränkische Stammland zu errichten.

Das Vorhaben stand von Anfang an unter keinem guten Stern. König Ludwig, Georgs Gönner, kam 20jährig in der unglücklichen Schlacht von Mohacs 1526 um. Ein Jahr danach starb Kasimir, sein Bruder, mit dem er seit 1515 gemeinsam die Markgrafschaft Ansbach-Bayreuth regierte, so daß sich Georg auf die Pflichten im Fränkischen konzentrieren mußte. Er begann sogleich mit der rigorosen Einführung der Reformation. Mit dem Regierungsantritt des Habsburgers Ferdinand, des späteren Kaisers Ferdinand I., 1527 schwenkten auch die böhmischen Stände um. Ferdinand wiegelte den Adel auf und setzte zeitlebens alles daran, die Hohenzollern aus Schlesien hinauszudrängen. Ferdinand zwang Johann, den Erbvertrag mit Georg bezüglich Oppeln und Ratibor, das dieser mittlerweile geerbt hatte, zu widerrufen.

Bedingt durch die politischen Verhältnisse gestand Ferdinand jedoch den Prager Vertrag vom 17. Juni 1531 zu, wonach Johanns Besitz nach dessen Tod an Ferdinand zurückfallen, Georg Oppeln erhalten und Ratibor aber als Pfandbesitz für Darlehen an Ferdinands Vater übergehen sollte. Georg bewilligte Ferdinand 1532 am Breslauer Fürstentag wiederum Türkenhilfe, für Jägerndorf waren es 30 Knechte und je 8 Kosaken und Pferde.

 

1532 nach dem Tode Johanns trat Georg den Pfandbesitz der Herzogtümer Oppeln und Ratibor an, die jedoch 1552 end-gültig an Ferdinand zurückfielen. Der Besitz von Jägerndorf wurde ihm bestätigt. Bei der Bevölkerung Jägerndorfs machte sich Georg sehr beliebt, da er sich um das Wohl der Untertanen mehr mühte als seine Vorgänger. Vor allem ließ er Gerechtigkeit walten bei Übergriffen des Adels. Gleich in den ersten Jahren hatte Georg Luthers Lehre im Herzogtum Jägerndorf eingeführt und Synoden abhalten lassen. Jägerndorf wurde zum Zentrum der evangelischen Lehre für ganz Oberschlesien. Wegen der Türkengefahr ließ er die Feste Lobenstein ausbauen und die Vertreidigungsanlagen der Stadt Jägerndorf in Stand setzen. In den Beuthener Bereich holte Georg fränkische Siedler.

Einen weiteren Versuch, Georg die schlesischen Besitztümer abzunehmen, machte Ferdinand 1530 beim Reichstag zu Augsburg, wo er vor Kaiser Karl V. Georgs „ketzerische“ Einstellung beklagte. Georg seinerseits, der den Beinamen „der Fromme“ erhielt, wollte lieber niederknien und sich den Kopf abschlagen lassen, als seine Überzeugung zu verleugnen. Wie Schuhmann anführt, soll der Kaiser, in dessen Land die Sonne nicht unterging, beruhigend gesagt haben: „Nit Kopp ab, löwer Fürst.“

Als Georg 1543 starb, war sein Sohn Georg Friedrich noch unmündig, die vormundschaftliche Regierung des Kurhauses Brandenburg setzte im Schlesischen einen Statthalter ein.

Der zügellose Markgraf von Kulmbach-Bayreuth Albrecht Alcibiades (1522-1557), dem die Hohenzollern verständlicherweise die Nachfolge Georgs nicht zugestanden, hatte 1552 durch seine Raubzüge in Franken den zweiten Markgräfler Krieg verursacht und war schließlich 1553 von Karl V. in Reichsacht getan worden. Dies nahm Ferdinand zum Vorwand, auf dem Augsburger Reichstag 1555 Beuthen und Swierklenitz zurückzufordern, was aber mißlang, da die Ansbacher Räte entsprechende Akten vorlegten. Ebenso mußte Ferdinand auf die Einziehung Jägerndorfs verzichten Er gab den schlesischen Besitz nach zwei Jahren an den rechtmäßigen Erben Georg Friedrich (1539-1603), Markgraf von Brandenburg-Ansbach.

Die Regierungsjahre – ab 1556 – des energiegeladenen Georg Friedrich waren geprägt durch ruhiges Ordnen der Verwaltung, Sanierung der Finanzen und den Ausbau des Schulwesens. 1557 wurde er mit Jägerndorf belehnt. Im gleichen Jahr errichtete er dort eine Münzstätte. Dort gelingt das Fortführen der Reformation nicht so sehr wie in Franken. 1570 zwang der Kaiser, als katholischer Habsburger weiterhin Gegner der protestantischen Hohenzollern, Georg Friedrich, das Landrecht des tschechischen Adels wieder in Kraft zu setzen, wodurch die Rechte der Markgrafen eingeschränkt und u. a. auch die deutsche und tschechische Sprache gleichberechtigt wurden. Nun erst recht nahm sich der Fürst der Bauern und Bürger an, um sie gegen die Ausschreitungen des Adels zu schützen.

Neben dem Erbland Jägerndorf konnte der Markgraf trotz des Widerstands Ferdinands und Maximilians Oderberg und Beuthen als Pfandschaften in seiner Hand halten. Seit 1573 trat zu den Ansbacher Pflichten Georg Friedrichs auch noch die Sorge um das Herzogtum Preußen, da sein Vetter Albrecht Friedrich geisteskrank wurde. Die schlesischen Lande mußten „Neben¬be-sit¬zungen“ bleiben, denen er sich jetzt nur wenig wid¬men konnte.

Als Georg Friedrich im April 1603 ohne Erben starb, endete die ältere Linie der fränkischen Hohenzollern. Laut Geraischem Hausvertrag (Geraer Vergleich) von 1598 fiel der gesamte Besitz an Kurbrandenburg. Der Nachfolger, Kurfürst Joachim Friedrich (1546-1608), schickte zwei Brüder als Fürsten in die wieder getrennten Markgrafentümer nach Franken; Jägerndorf mit Beuthen-Oderberg behielt er selbst, um es 1606 seinem jüngeren Sohn Johann Georg an Stelle eines Jahrgeldes zu überlassen. Letzterer machte Jägerndorf zu seinem ständigen Wohnsitz, gab der Stadt das Gepräge einer Residenzstadt und feierte dort 1610 glanzvolle Hochzeit mit Eva Christina von Württemberg. 1613 trat der Fürst zum reformierten Bekenntnis über, was zu Spannungen zwischen dem kalvinistischen Hof und der lutherischen Bürgerschaft führte.

Johann Georg sollte 1618 die Herrschaften Beuthen und Oder-berg durch das „Breslauer Fürstenrecht“ gegen Pfand an die Habsburger zurückgeben. Er weigerte sich und trat auf die Seite der Gegner Habsburgs unter Friedrich V., des „Winterkönigs“. Im tobenden Dreißigjährigen Krieg hielt sich der Markgraf, vom sächsischen Kurfürsten aus der Lausitz zurückgeworfen, noch kurz im Herzogtum Jägerndorf auf. Im Juli 1621 mußte der von Ferdinand II. Geächtete nach Ungarn flüchten, wo er 1624 starb. Nach der Schlacht am Weißen Berg (vgl. OGT 1995, S. 265-270), in der Friedrich V. bezwungen wurde, gab der Kaiser, sich über Lehensrecht hinwegsetzend, 1623 Jägerndorf an seinen treuen Parteigänger Karl von Liechtenstein, der seit 1614 schon Troppau besaß. Das Besitztum Johann Georgs verschwand so ohne jegliche Entschädigung. Es begann die Rekatholisierung. Beuthen und Oderberg erhielt der Hofbankier Lazarus Henckel von Donnersmarck.

Das jähe Ende nach 100 Jahren darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Aufbau eines leistungsfähigen Beamtentums, die Förderung des Bergbaues und die Fürsorge für das Landvolk dauernde Verdienste der Hohenzollern geblieben sind. Und erst als Friedrich der Große den Kampf siegreich geführt hatte, kam Schlesien im Breslauer Frieden von 1742, freilich nur mit einem Teil Jägerndorfs und ohne Troppau und Teschen, wieder an die Hohenzollern.

Die Erträgnisse aus den schlesischen Landen, etwa Getreide, Pferde und bescheidene Bodenschätze, verkaufte man bereits unter Georg für „gutes“ Geld. Durch den Bau des Rother Schlosses mit dem Namen Ratibor, heute eine viel genutzte Kulturstätte, wird auch in Franken die stolze und wehmütige Erinnerung an die schlesischen Hoffnungen und Teilerfolge der Markgrafen aufrechterhalten. Und in Jägerndorf, nahe dem schmucken Marktplatz, wird noch das Schloß – für die Öffentlichkeit unzugänglich – bewohnt, das der Nürnberger Hans Behaim zu Zeiten Georgs festungsartig errichtet hatte.

Lit.: Gottlieb Biermann: Jägerndorf unter der Regierung der Hohenzollern,. in: Zs. d. Ver. f. Gesch. u. Altert. Schles. 11/1, 1871, S. 36-96. – L. Fikentscher: Beiträge zur Geschichte der markgräflich branden¬burgischen Münzstätten zu Ansbach, Schwabach und Jägerndorf, in: Archiv f. Ges. u. Altertumskunde von Oberfranken. Bd. 12, 1872. – August Jegel: Die schlesischen Besitzungen der fränkischen Hohenzollern. Zs. f. Gesch. u. Kulturgeschichte Österreichisch-Schlesiens, Troppau 1916; auch als Sonderdruck. – Othmar Karzel: Die Reformation in Oberschlesien. Quellen u. Darstellungen zur schlesischen Ge¬schichte. 20. Bd., Würzburg 1979. – Ernst Kober: Beziehungen zwischen Ansbach und Schlesien. 75. Jahresber. der HV f. Mfr. 1955, 23 – 40. – Ders.: Jägerndorf unter den Ansbacher Markgrafen. Ansbacher Kulturspiegel H. 5, 1965. – Ludwig Petry: Die Hohenzollern in Jägerndorf 1523 – 1621, in: Schlesische Blätter 1939, S. 46 ff.

Bild: Das Gemälde Markgraf Georg der Fromme von Brandenburg-Ansbach von Lucas Cranach der Jüngere im Jagdschloss Grunewald / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Karl Röttel